könnten uns beauftragen, herauszufinden, welche Legalitätsstufe das Objekt, das sie kaufen wollen, wirklich hat.«
»Wieso, legt das der Makler nicht offen?«
»Wie naiv bist du eigentlich?«
»Was heißt hier naiv. Wenn der Makler die falsche Legalitätsstufe nennt, ist das Betrug.«
»Genau! Und da gibt es solche Makler und solche und wir könnten gutes Geld verdienen.«
»Davon verstehe ich nichts.«
»Wir könnten uns einarbeiten.«
»Zu viel Aufwand.«
Jesús bleibt hartnäckig. »Es wäre aber bestimmt lukrativer und interessanter, als Ehefrauen zu beschatten.«
Schweigend sitzen sie nebeneinander. Jesús betrachtet die Olivenhaine, die an ihnen vorbeiziehen. In der Ferne erkennt er die ersten Erhebungen des Tramuntana-Gebirges.
»Okay, ich mache dir folgenden Vorschlag. Wir investieren noch eine Woche. Wenn wir bis dahin nichts erreicht haben, dann lassen wir es.«
Sie mustern sich gegenseitig.
»Gut, so machen wir das«, sagt José Maria schließlich.
»Aber eins musst du mir noch erklären. Was willst du in der Bibliothek des alten arabischen Landgutes? Nur wegen der wunderschönen Gärten fahren wir da doch wohl nicht hin?«
»Wegen der alten Dokumente und Bücher.«
»Was für alte Dokumente und Bücher?«
»Keine Ahnung, aber Pedro hat gesagt, dass wir da bestimmt etwas finden.«
»Pedro! Da hast du ja den Richtigen gefragt.«
»Was hast du immer gegen Pedro!«
»Der ist ein Schlitzohr, und noch schlimmer, auf den können wir uns nicht verlassen.«
»Ich habe ihm nichts von unserem Auftrag verraten.«
Jesús zieht die Augenbrauen hoch. »Was hat er noch gesagt?«
»So genau habe ich das nicht verstanden. Er sprach davon, dass der maurische Eigentümer des Landgutes im Jahr 1229 mit den christlichen Eroberern gemeinsame Sache gemacht hat und deshalb als einziger Araber nicht enteignet wurde.«
»José, uns interessiert nicht das 13., sondern das 15. Jahrhundert.«
»Ja, ja, ich weiß, aber das Anwesen hat sich über die Jahrhunderte immer in Familienbesitz befunden.«
»Und du meinst, die haben alles immer schön aufgehoben?«
»Immerhin soll es dort die älteste Bibliothek der Insel geben, mit sehr vielen alten Büchern. Und«, José Maria macht eine kleine Pause, »wir haben die Zusage, uns dort umschauen zu dürfen.«
»Und was hast du denen erzählt?«
»Wir wären Historiker und würden die Geschichte Mallorcas aufarbeiten.«
Jesús schaut seinen Kompagnon entgeistert an.
»Gut, nicht?«, strahlt der zurück.
»Und, kannst du dich ausweisen?«, kommt es entnervt von Jesús.
»Wie ausweisen?«
Jesús seufzt. »Beispielsweise als Mitarbeiter irgendeiner Universität.«
José Maria lächelt, dann greift er in seine Hemdtasche und reicht Jesús ein gefaltetes Papier.
»Pedro?«
José Maria nickt.
»Im Fälschen ist er ein Genie.« Jesús hält das Papier gegen das Sonnenlicht. Das Wappen und das Wasserzeichen des Briefbogens der Universität Barcelona wirken echt. José Maria Jamires ist als Doktor der Geschichte benannt, der für eine wissenschaftliche Arbeit im Auftrag der Universität unterwegs ist.
»Und ich?«
»Du bist meine wissenschaftliche Hilfskraft.« José Maria kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Die gut ausgebaute Straße zieht sich, nur ab und an stehen vereinzelte flache Häuser am Straßenrand. Zumeist sehen José Maria und Jesús trockene, rötliche Erde, Olivenbäume und die für Mallorca typischen flachen Mauern aus alten, aufeinandergelegten Steinen. Das Schild nach Bunyola, einer Kleinstadt, lassen sie rechts liegen und fahren die Straße weiter geradeaus. Kurz vor der Tunneleinfahrt nach Sóller, nach dem Restaurant Ses Porxeres, biegen sie rechts auf einen Parkplatz ab. Nur wenige Autos stehen hier. Für die berühmte Gartenanlage von Alfàbia mit dem üppigen Grün, den hohen Kiefern, Palmen, Zypressen und den vielen Teichen und Brunnen haben die beiden keinen Blick. José Maria geht zielstrebig auf das alte Landhaus und dessen mit Säulen gestaltetes Portal zu. An der Holztür ergreift er eine herabhängende Kordel und zieht daran. Ein erstaunlich helles Läuten erklingt. Nach kurzer Zeit wird die Tür aufgezogen und ein älterer Mann steht vor ihnen.
»José Maria Jamires von der Universität Barcelona?«
»Ja, Sie sind Xisko de la Torre?«
Der Hausherr nickt.
»Vielen Dank, dass Sie uns Ihre Bibliothek zur Verfügung stellen.« Er überreicht ihm das Schreiben und deutet auf seinen Freund. »Das hier ist mein Assistent, Jesús Gonzáles.«
Xisko betrachtet das Schriftstück, faltet es zusammen und steckt es in seine hintere Hosentasche. Dann dreht er sich wortlos um und geht in den quadratischen Vorraum zurück, von dem mehrere Türen abgehen. Jesús schaut sich interessiert um. Die Wände sind weiß gekalkt. Alte Landschaftsgemälde zeigen Teiche und Höhlen. Xisko stößt eine Tür auf und sie gelangen zu einem weiteren Raum, von dem eine Treppe nach oben führt. Auch hier hängen alte Landschaftsgemälde, die mit Firniss überzogen sind. Jesús fröstelt, es riecht muffig und nur wenig Licht kommt durch die ovalen Fenster herein.
Wieso hat der Typ eine Sonnenbrille auf?
»Wir sind Ihnen wirklich zu Dank verpflichtet, dass Sie für uns Ihre Bibliothek öffnen. Wir werden Sie auch lobend in unserer Danksagung erwähnen.«
Jesús ballt die Faust. Kann der nicht mal seine Klappe halten?
»Die Gartenanlagen sind ja einmalig. Das sind doch bestimmt immense Kosten, die da jährlich auf Sie zukommen?« Xisko de la Torro schrickt zusammen.
Du Klugscheißer, du hast die Gartenanlage mit keinem Blick gewürdigt. Und merkst du nicht, dass der Hausherr nicht mit dir sprechen will? Jesús kocht vor Wut.
Am Ende der Treppe führt Xisko die beiden durch einen verwinkelten Gang. Dann öffnet er die Tür zur Bibliothek. Auch dieser Raum ist düster. Der Besitzer öffnet die Fenster und lässt frische Luft herein, dann betätigt er den Lichtschalter. Die langen Neonröhren an den Innenseiten der Regale brauchen eine gewisse Zeit, ehe sie flackernd und brummend den Raum in kaltes Licht tauchen. An sämtlichen Wänden stehen massive dunkle Bücherregale, die vom Boden bis zur Decke reichen. Die meisten der Regale sind verglast, dahinter sind alte Buchrücken zu erkennen. Xisko öffnet eine Schublade, entnimmt zwei Paar weiße Handschuhe und reicht sie den beiden Mallorquinern.
»Sie haben zwei Stunden Zeit. Danach müssen Sie eine Pause von mindestens einer Stunde einlegen, bevor Sie die Bibliothek wieder betreten dürfen.« Auf den verständnislosen Blick von José Maria erklärt der Hausherr knapp: »Bei Ihnen in der Universitätsbibliothek gibt es bestimmt eine Klimaanlage, aber hier müssen wir auf die Luftfeuchtigkeit achtgeben, damit die alten Folianten keinen Schaden nehmen.«
»Selbstverständlich«, erwidert Jesús schnell.
»Normalerweise ist immer meine Assistentin dabei, wenn Fremde sich in der Bibliothek aufhalten. Sie ist heute leider verhindert. Doch ich gehe davon aus, dass Mitarbeiter der Universität Barcelona wissen, wie sie mit den alten Büchern umzugehen haben. In zwei Stunden hole ich Sie wieder ab.«
Der Hausherr öffnet schon die Tür, dann dreht er sich nochmals zu den beiden Mallorquinern um.