war ihr Mord ein verzweifelter Versuch seine Scham und Schuldgefühle loszuwerden, dafür, dass er sie verlassen hatte –– ein Versuch der kläglich gescheitert war.
Riley dachte zwar nicht, dass das wahrscheinlich war, aber sie konnte sich nicht sicher sein. Sie hatten wirklich keinerlei Anhaltspunkte bisher und sie wollte Jenn nur davon abhalten, voreilige Schlüsse zu ziehen. Sie war froh, dass Jenn nicht wütend und abwehrend wurde, wie sie es in Mississippi gewesen war.
In diesem Moment klingelte Chief Brennans Handy. Er nahm den Anruf entgegen, hielt dann aber sofort die Hand vor den Hörer und sprach zu Riley und ihren Kollegen…
“Es ist Agent Sturman am Apparat. Er sagt, dass seine Leute Kontakt mit den Copelands in Europa aufgenommen haben. Sie haben erzählt, dass ihre Kamera kontinuierlich filmen sollte und dass daher alles, was seit ihrer Abreise passierte, aufgenommen sein sollte. Sturman meinte, dass sie die Dringlichkeit der Situation einsehen und uns daher Erlaubnis erteilen, die Videobänder durchzuschauen. Sie haben uns soeben die gesamten Zugangsdaten überlassen, die wir brauchen um auf die Aufnahmen zugreifen zu können.”
Riley sah, dass Bill strahlte.
“Das bedeutet, dass wir nicht um einen Durchsuchungsbefehl betteln müssen und uns im Anschluss noch mit dem Security Unternehmen rumschlagen”, sagte er.
Riley war auch aufgeregt. Sie fragte: “Wie kommen wir an die Aufnahmen?”
Jenn sagte: “Soweit ich weiß, können wir bei diesen Überwachungssystemen von jedem Computer oder sogar Smartphone online zugreifen.”
“Ich finde es heraus”, sagte Chief Brennan.
Er widmete sich wieder dem Anruf mit Sturman und schrieb etwas auf. Danach legte er auf und zeigte den Kollegen seine Aufzeichnungen.
Er sagte: “Sturman hat mir einen Link gegeben, einen Benutzernamen und ein Kennwort. Wir sollten in der Lage sein und von hier aus direkt einzuloggen.”
Riley schaute zu Jenn, die offensichtlich mehr von diesen Sachen verstand als Bill oder sie selbst. Sie sagte zu ihr: “Na, dann lass mal sehen.”
Chief Brennan überreichte Jenn seine Notizen und sie holte ihren Laptop heraus und stellte ihn auf den Tisch. Sie brauchte nur wenige Sekunden um die Verbindung herzustellen. Die Gruppe drängte sich um den Laptop um sehen zu können, was auf dem Bildschirm passierte.
Das Bild war unscharf und verschwommen. Aber die Kamera hatte genau das aufgenommen, was Riley der Position der Kamera entsprechend erwartet hatte.
Sie zeigte auf den Bildschirm und sagte: “Schaut, das ist die Straße direkt vor dem Copeland Haus. Obwohl man es hier nicht sehen kann, befindet sich Robins Haus direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite.
“Wonach suchen wir denn?”, wollte Chief Brennan wissen.
Riley unterdrückte ein Seufzen.
Gute Frage, dachte sie sich.
Sie erinnerte sich an ihren Versuch in Robin Scovilles Haus einen Einblick in die Psyche des Mörders zu gewinnen. Sie dachte daran, dass sie sich vorgestellt hatte, wie der Mörder Robin aus dem Fenster starrend vorgefunden hatte, als er sich von hinten an sie heranschlich.
Robin hatte draußen etwas beobachtet, davon war Riley überzeugt.
Sie wandte sich an alle: “Wir wollen so viel wie möglich darüber wissen, was sich in den frühen Stunden dieses Morgens ereignet hat. Wir werden den Mörder wahrscheinlich nicht höchstpersönlich auf den Aufnahmen zu sehen bekommen, aber wir könnten auch Glück haben. Es scheint so, als hätte Robin aus ihrem Fenster auf die Straße geschaut, als sie angegriffen wurde. Vielleicht können wir ja einen Hinweis darauf finden, was sie da draußen gesehen hat. Ich habe keine Ahnung, was es sein könnte. Aber ich hoffe wir erkennen es, sobald wir es selbst sehen.”
Dann sagte sie zu Chief Brennan: “Sie sagten, der Todeszeitpunkt wir gegen vier Uhr morgens gewesen sein, richtig?”
Brennan zuckte mit den Schultern. “Das ist die Einschätzung, die der Gerichtsmediziner uns gegeben hat”, erwiderte er.
“Damit können wir arbeiten”, sagte Riley. “Jenn, spul die Aufnahme zu, sagen wir mal, drei Uhr dreißig zurück. Spul vor, bis wir irgendetwas Interessantes sehen.”
Jenn spielte die Aufnahme im Zeitraffer ab. Zuerst war die Straße leer. Dann fuhr ein Auto vorbei. Einige Minuten später fuhr ein weiteres Auto vorbei und danach war wieder alles still.
Jenn stoppte die Aufnahme.
“Was ist das?”, rief sie, als sie auf etwas großes und sperriges zeigte, dass ins Bild geraten war.
Chief Brennan schaute das Standbild genauer an und sagte dann: “Das ist nur die Müllabfuhr. Nichts dubioses.”
Womöglich nicht, dachte Riley sich.
Trotzdem sagte sie zu Jenn: “Spul zurück und lass es langsam laufen.”
Jenn spulte zurück zu dem Zeitpunkt kurz bevor der Müllwagen ins Bild kam. Dann ließ sie es in Zeitlupe laufen. Der Müllwagen war ein Modell mit mechanischen Armen, die die Müllcontainer selbstständig einsammelten und deren Inhalt in das Innere des Wagens beförderten. Obwohl die Aufnahme Robins Haus nicht zeigte, zeigte es wie der Wagen den Müllcontainer vor ihrem Haus einsammelte und ausleerte.
Doch Riley sah etwas viel Bedeutsameres.
Sie zeigte auf den Bildschirm und sagte: “Dort ist ein Mann.”
Rileys Kollegen beugten sich noch näher über den Bildschirm und Jenn ließ die Aufnahme weiterhin in Zeitlupe ablaufen. Genau wie Riley gesagt hatte, lief dort ein Mann neben dem Wagen her. Die niedrige Auflösung des Bildes zeigte ihn extrem unscharf. Er war in den Aufnahmen bloß als schummrige Silhouette erkennbar.
Als der Müllwagen fertig mit Robins Müllcontainer war, fuhr er weiter zum nächsten Haus. Doch der Mann blieb weiterhin dort stehen.
Riley begriff mit einem Kribbeln…
Er starrt Robins Haus an.
Dann fuhr sie zusammen und sagte zu Jenn…
“Halt das Bild an!”
Jenn drückte auf Stop, starrte das Bild an und fragte…
“Was macht er da?”
Die schummrige Silhouette schien nun einen Arm erhoben zu haben.
“Fast so, als würde er mit einer Waffe zielen”, sagte Brennan. “Aber das Opfer wurde nicht erschossen.”
“Für mich sieht es so aus, als würde er auf etwas zeigen”, sagte Bill.
“Auf das Opfer zeigen?”, fragte Jenn nach. “Droht er ihr?”
Riley sagte: “Lass es in Zeitlupe weiterlaufen.”
Jenn ließ die Aufnahme wieder laufen, Bild für Bild. Riley und ihre Kollegen konnten den Mann da stehen sehen, mit erhobenem Arm starrte er auf das Haus des Opfers. Dann ließ er seinen Arm fallen und rannte aus dem Bild.
Riley sagte zu Jenn: “Spiel die ganze Szene nochmal ab.”
Jenn spulte zurück zu dem Zeitpunkt, an dem der Müllwagen ins Bild einfuhr und spielte die Aufnahme in Zeitlupe erneut ab. Erneut sahen Riley und ihre Kollegen wie der Müllwagen anhielt um Robins Müllcontainer einzusammeln. Sie sahen auch wieder, wie der Mann neben dem Müllwagen herging. Dann sahen sie, wie der Müllwagen aus dem Bild zu fahren begann, der Mann aber stehen blieb, gestikulierte und dann endlich auch das Bild verließ.
“Wer ist der Typ?”, fragte Chief Brennan verblüfft.
“Was macht er da?”, fügte Jenn hinzu.
Und wo ist er hin? fragte Riley sich.
KAPITEL ACHT
Riley seufzte frustriert. Sonst gab es auf den Aufnahmen nichts mehr