Jaroslav Hašek

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk


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Rede des Feldkuraten war sehr kurz.

      »Soldaten! Wir haben uns hier versammelt, um vor der Abfahrt auf das Schlachtfeld unsere Herzen Gott zuzuwenden, damit er uns den Sieg verleihe und uns gesund erhalte. Ich werde euch nicht lange aufhalten und wünsche euch das Allerbeste.«

      »Ruht«, rief der alte Oberst auf dem linken Flügel.

      Die Feldmesse heißt deshalb Feldmesse, weil sie denselben Gesetzen unterliegt wie die Kriegstaktik im Felde. Bei den langen Feldzügen der Heere während des Dreißigjährigen Krieges pflegten auch die Feldmessen ungewöhnlich lang zu sein.

      Bei der modernen Taktik, wo die Bewegungen der Heere rasch und flink sind, muß auch die Feldmesse rasch und flink sein.

      Diese da dauerte gerade zehn Minuten, und die, welche in der Nähe standen, waren überaus erstaunt, den Feldkuraten während der Messe vor sich hin pfeifen zu hören.

      Schwejk folgte scharfsinnig den Signalen. Er lief auf die rechte Seite des Altars, war wiederum auf der linken und sagte nichts anderes als: »Et cum spiritu tuo.«

      Es sah aus wie ein Indianertanz um einen Opferstein, aber es machte einen guten Eindruck, denn es verscheuchte die Langweile des staubigen, traurigen Exerzierplatzes mit der Pflaumenallee im Hintergrund und den Latrinen, deren Geruch den mystischen Weihrauch der gotischen Kirchen ersetzte.

      Alle amüsierten sich vortrefflich. Die Offiziere rings um den Oberst erzählten einander Anekdoten, und so wickelte sich alles in völliger Ordnung ab. Ab und zu konnte man in der Mannschaft sagen hören: »Gib mir einen Schluck.«

      Und wie Opferrauch stiegen von den Zügen blaue Wölkchen Tabaksqualm gen Himmel. Alle Chargen rauchten, als sie sahen, daß der Herr Oberst sich eine Zigarre angezündet hatte.

      Endlich ertönte es: »Zum Gebet.« Staub wirbelte auf, und das ganze Viereck der Uniformen beugte die Knie vor dem Sportpokal des Oberleutnants Witinger, der ihn für den »Sport-Favorit« im Wettlauf Wien–Mödling gewonnen hatte.

      Der Pokal war voll, und das allgemeine Urteil, das die Manipulation des Feldkuraten begleitete und durch die Reihen lief, lautete: »Der hats ausgesoffen!«

      Diese Handlung wurde zweimal wiederholt. Dann noch einmal: »Zum Gebet«, darauf gab die Kapelle »Gott erhalte, Gott beschütze« zum besten, Antreten und Abmarsch.

      »Klauben Sie das Zeug zusammen«, sagte der Feldkurat zu Schwejk, auf den Feldaltar weisend, »daß wirs wieder hinbringen können, wos hingehört!«

      Sie fuhren also wiederum mit ihrem Droschkenkutscher und gaben alles redlich zurück, bis auf die Flasche Meßwein.

      Und als sie zu Hause waren und den unglücklichen Droschkenkutscher bezüglich der Bezahlung für die langen Fahrten an das Kommando gewiesen hatten, sagte Schwejk zum Feldkuraten: »Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, muß ein Ministrant derselben Religion angehören wie der, was das heilige Abendmahl verabreicht?«

      »Gewiß«, antwortete der Feldkurat, »sonst wäre die Messe ungültig.«

      »Dann, Herr Feldkurat, is ein großer Irrtum geschehn«, sagte Schwejk, »ich bin konfessionslos. Ich hab schon so ein Pech.«

      Der Feldkurat schaute Schwejk an, schwieg eine Weile, dann klopfte er ihm auf die Schulter und sagte: »Sie können den Meßwein austrinken, der in der Flasche übriggeblieben ist. Denken Sie sich, daß Sie wieder in die Kirche eingetreten sind.«

       12

       Schwejk pflegte zuweilen den Hirten der Soldatenseelen tagelang nicht zu sehen. Der Feldkurat teilte seine Zeit zwischen Pflichten und Völlereien und kam nur selten nach Hause, schmutzig, ungewaschen wie ein verliebter Kater, der seine Ausflüge über die Dächer macht.

      Wenn er bei seiner Rückkehr noch fähig war, sich auszudrücken, plauderte er noch, bevor er einschlief, mit Schwejk über erhabene Ziele, über Inbrunst, die Freude am Denken.

      Zuweilen versuchte er auch in Versen zu sprechen, Heine zu zitieren.

      Schwejk ministrierte nochmals für den Feldkuraten eine Feldmesse bei den Pionieren, zu der irrtümlicherweise noch ein anderer Feldkurat, ein ehemaliger Katechet, eingeladen worden war, ein ungewöhnlich frommer Mensch, der seinen Kollegen erstaunt betrachtete, als ihm dieser aus Schwejks Feldflasche, die Schwejk zu solch religiösen Handlungen immer mit sich trug, einen Schluck Kognak anbot.

      »Es ist eine gute Marke«, sagte Feldkurat Otto Katz, »trinken Sie, und gehn Sie nach Haus. Ich besorg das schon allein, ich habs eh nötig, unterm freien Himmel zu bleiben, mir tut heut der Kopf weh.«

      Der fromme Feldkurat ging kopfschüttelnd fort, und Katz entledigte sich wie immer überaus glänzend seiner Aufgabe.

      In das Blut des Herrn verwandelte sich diesmal ein Gespritzter, und die Predigt war länger, wobei jedes dritte Wort lautete: »und so weiter« und »sicherlich«.

      »Ihr werdet heute an die Front fahren, Soldaten, und so weiter. Wendet euch jetzt Gott zu und so weiter, sicherlich. Ihr wißt nicht, was euch geschehen wird, und so weiter und sicherlich.«

      Und immer donnerte es vom Altar: »und so weiter« und »sicherlich«, abwechselnd mit Gott und allen Heiligen.

      In seinem Eifer und in seiner oratorischen Begeisterung stellte der Feldkurat sogar Prinz Eugen als einen Heiligen hin, der sie beschützen werde, bis sie Brücken über die Flüsse schlagen würden.

      Nichtsdestoweniger endete die Feldmesse ohne jegliches Ärgernis, angenehm und amüsant. Die Pioniere unterhielten sich ausgezeichnet.

      Auf dem Rückweg wollte man den Feldkuraten und Schwejk mit dem zerlegbaren Altar nicht in die Elektrische einsteigen lassen.

      »Daß ich dir eins mit dem Heiligen übern Kopf hau!« sagte Schwejk zu dem Kondukteur.

      Als sie schließlich zu Hause anlangten, stellten sie fest, daß sie unterwegs irgendwo das Tabernakel verloren hatten.

      »Das macht nichts«, sagte Schwejk, »die ersten Christen ham die heilige Messe auch ohne Tabernakel gelesen. Wenn wirs anzeigen möchten, so könnt der ehrliche Finder von uns Finderlohn verlangen. Wenns Geld wär, möcht sich vielleicht kein ehrlicher Finder finden, obzwar es noch solche Leute gibt. Bei uns in Budweis beim Regiment war ein Soldat, so ein gutmütiges Rindvieh, der hat mal sechshundert Kronen auf der Gasse gefunden und hat sie auf der Polizei abgegeben, und in den Zeitungen hat man von ihm als ehrlichen Finder geschrieben, und er hat einen Schkandal davon gehabt. Niemand wollt mit ihm reden, jeder hat gesagt: ›Du Trottel, du, was hast du da für eine Dummheit gemacht. Das muß dich bis in den Tod verdrießen, wenn du noch bißl Ehr im Leib hast.‹ Er hat ein Mädl gehabt, und die hat aufgehört, mit ihm zu reden. Wie er auf Urlaub nach Haus gekommen is, ham ihn die Kameraden bei der Musik deswegen ausm Wirtshaus herausgeworfen. Er hat angefangen zu kränkeln, hat sichs in den Kopf genommen, und zum Schluß hat er sich vom Zug überfahren lassen. Einmal wieder hat in unserer Gasse ein Schneider einen goldenen Ring gefunden. Die Leute ham ihn gewarnt, er soll ihn nicht auf der Polizei zurückgeben, aber er hat sich nichts sagen lassen. Man hat ihn ausnehmend freundlich empfangen, daß dort herich schon der Verlust von einem goldenen Ring mit einem Brillanten gemeldet is, aber dann schaun sie auf den Stein und sagen ihm: ›Menschenskind, das is doch Glas und kein Brillant. Wieviel hat man Ihnen denn für den Brillanten gegeben? Solche ehrlichen Finder kennen wir!‹ Zum Schluß hat sichs aufgeklärt, daß noch jemand einen goldenen Ring mit einem falschen Brillanten verloren hat, ein Familienandenken, aber der Schneider is halt doch drei Tag gesessen, weil er sich in der Aufregung eine Wachebeleidigung hat zuschulden kommen lassen. Er hat zehn Prozent gesetzlichen Finderlohn bekommen, eine Krone und zwanzig Heller, weil der Schmarrn zwölf Kronen wert war, und hat diesen gesetzlichen Finderlohn dem Besitzer ins Gesicht geworfen, und der hat ihn wegen Ehrenbeleidigung geklagt, und der Schneider hat noch zehn Kronen Strafe bekommen. Dann hat er überall gesagt, daß jeder ehrliche Finder fünfundzwanzig verdient, daß man ihn verprügeln soll, bis er blau