…«, stotterte der Gast.
»Ja, ich habe also«, antwortete der Feldkurat.
Das Antlitz des Gastes nahm abermals einen zornigen und bösen Ausdruck an.
»Herr, das ist Betrug«, sagte er, indem er sich erhob.
»Beruhigen Sie sich, geehrter Herr …«
»Das ist Betrug!« schrie hartnäckig der Gast, »Sie haben mein Vertrauen mißbraucht!«
»Mein Herr«, sagte der Feldkurat, »Ihnen wird entschieden Luftveränderung guttun, hier ist es zu schwül!«
»Schwejk!« rief er in die Küche, »dieser Herr wünscht an die frische Luft zu gehn.«
»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat«, ertönte es aus der Küche, »daß ich diesen Herrn schon einmal herausgeworfn hab.«
»Wiederholen!« lautete der Befehl, der schnell, scharf und energisch vollführt wurde.
»Das ist gut, Herr Feldkurat«, sagte Schwejk, als er vom Flur zurückkehrte, »daß wir mit ihm Schluß gemacht ham, bevor er uns hier einen Radau geschlagen hat. In Maleschitz war ein Schenkwirt, ein Schriftkundiger, der auf alles Zitate aus der Heiligen Schrift gehabt hat, und wenn er jemandem mit dem Ochsenziemer eins heruntergehaut hat, hat er immer gesagt: ›Wer der Rute spart, haßt seinen eigenen Sohn; doch wer ihn liebet, züchtiget ihn beizeiten, ich wer dir geben, dich hier im Wirtshaus zu raufn!‹«
»Sehn Sie, Schwejk, wie es mit so einem Menschen endet, der den Priester nicht ehrt.« Der Feldkurat lächelte. »Der heilige goldzüngige Johannes hat gesagt: ›Wer den Priester ehrt, ehrt Christus, wer den Priester demütigt, demütigt Jesus Christus, dessen Stellvertreter der Priester ist.‹ Für morgen müssen wir uns einwandfrei vorbereiten. Machen Sie eingerührte Eier mit Schinken, kochen Sie einen Bordeauxpunsch, und dann werden wir uns der Meditation widmen, denn wie es im Abendgebet heißt: ›Herr, gib diesem Haus deine Gnade und halte alle Nachstellungen des bösen Feindes ferne von ihm.‹«
Auf der Welt gibt es standhafte Menschen, zu denen auch der bereits zweimal aus der Wohnung des Feldkuraten hinausgeworfene Mann gehörte. Gerade als das Nachtmahl fertig war, läutete jemand. Schwejk öffnete, kam bald darauf zurück und meldete: »Er is wieder da, Herr Feldkurat. Ich hab ihn derweil ins Badezimmer eingesperrt, damit wir in Ruh nachtmahln können.«
»Daran tun Sie nicht gut, Schwejk«, sagte der Feldkurat, »Gast ins Haus, Gott ins Haus. In alten Zeiten hat man sich bei Gastmählern von Mißgeburten belustigen lassen. Führen Sie ihn her, er soll uns unterhalten!«
Schwejk kehrte bald darauf mit dem standhaften Mann zurück, der düster vor sich hin blickte.
»Setzen Sie sich«, forderte ihn der Feldkurat freundlich auf, »wir beenden gerade unser Nachtmahl. Wir haben Hummern und Lachs gehabt und jetzt noch eingerührte Eier mit Schinken. Ja, uns gehts fein, die Leute borgen uns Geld.«
»Ich hoffe, daß ich nicht zum Scherz hier bin«, sagte der düstere Mann, »ich bin heute schon zum drittenmal hier. Ich hoffe, daß sich jetzt alles aufklären wird.«
»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat«, bemerkte Schwejk, »daß er nicht loszuwerden is, wie ein gewisser Bouschek aus Lieben. Achtzehnmal am Abend ham sie ihn bei ›Exner‹ herausgeschmissen, und immer is er ihnen wieder zurückgekommen, daß er die Pfeife dort vergessen hat. Er is ihnen zum Fenster hineingekrochen, zur Tür, aus der Küche, über die Mauer ins Lokal, durchn Keller in den Ausschank und hätt sich vielleicht aus dem Schornstein heruntergelassen, wenn ihn die Feuerwehr nicht vom Dach heruntergeholt hätt. So ausdauernd war er, daß er Minister oder Abgeordneter hätt wern können. Sie ham für ihn gemacht, was sie konnten.«
Der standhafte Mann wiederholte hartnäckig, als achte er nicht auf das, was man sprach: »Ich will Klarheit haben und wünsche angehört zu werden.«
»Es sei Ihnen gewährt«, sagte der Feldkurat, »sprechen Sie, geehrter Herr. Sprechen Sie, solange Sie wolln, und wir werden einstweilen unser Mahl fortsetzen. Ich hoffe, daß Sie dies beim Erzählen nicht stören wird. Schwejk, tragen Sie auf.«
»Wie Ihnen bekannt ist«, sagte der Standhafte, »wütet der Krieg. Den Betrag habe ich Ihnen vor dem Krieg geborgt, und wenn nicht Krieg wäre, möcht ich nicht auf Bezahlung drängen. Aber ich habe traurige Erfahrungen gemacht.«
Er zog ein Notizbuch aus der Tasche und fuhr fort: »Ich habe alles eingetragen. Oberleutnant Janata war mir siebenhundert Kronen schuldig und hat sich unterstanden, an der Drina zu fallen. Leutnant Praschek ist an der russischen Front in Gefangenschaft geraten und ist mir zweitausend Kronen schuldig. Hauptmann Wichterle, der mir den gleichen Betrag schuldet, hat sich hinter Rawaruska von den eigenen Soldaten umbringen lassen. Oberleutnant Maschek, der in Serbien gefangen ist, schuldet mir tausendfünfhundert Kronen. Es gibt mehr solcher Leute hier. Einer fällt in den Karpaten mit einem unbezahlten Wechsel von mir, einer gerät in Gefangenschaft, einer ertrinkt mir in Serbien, einer stirbt in Ungarn im Spital. Jetzt begreifen Sie meine Befürchtungen, daß dieser Krieg mich ruinieren wird, wenn ich nicht energisch und unerbittlich sein werde. Sie können einwenden, daß bei Ihnen keine direkte Gefahr droht. Schaun Sie.«
Er steckte dem Feldkuraten sein Notizbuch unter die Nase: »Da sehn Sie: Feldkurat Mathias in Brunn, vor einer Woche in der Isolierabteilung im Krankenhaus gestorben. Ich möcht mir die Haare ausraufen. Tausendachthundert Kronen hat er mir nicht bezahlt und geht in die Cholerabaracke einen Menschen versehen, der ihn nichts angegangen ist.«
»Das war seine Pflicht, lieber Herr«, sagte der Feldkurat, »ich geh auch morgen versehen.«
»Und auch in die Cholerabaracke«, bemerkte Schwejk, »Sie können mitgehn, damit Sie sehn, was es heißt, sich zu opfern.«
»Herr Feldkurat«, sagte der standhafte Mann, »glauben Sie mir, ich bin in einer verzweifelten Situation. Führt man deshalb Krieg, damit er alle meine Schuldner aus der Welt schafft?«
»Bis man Sie assentieren wird und Sie ins Feld gehen wern«, bemerkte Schwejk abermals, »so wern wir mitm Herrn Feldkurat eine heilige Messe lesen, damit der himmlische Gott gibt, daß die erste Granate Sie zu zerreißen geruht.«
»Herr, das ist eine ernste Sache«, sagte der Standhafte zum Feldkuraten, »ich verlange von Ihnen, daß Ihr Diener sich nicht in unsere Angelegenheit einmischt, damit wir zu Ende kommen können.«
»Erlauben Sie, Herr Feldkurat«, ließ sich Schwejk vernehmen, »befehlen Sie mir gefälligst wirklich, ich soll mich nicht in Ihre Angelegenheiten mischen, sonst wer ich weiter Ihre Interessen verteidigen, wie sichs für einen ordentlichen und anständigen Soldaten schickt. Der Herr hat vollkommen recht, er will allein von hier weggehn. Ich hab auch nicht gern Auftritte, ich bin ein Gesellschaftsmensch.«
»Schwejk, mich fängt es schon zu langweilen an«, sagte der Feldkurat, als bemerke er nicht die Anwesenheit des Gastes, »ich hab geglaubt, daß der Mensch uns unterhalten und uns Anekdoten erzählen will, und er verlangt, ich soll Ihnen befehlen, Sie solln sich nicht hineinmischen, obzwar Sie schon zweimal mit ihm zu tun hatten. An einem Abend, wo ich vor so einer wichtigen religiösen Handlung stehe, wo ich alle meine Sinne zu Gott wenden soll, belästigt er mich mit einer dummen Geschichte wegen lausigen tausendzweihundert Kronen, lenkt mich ab von der Prüfung meines Gewissens, von Gott, und will, ich soll ihm noch einmal sagen, daß ich ihm jetzt nichts gebe. Ich will nicht länger mit ihm sprechen, um mir diesen heiligen Abend nicht zu verderben. Sagen Sie ihm selbst, Schwejk: ›Der Herr Feldkurat gibt Ihnen nichts!‹«
Schwejk erfüllte den Befehl und brüllte dem Gast ins Ohr.
Der standhafte Gast blieb jedoch weiterhin sitzen.
»Schwejk«, forderte diesen der Feldkurat auf, »fragen Sie ihn, wie lange er glaubt, daß er hier noch herumgaffen wird!«
»Ich rühr mich nicht von hier, solang ich nicht bezahlt bekomme!« sagte hartnäckig der Standhafte.
Der Feldkurat stand auf, ging zum Fenster und sagte: »In diesem Fall übergebe ich ihn Ihnen, Schwejk. Machen Sie mit ihm, was