P.L. Winter

Vera - Sklavin der Lust | Roman


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dann lass uns in die Stadt fahren, einen Parkplatz in der Nähe vom Stachus suchen und zu Fuß zum Marienplatz schlendern. Da finden wir sicher ein schönes Plätzchen für einen gepflegten Kaffee.« Frech grinste er sie an und freute sich, dass der Vorschlag ihre Stimmung ganz offensichtlich verbesserte.

      Es war ein schöner Sommertag und Vera genoss, wie ihr in dem offenen Sportwagen der Fahrtwind um die Nase und durch ihr kurzes rotbraunes Haar strich. Irgendwie erinnerte es sie an vergangene, bessere Zeiten, und sie kuschelte sich in den bequemen Sitz. Interessiert beobachtete sie die vorbeihuschende Landschaft – weitläufige Felder und Wiesen, unterbrochen von kleinen Wäldchen –, bis sie nach knapp fünfzehn Minuten bei Eching die ersten Ausläufer von München erreichten.

      »Mit deinem blauen Flitzer geht das aber ruckzuck«, stellte sie fest. »Ich mit meinem Golf habe dafür immer gute zwanzig Minuten gebraucht. Bist wohl immer noch ein Schneller, was?«

      »Ich weiß zwar nicht, wie du das genau meinst, aber seit du mich damals so Hals über Kopf verlassen hast, hat sich bei mir einiges verändert.«

      »Hals über Kopf? Na, so kann man das wohl nicht nennen nach dem, was du damals abgezogen hast ... Aber Schwamm drüber, das ist schon eine Ewigkeit her, ich habe es fast schon vergessen.«

      »Das ist aber kein Kompliment, wenn du mich vergessen hast«, stellte Thomas lachend fest und fuhr hastig fort: »Stimmt, ich habe mich damals wirklich danebenbenommen und wollte mich längst bei dir entschuldigen. Allerdings hast du dich rar gemacht und wolltest mir nicht einmal mehr zuhören.«

      Vera blickte ihn grimmig an und wollte etwas erwidern, kam jedoch nicht mehr dazu.

      »Okay, ich habe es verstanden. Aber die Vergangenheit ist erledigt. Ich habe mir deinen Rat zu Herzen genommen und eine Therapie gemacht.«

      Jetzt sah Vera ihn verblüfft an. Wie vieles war ihr das neu, diesmal jedoch im positiven Sinne.

      »Ja, ich bin zu einem Psychologen gegangen, der mir eine Selbsthilfegruppe empfohlen hat. Mit denen habe ich mich dann fast ein Jahr lang aller zwei Wochen getroffen und an meinem Problem gearbeitet. Dort habe ich auch meine spätere Frau kennengelernt. Ob man das als Rückfall oder Lösungsversuch bezeichnen sollte, kann ich nicht sagen, jedenfalls war ein Jahr ohne Sex regelrecht die Hölle für mich und ihr ging es genauso. Da war es nicht weiter verwunderlich, dass wir irgendwann die Gelegenheit nutzten und es so richtig krachen ließen.«

      Die Geschichte begann Vera langsam zu interessieren. Sie zog erwartungsvoll die Augenbrauen hoch und blickte Thomas fragend an. Eigentlich war sie am Sexleben anderer nicht sonderlich interessiert und schon gar nicht an dem ihrer Ex-Männer, dennoch klang dieser Lebenswandel, den offensichtlich sie ausgelöst hatte, durchaus bemerkenswert.

      »Aus unserem eigenen schlechten Gewissen heraus entschieden wir uns relativ überstürzt, zu heiraten und damit der ganzen Angelegenheit einen passenden Deckmantel zu verpassen. Anfänglich war unsere Ehe auch wirklich harmonisch. Wir liebten und verstanden uns gut und ... na ja, auch der Sex hatte alles, was wir brauchten und uns vom anderen wünschten.«

      Ja, ich verstehe schon. Weiter, was ist mit den Details? Komm schon, erzähl mir mehr!, dachte Vera, und schien ihn mit Blicken fast zu durchbohren. Allerdings tat ihr Thomas ihr nicht den Gefallen, ihre Neugier zu befriedigen.

      »Nun, um es kurz zu machen« – in seiner Stimme lagen plötzlich Ernst und Melancholie –, »eines Tages erwischte ich sie mit einem Arbeitskollegen, und das war der Anfang vom Ende unserer Ehe. Sie versprach mir zwar hoch und heilig, das wäre ein einmaliger Ausrutscher gewesen, doch ein paar Monate später steckte mir ein Freund, dass er sie in einem Swingerclub gesehen hatte. Angeblich verkehrte sie dort regelmäßig. Drei Tage später ging ich selbst in diesen Club und siehe da – ich traf meine Frau in heftigem Liebesspiel mit drei Männern gleichzeitig. Eine Woche später reichte ich die Scheidung ein und beendete damit unsere dreijährige Ehe. Glücklicherweise hatten wir keine Kinder, somit ging das ganze relativ flott über die Bühne.«

      »Wie lange ist das nun schon her?«

      »Meine Scheidung? Im Dezember werden es sieben Jahre ...«

      »Nein, nicht das! Das mit uns!«, unterbrach ihn Vera. »Wie lange ist das mit uns nun her?«

      »Zwölf Jahre, acht Monate und 14 Tage.«

      »So genau wollte ich das gar nicht wissen«, feixte Vera. Innerlich freute sie sich, dass er eine so genaue Antwort geben konnte. Sie hätte sich wahrscheinlich nie so exakt daran erinnern können und es auch gar nicht gewollt, doch jetzt gefiel es ihr. »Fast dreizehn Jahre, und seit sieben Jahren bist du geschieden – also: Wie läuft es mit deiner Neuen, wann läuten die Hochzeitsglocken?«

      »Keine Ahnung, ich habe seit meiner Scheidung eigentlich keine echte Beziehung mehr gehabt.«

      »Also bist du auch rückfällig geworden und jetzt wieder Hans Dampf in allen Gassen«, lachte Vera mit einem bitteren Unterton.

      »Nein, Hans dampft nicht mehr«, versuchte Thomas der Situation etwas Witz zu verpassen. »Im Ernst – nach der Therapie bin ich durchaus vernünftig geworden. Sicher, während meiner Ehe ließen wir es schon regelmäßig hoch hergehen, aber ich war nie untreu, und seither ist mir die Richtige noch nicht über den Weg gelaufen.«

      »Komm schon, Thomas, das kannst du deiner Großmutter erzählen, dass du seit deiner Scheidung keine mehr flachgelegt hast. Ich glaube dir vieles, aber das sicher nicht!« Vera musste unbewusst lachen, war allerdings auf seine Reaktion gespannt.

      »Das habe ich nicht gesagt.«

      »Na also, habe ich es doch gewusst: Der alte Schwerenöter lässt nichts anbrennen, damals nicht und heute auch nicht –«

      »Nein!«, unterbrach Thomas sie forsch, »Nein, da tust du mir unrecht. Sicher habe ich dann und wann mal eine kurze Affäre, aber alles in einem ganz normalen, gesitteten Rahmen – auch wenn du es mir nicht glauben willst.«

      Er klang fast schon etwas beleidigt, und so erwiderte Vera versöhnlich: »Entschuldige, so habe ich das nicht gemeint. Du bist ein freier Mann, siehst gut aus, hast einen tollen Job und kannst tun und lassen, was du willst. Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich nur drei Sorten von Anwälten kenne: die verheirateten Familienmenschen, die unverheirateten Playboys und die alleinstehenden, verklemmten Muttersöhnchen – und zu denen zähle ich dich ganz sicher nicht.«

      »Da hast du allerdings recht«, lachte Thomas und setzte wieder seine fröhliche Miene auf. Damit waren die Fronten soweit geklärt und er wollte das Thema nicht weiter vertiefen. »So, wir sind da. Da vorn ist, man sollte es nicht glauben, sogar ein freier Parkplatz! Ich glaube, du bringst mir Glück und solltest öfters mit mir mitfahren!«

      Die nächsten zwei Stunden schlenderten sie gemeinsam durch die Münchner Innenstadt, pausierten in drei Cafés – um festzustellen, dass auch der beste Münchner Kaffee nicht an die brasilianischen Qualitäten heranreichte – und fuhren schließlich gut gelaunt wieder zurück nach Freising.

      Während der ganzen Zeit unterhielten sie sich zwanglos über alles Mögliche, und Thomas versuchte mit geschickten Zwischenfragen, Vera in einem steten Redefluss zu halten. Er wusste, dass sie in den kommenden Tagen mit Bedacht und Vorsicht an ihren Erinnerungen arbeiten mussten, und da konnte es nicht schaden, wenn sie sich daran gewöhnen konnte, frei und locker aus sich heraus zu erzählen. Auch wenn er es dabei vermied, bereits jetzt auf Veras Erinnerungslücken einzugehen, stieß sie doch selbst immer wieder darauf und merkte, wie sich das eine oder andere Detail wieder zusammenfügte.

      Als sie pünktlich kurz vor halb sechs in seiner Kanzlei eintrafen, meinte seine Sekretärin genervt: »Gerda läuft seit einer halben Stunde in deinem Büro auf und ab und nervt mich alle zwei Minuten, ob du dich schon gemeldet hast. Ich habe mich gefragt, ob ich den Mieter unter uns warnen sollte, dass sie bald durch die Decke brechen könnte.«

      In diesem Moment öffnete sich die Bürotür und Gerda rief: »Na endlich! Ich habe schon gedacht, ich muss wieder eine Vermisstenanzeige aufgeben – wo bleibt ihr nur? Was hat denn so lange gedauert? Wo wart ihr denn? Kommt schon, nun