Starla Bryce

Die Regeln meines Herrn | Erotischer SM-Roman


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… Sie war noch gar nicht so alt!«

      Ria dachte nach. Als sie Griemhild damals kennengelernt hatte, war sie bereits Ende siebzig gewesen. Und das war mindestens sechs Jahre her. »Na ja, sie hatte ein gutes Alter. Manche Menschen werden nicht so alt.«

      Florin schaute Ria an, als hätte sie ihn soeben aufs Übelste beleidigt. »Ein gutes Alter? Griemi war topfit! Sie hat gekocht wie eine Sterneköchin!«

      Rias Hand fuhr wieder und wieder über Florins Rücken. »Tut mir leid … Ich weiß, was sie dir bedeutet hat.«

      »Nein, das weißt du anscheinend nicht! Sonst würdest du nicht so etwas sagen! Dank ihr habe ich meine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt! Ich könnte nur halb so gut kochen, wenn es sie nicht geben würde … gegeben hätte. Oder ich würde vielleicht auch gar nicht kochen.«

      »Ist gut …« Ria ließ ihren Kopf auf Florins Schulter sinken.

      »Ich fahre. Heute noch. Papa und ich treffen uns, damit wir alles Weitere besprechen können. Wie wir die … Beerdigung gestalten wollen.«

      »Willst du meinen Wagen haben?«, bot Ria ihrem Verlobten an. Florin selbst besaß kein Auto. Er war der Typ, der bei Wind und Wetter mit dem Rad zur Arbeit fuhr.

      »Nein, danke, Mäuschen. Lieb von dir, aber ich nehme den Zug.« Für Florin war sofort klar gewesen, dass er seinem Vater bei der Organisation von Griemhilds Beerdigung helfen wollte. Im Internet hatte er sich eine Zugverbindung herausgesucht – und für das Ticket sein gesamtes Erspartes aus der Spardose genommen, die wie ein dänischer Postkasten aussah. Eigentlich war das Geld für das Seminar bei einem berühmten Koch gedacht, das Florin im nächsten Jahr unbedingt besuchen wollte. Aber für seine geliebte Tante hätte er alles Geld der Welt ausgegeben.

      Bevor sich Florin jedoch in Richtung Bahnhof aufmachen konnte, musste er erst einmal packen. Das war gar nicht so leicht, wie sich herausstellte. Florin ging unruhig durch die Wohnung, packte ein paar Sachen in seinen alten Koffer und lud dann alles wieder aus. »Wieso soll ich so viel Kram mitnehmen? Das Leben ist so kurz! Das braucht man doch alles gar nicht! Was wirklich zählt, ist, dass man sein Leben genießt, jede einzelne Sekunde! Nicht, wie viele T-Shirts man in seinem Koffer hat!«

      »Ähm … Falls du nicht vorhast, die ganze Zeit über in dem gleichen muffeligen Shirt rumzulaufen, solltest du schon ein paar mehr Klamotten einpacken!«, lautete Rias Antwort auf den plötzlichen Yolo-Anfall ihres Verlobten. »Bei den heißen Temperaturen sollte man lieber zu viel als zu wenig dabeihaben.«

      Florin seufzte. »Ich will nur keine Zeit mehr verschwenden. Ich will los.«

      ***

      Zum Abschied drückte Florin seine Verlobte lange an sich. »Ich liebe dich. Bin bald wieder da. Ich bleibe maximal eine Woche, schätze ich. Wir telefonieren jeden Abend, ja?«

      »Machen wir. Die nächste Zeit habe ich sowieso Frühschicht und bin abends zu Hause.«

      »Gut, Mäuschen. Ich hoffe, du kommst ohne mich zurecht?«

      Ria setzte ein Lächeln auf. »Ich werde alle Fertiggerichte im Supermarkt aufkaufen, aber ja, ich werde irgendwie klarkommen.«

      »Gut. Dann bis bald!« Ein trockener Kuss berührte Rias Lippen. Sie atmete den Geruch von Florins Haaren, die hoffnungslos nach Imbissfett rochen, ein letztes Mal ein, ehe er die Tür hinter sich schloss.

      Ria nahm wieder auf dem Sofa Platz. Der arme Florin! Seine Tante war mit die wichtigste Bezugsperson für ihn gewesen. Ria ahnte, wie schwer es für ihren Verlobten sein musste, über den Verlust hinwegzukommen. Sie selbst hatte zwar bisher noch niemanden verloren, der ihr so nahestand, aber ihre Mutter hatte es vor drei Jahren mit ihrem neuen Lebenspartner in dessen alte Heimat Schweden verschlagen. Mit mal eben besuchen war es nichts. Der Kontakt beschränkte sich auf gelegentliche Telefonate, Textnachrichten und Videochats zu besonderen Anlässen. Ria war alt genug, um ihr eigenes Leben zu leben, und dasselbe gestattete sie auch ihrer Mutter. Wenn es auch nicht immer schön war, an Festtagen ohne sie zu sein.

      Ria griff nach ihrem Buch. Etwa eine Stunde später vibrierte ihr Handy und zeigte einen Anruf an. Florin.

      »Hey Mäuschen! Ich sitze jetzt im Zug! War ein ganz schönes Abhetzen, bis ich endlich das richtige Gleis gefunden habe!« Ria hörte, wie Florin zwischen den einzelnen Wörtern Luft holte.

      »Aber jetzt bist du ja im Zug.«

      »Ja, zum Glück! Ich habe einen Platz am Fenster erwischt. Überhaupt ist der Zug nicht so voll, wie ich befürchtet hatte. Aber das wird eine lange Fahrt. Angeblich um die drei Stunden. Ich werde wohl erst mal ein Nickerchen machen. Ich kann noch immer nicht glauben, was passiert ist …«

      »Ruh dich aus, das wird wohl das Beste sein. Aber nicht, dass du an deinem Ziel vorbeifährst!«

      »Ach, das wird nicht passieren. Ich melde mich, wenn ich angekommen bin. Papa ist ja auch da. Wir treffen uns in Griemis Wohnung.«

      »Okay, mach’s gut! Ich liebe dich!« Die Worte kamen ganz selbstverständlich, wie Hallo und Auf Wiedersehen! an der Kasse eines Einkaufszentrums.

      »Und ich dich erst, Mäuschen!«

      Wieder vertiefte sich Ria in ihr Buch. Doch nicht lange: Es waren vielleicht fünf Minuten vergangen, seitdem Florin sie darüber informiert hatte, dass er im Zug saß und einen guten Platz am Fenster ergattert hatte, da machte sich Rias Handy erneut bemerkbar. Eine WhatsApp-Nachricht von Florin.

      Hey Mäuschen! Sag mal, kannst du bitte mal nachschauen, ob du die Papiere der Bank irgendwo findest? Ich habe ganz vergessen, sie abzugeben! Du wärst ein Schatz, wenn du das für mich erledigen würdest! Ich liebe dich. Bussi von deinem Flori-Bärchen

      Ria seufzte. Es war wie so oft: Florin setzte sich etwas in den Kopf und Ria war diejenige, die es ausführen musste. Das war bereits beim Streichen des Wohnzimmers, beim Anbringen der neuen Lampe im Badezimmer und in unzähligen anderen Fällen so gewesen.

      Na gut, Schussel, mach ich!, schrieb Ria knapp. Heute konnte sie Florin nicht böse sein, immerhin hatte er gerade erfahren, dass seine Tante gestorben war.

      Ria stand vom Sofa auf und sah sich im Wohnzimmer um. Keine Papiere. Der nächste Ort von Rias Suche war die Küche. Im Regal mit Florins Kochbüchern hatte sich schon so manches wichtige Dokument versteckt. Doch dieses Mal nicht. Dann war das Schlafzimmer dran. Auf Florins Bettseite ragte unter dem Bett ein Haufen Zettel raus. Bingo! Ria nahm die Zettel, sah sie durch, ob alles unterschrieben und ausgefüllt war, und ließ sie dann in ihrer Handtasche verschwinden. Hatte die OhneSorgenBank noch geöffnet? Die Uhr zeigte 17:21 Uhr an. Ria lobte in Gedanken den Segen des Internets und schaute schnell auf der Website der Bank nach.

      Montags bis donnerstags bis 18 Uhr geöffnet. Freitags bis 13 Uhr geöffnet. Ein bisschen Zeit blieb ihr also noch. Lieber wollte Ria es gleich hinter sich bringen, als bis zur nächsten Woche zu warten. Denn morgen würde sie es ganz sicher nicht bis um 13 Uhr zur Bank schaffen, da ihr Dienst im Seniorenheim bis 14 Uhr dauerte.

      Während Ria ins Auto stieg und sich anschnallte, tauchte ein Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Cyril Kaltwein. Würde er um diese Uhrzeit noch arbeiten? Der Gedanke an ihn ließ Ria innerlich nervös werden. Aber wieso? Sie hatte ihn einmal gesehen und bei dem einen Mal würde es wohl auch bleiben. Und falls nicht, wäre heute sicher das letzte Mal, dass sie ihm in der Bank über den Weg lief. Florin war nicht der Typ, der seine Kumpels mit nach Hause brachte. Und konnte man Kaltwein überhaupt zu seinen Kumpels zählen, nur weil er zufällig bei diesem Pokerabend dabei gewesen war?

      Ria klappte die Sonnenblende herunter, um sich im Spiegel zu begutachten. Ihre Wimpern waren heute nicht so doll vom Mascara verklebt wie sonst. Eigentlich sah sie ganz in Ordnung aus. Dennoch holte sie den dezenten rotbraunen Lippenstift aus ihrer Handtasche und malte sich die Lippen an.

      ***

      Als Ria die Bank betrat, stellte sie erleichtert fest, dass niemand am Schalter vor ihr stand. Die Bank schien leergefegt, bloß eine junge blonde Frau im Blazer wartete am Schalter auf Kundschaft.

      »Hallo, ich möchte