Jaroslav Hašek

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk


Скачать книгу

      »Wünschen Sie also einen zahnlosen Spitz?« fragte Schwejk, »ich weiß von einem. Ein Wirt in Dejwitz hat einen.«

      »Also lieber einen Rattler«, ließ sich Bretschneider verlegen vernehmen, dessen kynologische2 Kenntnisse sich erst im Anfangsstadium befanden und der, wenn er nicht den Befehl dazu von der Polizeidirektion erhalten hätte, nie etwas über Hunde erfahren haben würde.

      Aber der Befehl lautete deutlich, klar und hart. Er sollte mit Schwejk auf Grund seines Hundegeschäftes näher bekannt werden und erhielt zu diesem Zweck das Recht, sich Gehilfen auszusuchen und über Beträge zum Ankauf von Hunden zu disponieren.

      »Rattler gibts größere und kleinere«, sagte Schwejk, »ich weiß von zwei kleinern und drei größern. Alle fünf kann man aufn Schoß nehmen. Ich kann Ihnen sie aufs wärmste empfehlen.«

      »Das wär was für mich«, erklärte Bretschneider, »und was kostet einer?«

      »Das kommt auf die Größe an«, antwortete Schwejk, »das hängt nur von der Größe ab. Ein Rattler is kein Kalb, bei Rattlern is es grad umgekehrt, je kleiner, desto teurer.«

      »Ich reflektiere auf einen größern, der hüten kann«, entgegnete Bretschneider, der fürchtete, den Geheimfonds der Staatspolizei zu sehr zu belasten.

      »Gut«, sagte Schwejk, »größere kann ich Ihnen zu fünfundzwanzig Kronen verkaufen, und noch größere zu fünfundvierzig, aber dabei hamr auf was vergessen. Solln es junge Hunde sein oder ältere Hunde, und dann Hunde oder Hündinnen?«

      »Das is mir egal«, antwortete Bretschneider, der hier unbekannten Problemen gegenüberstand, »verschaffen Sie mir einen, und ich hole mir ihn morgen um sieben Uhr abend bei Ihnen. Abgemacht?«

      »Abgemacht, kommen Sie«, antwortete Schwejk trocken, »aber in diesem Fall bin ich gezwungen, Sie um eine Anzahlung von dreißig Kronen zu bitten.«

      »Ohne weiters«, sagte Bretschneider, das Geld auszahlend, »und jetzt lassen wir uns jeder ein Viertel Wein auf mein Konto geben.«

      Als sie ausgetrunken hatten, bestellte Schwejk ein Viertel auf sein Konto, dann wieder Bretschneider, wobei er Schwejk aufforderte, sich nicht vor ihm zu fürchten, er sei heute nicht im Dienst, und man könne mit ihm daher über Politik sprechen.

      Schwejk erklärte, er spreche niemals im Wirtshaus über Politik, die ganze Politik sei ein Geschäft für kleine Kinder.

      Bretschneider hatte dagegen revolutionäre Anschauungen; er erklärte, daß jeder schwache Staat zum Untergang verurteilt sei und fragte Schwejk nach seiner Ansicht darüber.

      Schwejk erklärte, daß er mit dem Staat nie zu tun gehabt habe, aber einmal habe er ein schwaches Bernhardinerjunges in Pflege genommen und mit Kommißzwieback gefüttert, und es sei auch richtig krepiert.

      Als sie jeder das sechste Viertel getrunken hatten, erklärte Bretschneider, er sei Anarchist und fragte Schwejk, in welche Organisation er sich einschreiben lassen solle.

      Schwejk sagte, daß ein Anarchist einmal einen Leonberger für hundert Kronen von ihm gekauft habe und ihm die letzte Rate schuldig geblieben sei.

      Beim siebenten Viertel sprach Bretschneider von der Revolution und gegen die Mobilisierung, worauf Schwejk sich zu ihm neigte und ihm ins Ohr flüsterte: »Grad is ein Gast ins Lokal gekommen, daß er Sie also nicht hört, sonst möchten Sie draus Unannehmlichkeiten haben … Sie sehn doch, daß die Wirtin weint.«

      Frau Palivec weinte tatsächlich auf ihrem Stuhl hinter dem Schanktisch.

      »Warum weinen Sie, Frau Wirtin?« fragte Bretschneider, »in drei Monaten gewinnen wir den Krieg, dann gibts Amnestie, Ihr Mann kommt zurück, und wir trinken uns bei Ihnen einen Rausch an.«

      »Oder glauben Sie nicht, daß wir gewinnen?« wandte er sich an Schwejk.

      »Wozu das immerfort wiederkaun«, sagte Schwejk, »gewinnen muß mans, basta, jetzt muß ich aber schon nach Haus gehn.«

      Schwejk bezahlte die Zeche und kehrte zu seiner alten Bedienerin, Frau Müller, zurück, die sehr erschrak, als sie sah, daß der Mann, der die Wohnungstür mit einem Schlüssel öffnete, Schwejk war.

      »Ich hab gedacht, gnä’ Herr, daß Sie erst in paar Jahren zurückkommen wern«, sagte sie mit der gewohnten Aufrichtigkeit, »ich hab mir derweil aus Mitleid einen Portier aus einem Nachtcafé auf Quartier genommen, weil bei uns dreimal Hausdurchsuchung war und sie gesagt ham, wie sie nichts ham finden können, daß Sie verloren sind, weil sie raffiniert sind.«

      Schwejk überzeugte sich sofort, daß der unbekannte Fremde sich recht bequem eingerichtet hatte. Er schlief in Schwejks Bett und war sogar so edelmütig, daß er sich mit dem halben Bett begnügte und auf der andern Hälfte irgendein langhaariges Geschöpf einquartiert hatte, das aus Dankbarkeit im Schlaf die Arme um seinen Hals geschlungen hielt, während Herren- und Damengarderobestücke kunterbunt ums Bett herumlagen. Aus dem Chaos war ersichtlich, daß der Nachtcaféportier mit seiner Dame in fröhlicher Laune heimgekehrt war.

      »Herr«, sagte Schwejk, den Eindringling rüttelnd, »daß Sie das Mittagmahl nicht verpassen! Es möchte mich sehr verdrießen, wenn Sie von mir sagen möchten, daß ich Sie herausgeworfen hab, wie Sie schon nirgends was zum Mittagmahl bekommen ham.«

      Der Portier war sehr verschlafen, und es dauerte lange, bevor er begriff, daß der Eigentümer des Bettes zurückgekehrt war und Ansprüche darauf erhob.

      Nach der Gewohnheit aller Nachtcaféportiers erklärte auch dieser Herr, er werde jeden, der ihn wecken wolle, durchprügeln, worauf er weiterzuschlafen versuchte.

      Schwejk klaubte einstweilen die verschiedenen Garderobestücke zusammen, brachte sie dem Portier zum Bett und sagte, während er ihn energisch rüttelte: »Wenn Sie sich nicht anziehen, wer ichs probieren, Sie so, wie Sie sind, auf die Gasse zu werfen. Es is ein großer Vorteil für Sie, wenn Sie angezogen von hier herausfliegen.«

      »Ich hab bis acht Uhr abend schlafen wolln«, ließ sich der Portier verschüchtert vernehmen, während er sich die Hosen anzog, »ich zahl dieser Frau pro Tag zwei Kronen fürs Bett und kann mir Fräuleins ausn Kaffeehaus herführen. Marie, steh auf!«

      Als er sich den Kragen anzog und die Krawatte umband, war er bereits so weit zu sich gekommen, daß er Schwejk versichern konnte, das Nachtcafé »Mimosa« sei wirklich eines der anständigsten Nachtlokale, in das nur Damen Zutritt hätten, deren Polizeibüchel vollständig in Ordnung sei, und lud Schwejk herzlich zu einem Besuch ein.

      Seine Gefährtin hingegen war mit Schwejk keineswegs zufrieden und bediente sich einiger recht feiner Ausdrücke, deren feinster lautete: »Klachl, hundsgemeiner!«

      Nachdem die Eindringlinge gegangen waren, wollte Schwejk mit Frau Müller abrechnen. Er fand aber keine Spur von ihr vor, außer einem Stückchen Papier, auf das mit Bleistift die unregelmäßigen Schriftzüge Frau Müllers geschmiert waren. Sie enthielten ihre Gedanken hinsichtlich des unglücklichen Vorfalls mit Schwejks an den Nachtcaféportier verborgtem Bett: »Verzeihn Sie, gnä’ Herr, daß ich Sie nie mehr sehn wer, weil ich aus dem Fenster spring.«

      »Sie lügt«, sagte Schwejk und wartete.

      In einer halben Stunde kam die unglückliche Frau Müller in die Küche geschlichen. Ihrem verstörten Gesichtsausdruck merkte man an, daß sie von Schwejk Worte des Trostes erwartete.

      »Wenn Sie aus dem Fenster springen wolln«, sagte Schwejk, »gehn Sie ins Zimmer, das Fenster hab ich aufgemacht. Aus dem Küchenfenster zu springen möcht ich Ihnen nicht raten, weil Sie in den Garten auf die Rosen fallen könnten und die Sträucher zerdrücken möchten und sie bezahlen müßten. Aus dem Zimmerfenster fliegen Sie schön aufs Trottoir, und wenn Sie Glück ham, brechen Sie sich das Genick. Wenn Sie Pech ham, brechen Sie sich bloß alle Rippen, Hände und Füße und wern noch das Spital zahlen müssen.«

      Frau Müller brach in Tränen aus, ging leise ins Zimmer und schloß das Fenster, und als sie zurückkehrte, sagte sie: »Es