und ich bin nur seine Base.«
»Der König ist aber doch sehr eingenommen für Euch, edle Frau.«
»Ach, nicht so sehr,« entgegnete in etwas schmerzlichem Tone die Fürstin. »Ich werde mit dem Gliede einer goldenen Kette abgefunden, während jene eine ganze Kette erhält, für mich wird ein Fuchspelz als ganz genügend erachtet, jene aber muß einen Zobelpelz haben. Für keinen Menschen in der Familie hegt der König eine solche Vorliebe, wie für Alexandra. Ich erinnere mich keines einzigen Tages, an dem er sie mit leeren Händen entlassen hätte ...«
Unter solchen Gesprächen näherten sich die Reisenden allgemach ihrem Ziele. Auf der Landstraße wurde es stündlich lebhafter. Zahllose Landedelleute, teils in Rüstungen, teils in sommerlichen Gewändern und in Strohhüten, zogen an der Spitze ihrer Knechte in die Stadt. Etliche davon waren beritten, andere fuhren in Wagen, von ihren Frauen und Töchtern begleitet, welche auch die längst angekündigten Turniere sehen wollten. An verschiedenen Stellen war die Landstraße geradezu von Wagen mit Salz, Wachs, Getreide, Fischen, Tierfellen und Holz gesperrt, da es der Abgaben wegen den Kaufleuten nicht gestattet wurde, die Stadt zu umgehen. Gar viele Wagen mit allerlei Stoffen, mit Bierfässern, kurz, mit den mannigfaltigsten Waren beladen, fuhren in die Stadt. Schon wurden die königlichen, die herrschaftlichen und die städtischen Gärten sichtbar, die von allen Seiten Krakau mit seinen Mauern und Kirchtürmen umschlossen. In der nächsten Nähe der Stadt erreichte der Lärm seinen Höhepunkt, und an den Thoren stauten sich Wagen, Reiter und Fußgänger in einer solchen Weise, daß kaum durchzukommen war.
»Welch eine Stadt!« rief Macko. »Ein zweites Krakau giebt es nicht mehr auf der Welt!«
»Es ist, als ob immer Jahrmarkt darin wäre!« meinte einer der fahrenden Schüler. »Seid Ihr schon einmal früher hier gewesen, Herr?«
»Vor langer Zeit. Jetzt aber überrascht mich der Anblick Krakaus dermaßen, daß mich dünkt, ich sähe die Städte zum erstenmal nach einem Aufenthalte in wilder Gegend.«
»Krakau soll sich unter König Jagiello unendlich entwickelt haben.«
»Das ist wahr. Seit der litauische Großfürst den Thron bestiegen hat, sind unermeßliche litauische und russische Länderstrecken dem krakauischen Handel eröffnet worden. Infolgedessen nahm die Stadt tagtäglich an Wohlhabenheit, an Bevölkerung zu – es entstanden eine Reihe neuer Bauten, und jetzt wird Krakau zu den bekanntesten Städten der Welt gerechnet.«
»Nun, nun, die Städte der Kreuzritter sind auch nicht zu verachten,« ließ sich aufs neue der auffällig dicke fahrende Schüler vernehmen.
»Ja, wer dahin kommen könnte!« entgegnete Macko. »Welch eine Beute wäre da zu gewinnen.«
Powala erwog noch immer in seinem Sinn das Schicksal Zbyszkos, der doch nur durch sein thörichtes Vorgehen eine Schuld auf sich geladen hatte und sich jetzt einfach in den Rachen des Wolfes begab. Der Herr von Taczew besaß, trotz seiner grimmigen und rauhen Außenseite, ein taubenfrommes Herz; er konnte sich des Mitleids mit dem jungen Gesellen nicht erwehren, wußte er doch am besten von allen, was den Schuldigen treffen werde.
»Ich sinne und sinne,« wandte er sich aufs neue zu Anna Danuta, »ob man der Königin von dem Geschehnis Kunde geben soll oder nicht. Wenn der Kreuzritter die Klage unterläßt, dann kommt es nicht zur Verhandlung, doch, angenommen, er beklagt sich, dann wäre es angemessener, durch die vorherige Auseinandersetzung einem plötzlichen Zornesausbruch vorzubeugen.«
»Sobald der Kreuzritter jemand ins Verderben stürzen kann, thut er es auch,« warf die Fürstin hier ein. »Doch ich werde sofort Zbyszko zu überreden suchen, an meinem Hofe zu bleiben. Vielleicht wird es sich der König doch überlegen, allzu streng gegen einen meiner Hofleute vorzugehen.«
Und ohne lange zu zögern, ließ sie Zbyszko zu sich entbieten. Als dieser hörte, um was es sich handle, sprang er sogleich vom Pferde und sich Anna Danuta zu Fuße nähernd, erklärte er sich mit der größten Freude bereit, fortan bei ihrem Hofe zu bleiben, wobei ihm aber seine persönliche Sicherheit weit weniger am Herzen lag, als die Gewißheit, dadurch in der Nähe Danusias verharren zu können.
Powala war inzwischen zu Macko geritten. »Wo wollt Ihr wohnen?« fragte er diesen.
»In einer mir bekannten Herberge.«
»In den Herbergen giebt es längst keinen Platz mehr.«
»Dann gehen wir zu einem mir befreundeten Kaufmann, Amylej mit Namen. Vielleicht nimmt er uns auf.«
»Hört jetzt meinen Vorschlag: Kommt zu mir als meine Gäste. Euer Bruderssohn könnte zwar mit dem Gefolge der Fürstin im Schlosse wohnen, allein ich halte es für besser, wenn er dem Könige nicht gleich unter die Hände kommt. Gar häufig thut man im ersten Zornesausbruch manches, was man später unterlassen würde. Ihr müßtet ja auch dann alles teilen, was Euch gemeinsam gehört – die Wagen und die Knechte, und dazu ist Zeit nötig. Bei mir jedoch, das dürft Ihr glauben, seid Ihr gut und sicher aufgehoben.«
Obwohl beunruhigt darüber, daß Powala die Sicherheit Zbyszkos dermaßen gefährdet erachtete, willigte Macko doch mit großer Freude in den Vorschlag ein, und so ritten sie gemeinsam in die Stadt. Bei dem wunderbaren Anblick aber, der sich ihnen hier bot, vergaßen sowohl sie wie Zbyszko aufs neue für einige Zeit aller Sorgen. Denn was hatten sie bis jetzt in Litauen und an der Grenze gesehen? Einzelne Burgen, und von bedeutenderen Städten nur Wilna, das wohl teilweise schlecht aufgebaut worden war, größtenteils aber noch in Trümmern lag. Hier hingegen reihte sich ein steinernes Handelshaus an das andere, und alle konnten an Pracht mit den litauischen großfürstlichen Burgen wetteifern. Wohl gab es auch zahlreiche Häuser aus Holz in Krakau, allein selbst diese Gebäude erregten Bewunderung durch ihre Höhe und durch ihre aus kleinen, in Blei gefaßten Glasstückchen bestehenden Fenster, auf denen sich die untergehende Sonne in solch roter Glut spiegelte, daß man glauben konnte, es sei Feuer in den Häusern ausgebrochen. In den in der Nähe des Marktes liegenden Straßen standen gleichfalls ganze Reihen von hohen, teils schmalen, teils breiten Bauten, entweder aus Ziegeln oder aus Stein aufgeführt, alle mit gewölbtem Hausflur, Erkern und mit kreuzartigen Verzierungen, sowie häufig mit den Merkmalen der Leiden Christi oder mit dem Bilde der Jungfrau Maria über dem Thorbogen geschmückt. Auf beiden Seiten dieser mit Stein gepflasterten Straßen befanden sich in tiefen Gewölben die prächtigsten, wunderbarsten Warenlager, auf die Macko, gewöhnt an reiche Kriegsbeute, manch gierigen Blick warf. Unendliches Staunen riefen aber bei ihm und Zbyszko die öffentlichen Gebäude hervor, so die Kirche der Jungfrau Maria auf dem Ringe, das Rathaus mit seinem Riesenkeller, wo das Swidnicer Bier verzapft wurde, die anderen Kirchen, das geräumige mercatorium, das für ausländische Kaufleute bestimmt war, der Bau, in dem die städtische Wage stand, die Badehäuser, die Haarschneidekabinette, die Kupfer-, Gold- und Silberschmelze, die Bierbrauereien mit ihren zahllosen Fässern neben dem sogenannten Schrotamte, kurz, all diese Sehenswürdigkeiten, von denen ein der Stadt ungewohnter Mensch, selbst wenn er der wohlhabende Besitzer einer kleinen Burg sein mochte, keine Ahnung haben konnte.
Powala führte Macko und Zbyszko in sein, in der Straße Sankt Maria gelegenes Heim, befahl, ihnen eine große Stube herzurichten, übergab sie der Obhut seiner Pagen und eilte sofort in das Schloß, von wo er erst in später Nacht zurückkehrte. Trotzdem brachte er aber noch einige Freunde zum Mahle mit, die sich Trank und Speise wohl schmecken ließen. Der Wirt selbst aber zeigte eine sehr bekümmerte Miene, und als er endlich mit den beiden Edelleuten aus Bogdaniec allein war, sagte er zu Macko: »Ich habe Rücksprache mit einem Kanonikus genommen, der des Schreibens und des Rechtes kundig ist. Und wißt Ihr, was er behauptet: die Beleidigung eines Gesandten fordere ein Halsgericht. Betet daher zu Gott, damit sich der Kreuzritter nicht beschwere.«
Wenn nun auch Macko und Zbyszko dem Mahle frohgemut beigewohnt und sogar im Trinken das Maß etwas überschritten hatten, legten sie sich doch jetzt mit kummervollen Herzen zur Ruhe. Macko vermochte nicht einzuschlafen und rief schließlich: »Zbyszko!«