Henriette Jade

Spiritueller Rausch der Lust | Erotischer Roman


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fragte sie.

      Meine Mutter wollte immer gern alles wissen und auf dem Laufenden sein. Nach der Trennung hatte ich in meinen Eltern, besonders in ihr, großen Rückhalt gefunden, wodurch unser Verhältnis viel enger geworden war. So war sie, nachdem Philip mich während der Schwangerschaft mit Lukas alleingelassen hatte, nach der Geburt vier Wochen am Stück bei uns gewesen.

      Dass sie nun so mitfieberte, war ihrer Sorge um mich geschuldet und ihrer Hoffnung, dass es vielleicht doch noch mit einem neuen Mann klappen könnte. Obgleich sie eine Feministin der alten Schule war, hieß sie seit neuestem sogar Online-Singlebörsen gut, und es war keine Rede mehr von »sich billig anbieten« oder dergleichen.

      Ich berichtete ihr noch eine Weile und als sie auflegte, nahm ich mir reflexartig ein Pfefferminzbonbon. Es gehörte zu den Eigenarten meiner Mutter, dass sie stets Pfefferminzbonbons in der Tasche, der Schublade oder auf der Küchenanrichte bunkerte.

      Nach dem Telefonat öffnete ich meinen E-Mail-Account und sah, dass Henri meinen Vorschlag für unser erstes Date bestätigt hatte:

      »Morgen Nachmittag um fünfzehn Uhr klappt, bin sehr gespannt auf dein Lächeln, möchte dir am liebsten schon jetzt tief in die Augen blicken, liebe Grüße Henri!«

      Ich schrieb jetzt seit einer Woche mit ihm, konnte mir aber noch kein richtiges Bild von ihm machen. War er nicht vielleicht doch ein wenig überschwänglich und manipulativ? Er hatte mir jeden Tag geschrieben, um den Kontakt zu mir nicht zu verlieren und mein Wohlwollen hinsichtlich eines realen Treffens aufrecht zu erhalten. Stets hatte er mir in seinen Mails ziemlich geschmeichelt. Besser gesagt, mich mit sexuellen Anspielungen überhäuft. Das entsprach eigentlich nicht meinen bisherigen Flirtgewohnheiten. Doch diese Art, auf direkte erotische Weise mit mir umzugehen, reizte mich irgendwie. Ich war neugierig auf ihn – umso mehr, als ich ansonsten gar nicht so viel von ihm wusste, noch nicht einmal, was er beruflich genau machte und ob er Kinder hatte. Das würde ich erst bei unserem ersten Date erfahren.

       2. Eine überraschende Begegnung

      Wir hatten uns an der Oberbaumbrücke in Friedrichshain verabredet. Ich war zuerst da. Nervös zupfte ich an Rock und Bluse. Von der Spree her wehte ein leichter, warmer Wind, der mir durch die Haare strich. Mein zartrosa Look, die Hochsteckfrisur und die flachen weißen Schuhe gefielen mir gut. Ich wartete gespannt. Was er wohl sagen würde, wenn wir uns gleich gegenüberstehen würden? Welche Klamotten würde er tragen? Ob er wohl wie in seinen Mails mit mir flirten würde? Schweißperlen bildeten sich auf meiner Nasenspitze, wie immer, wenn ich nervös wurde.

      Und dann sah ich ihn. Langsam kam er auf mich zu. Ich schluckte. Er trug eine Stonewash Jeans, Turnschuhe, Ohrringe und einen Kapuzenpulli, unter dessen rechtem Ärmel ein großes Tattoo hervorblitzte. Mir war zwar klar, dass ich bisher nur seine Mails und sein Foto kannte, doch hatte ich geglaubt, ihn zumindest ein wenig einschätzen zu können. Die Realität allerdings übertraf nun meine Vorstellungswelt bei Weitem: Ich konnte kaum glauben, wie enorm fremd er mir erschien. Sollte das der Typ sein, der laut des Persönlichkeitstests der Partnervermittlung besonders gut zu mir passte?

      Er begrüßte mich freundlich, und wir blickten uns erwartungsvoll an. Seine Augen schickten mir ein Lächeln, und seine tiefe Stimme hüllte mich im Nu ein. Doch drangen gleichzeitig seine äußere Erscheinung und sein Outfit vollends in mein Bewusstsein wie eine graue, unbekannte Landschaft, die mich ins Wanken brachte. Ich holte tief Luft, und Ernüchterung machte sich breit. Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt.

      Er aber ergriff die Initiative und schlug vor, gemeinsam einen Kaffee in der Cafeteria der nahe gelegenen »Universal Music Studios« zu trinken. Ich spürte, wie ich mich innerlich dagegen sträubte, und sich meine Beine kaum in Bewegung setzen ließen, doch dann gab ich mir einen Ruck. Ich wollte keine Spielverderberin sein.

      An der Theke bestellten wir Cappuccino und Milchkaffee. Er bezahlte. Sein Portemonnaie zog er aus einer Hüfttasche von »Eastpak«, so eine hatte ich das letzte Mal auf meiner Interrail-Tour vor zwanzig Jahren gesehen. Nachdem wir feinen, braunen Kakaostaub auf unsere geschäumte Milch gestreut hatten, setzten wir uns an einen freien Tisch mit Blick auf die Spree. Er verriet mir seinen Nachnamen. Ich sagte ihm, dass Jette eine Kurzform von Henriette wäre, und ich es lustig fände, dass sein Vorname Henri dann ja in meinem Vornamen Henriette enthalten sei. Mit solchen feinsinnigen Gedanken spielte ich gern.

      Interessiert blickte er mich an, ging aber nicht näher darauf ein, sondern fragte: »Ist das dein erstes Date?«

      »Ja, richtig. Mein allererstes.« Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden.

      »Okay, dann darf ich jetzt wohl nichts falsch machen. Na, dann stoßen wir auf unser erstes Treffen erst einmal an!«, fuhr er fort.

      Wir hoben unsere Kaffeetassen und prosteten uns zu. Ich erzählte ihm von mir, von meiner Tätigkeit als Restauratorin und meinen akademischen Ambitionen.

      Er stellte sich als gelernter Maurer vor. »Aber vor gut dreizehn Jahren habe ich die Fotografie entdeckt und mich damit selbstständig gemacht.«

      Es kam mir seltsam vor, dass er davon in seinem Online-Profil nichts erwähnt hatte, und so hakte ich gleich einmal nach: »Aber warum nennst du im Netz dann als Beruf ›Flirtcoach‹? Das passt doch gar nicht zusammen.«

      Er antwortete flachsend: »›Flirtcoach‹ hört sich doch viel spannender an als ›Maurer‹ oder ›Fotograf‹, findest du nicht?«

      Diese Antwort schien mir wenig befriedigend. Ich dachte bei mir, der will sich wahrscheinlich einfach nur interessant machen. Ich entschuldigte mich, ließ meine Handtasche in seiner Obhut und ging in Richtung Toiletten. Dort hielt ich inne und schaute in den Spiegel.

      Wie bringst du ihm jetzt bei, dass du dich gern verabschieden möchtest? Was sagst du nur? Vielleicht: »Ich habe es mir überlegt, ich denke, wir passen nicht zusammen ...«? Andererseits hatte ich meine Babysitterin für zwei Stunden bestellt. Und was hatte ich schon zu verlieren? Hin- und hergerissen ging ich wieder zurück zum Tisch und beschloss dann, es auf einen weiteren Versuch ankommen zu lassen.

      Schließlich kamen wir auf die Filme von David Lynch zu sprechen. Sachkundig beschrieb er den typischen Stil von Lynch, und tatsächlich – ich hörte fasziniert zu. Ihm entging nicht, dass ich ganz Ohr war, und da ergriff er die Gelegenheit, den Mittelfinger meiner linken Hand zu berühren. Floss durch diesen Finger eine besondere Kraft? Sofort spürte ich eine kribbelnde Energie, die in meinen Finger strömte und mich sehr aufmerksam werden ließ. Heute weiß ich, dass Lynch wohl ein süßer Köder gewesen war und dass Henri seine Begabungen mit »Flirtcoach« durchaus gut getroffen hatte. Ich konzentrierte mich nun mehr und mehr auf ihn, auf das, was er erzählte, und auf unseren gemeinsamen Moment. Er schob seine Hand in meine. Dann beugte er sich zu mir herüber, ganz nah, und schaute mir in die Augen. Seine Körperspannung drang stark auf mich ein. Ich wollte ihn berühren. Langsam näherte ich mich seinem Gesicht und drückte meine Lippen auf seine. Er wich nicht zurück. Vorsichtig und sehr bedacht tasteten sich unsere Lippen vor. Sein Atem floss in meinen Mund. Dann spürte ich seine forschende Zunge und schloss die Augen. Seine Zunge kreiste in meinem Mund, dann stieß sie tiefer und kam wieder höher. Ich folgte diesen zärtlichen Stimulationen, indem sich meine Zunge an seine schmiegte und versuchte, sie festzuhalten, dann saugte ich an seiner Zunge, wollte sie ganz zu mir, in mich hineinziehen. Es war, als würde ich an ihm kleben. Er erwiderte meinen Kuss und gab mir immer wieder seine Zunge. So ging es einige Sekunden, daraus wurden Minuten, eine Viertelstunde ... Unsere Küsse wurden immer intensiver. Dies ging solange, bis die Cafeteria geschlossen wurde, und wir von der Bedienung aufgefordert wurden, zu gehen.

      Wir nahmen unsere Sachen und verließen das Café, doch wir konnten noch nicht voneinander lassen und setzten uns im Foyer auf eine Couch, um uns weiter zu küssen. Da war plötzlich eine Anziehung zwischen uns, die sehr vereinnahmend war und mich Zeit und Ort vergessen ließ. Was war da bloß mit ihm, warum war ich so hin und weg? Er hatte die Ärmel seines Sweatshirts nach oben geschoben, und ich schaute mir sein Tattoo am Unterarm zwischendurch genauer an. Die Vorderseite zeigte zwei schwarzhaarige Mädchen mit langen roten Fingernägeln und schwarzen Sternen, die kokett an Lollis lutschten. Drehte man den Arm um, war ein weißer Hase mit schwarzem