Frau Hadwig ärgerlich. Nimm lieber die Laute und sing mir das griechische Liedlein:
Konstantin, du armer Knabe, Konstantin, und laß das Weinen! |
Sie ist zersprungen, war die Antwort, und alle Saiten zu Grund gerichtet, seit die Frau Herzogin geruhten, sie...
Sie dem Grafen Boso von Burgund an den Kopf zu werfen, ergänzte Hadwig. Dem ist nicht zu viel geschehen, 's war gar nicht notwendig, daß er uneingeladen zur Leichenfeier Herrn Burkhards kam und mir Trost zusprechen wollte, als wär' er ein Heiliger. Laß die Laute flicken.
Sag mir indes, du griechische Goldblume, warum hab' ich heut den festlichen Schmuck angelegt?
Gott ist allwissend, sprach die Griechin, ich weiß es nicht. Sie schwieg. Frau Hadwig schwieg auch. Da trat eine jener schwülen inhaltsvollen Pausen ein, wie sie der Selbsterkenntnis vorangehen. Endlich sprach die Herzogin: Ich weiß es auch nicht!
Sie schlug mißmutig die Augen nieder: Ich glaube, es geschah aus Langerweile. Der Gipfel unseres Hohentwiel ist aber auch ein gar zu betrübtes Nest – zumal für eine Witib. Praxedis, weißt du ein Mittel gegen die Langeweile?
Ich habe einmal von einem weisen Prediger gehört, sprach Praxedis, es gäb' mannigfaltige Mittel dawider: Schlafen, Trinken, Reisen – das beste sei Fasten und Beten.
Da stützte Frau Hadwig ihr Haupt auf die lilienweiße Hand, sah die dienstbereite Griechin scharf an und sprach: Morgen reisen wir!
1 Einheimische Vögel, künstlich abgerichtet, nahmen in den Salons jener Tage die Stelle ein, die heute den Papageien zukommt. Im Fragment VIII des lateinischen Gedichts Ruodlieb wird sehr idyllisch erzählt von solch wundersam zahmen Staren, die es verstehen, ihr Futter selbst zu verlangen, und gelehrt sind:
2 Haec quondam parvula, Constantino Graeco regi cum esset desponsata, par eunuchos ejus ad hoc missos literis graecis adprime est erudita, sed cum imaginem virginis pictor eunuchus domino mittendam uti simillime depingeret, solicite eam inspiceret ipsa nuptias exosa os divaricabat et oculos, sicque Graeco pervicaciter repudiato, literis post latinis studentem Purchart illam dux multipliciter dotatam duxit usw. Ekkeh. casus S. Galli c. 10 bei Pertz Monum. II. 123.
3 .. seu serpentes capitatae, oscula quae sibi dant. Ruodlieb, fragm. III. 335.
Die Jünger des heiligen Gallus
Zweites Kapitel
Des anderen Tages fuhr die Herzogin samt Praxedis und großer Gefolgschaft im lichten Schein des Frühmorgens über den Bodensee. Der See war prächtig blau, die Wimpel flaggten lustig, und war viel Kurzweil auf dem Schiff. Wer sollt' auch traurig sein, wenn er über die kristallklare Wasserfläche dahinschwebt, die baumumsäumten Gestade mit Mauern und Türmen ziehen im bunten Wechsel an ihm vorbei, fern dämmern die schneeigen Firnen und der Widerschein des weißen Segels verzittert im Spiele der Wellen?
Keines wußte, wo das Ziel der Fahrt. Sie waren's aber so gewohnt.
Wie sie an der Bucht von Rorschach11 anfuhren, hieß die Herzogin einlenken. Zum Ufer steuerte das Schiff, übers schwanke Brett stieg sie ans Land. Und der Wasserzoller kam herbei, der dort den Welschlandfahrern das Durchgangsgeld abnahm, und der Weibel des Marktes und wer immer am jungen Hafenplatz seßhaft war, sie riefen der Landesherrin ein rauhes: Heil Herro! Heil Liebo!12 zu und schwangen mächtige Tannenzweige. Grüßend schritt sie durch die Reihen und gebot ihrem Kämmerer, etliche Silbermünzen auszuwerfen, aber es galt kein langes Verweilen. Schon standen die Rosse bereit, die waren zur Nachtzeit insgeheim vorausgeschickt worden; wie alle im Sattel saßen, sprach Frau Hadwig: Zum heiligen Gallus! Da schauten sich die Dienstleute verwundert an! Was soll uns die Wallfahrt? Zum Antworten war's nicht Zeit, schon ging's im Trab das hügelige Stück Landes hinauf, dem Gotteshaus entgegen.
Sankt Benedikt und seine Schüler haben die bauliche Anlage ihrer Klöster wohl verstanden. Land ab, Land auf, so irgendwo eine Ansiedelung steht, die gleich einer Festung einen ganzen Strich beherrscht, als Schlüssel zu einem Tal, als Mittelpunkt sich kreuzender Heerstraßen, als Hort des feinsten Weinwuchses: so mag der Vorüberwandernde bis auf weitere Widerlegung die Vermutung aussprechen, daß sotanes Gotteshaus dem Orden Benedicti zugehöre oder vielmehr zugehört habe, denn heutigentages sind die Klöster seltener und die Wirtshäuser häufiger, was mit steigender Bildung zusammenhängt.
Auch der irische Gallus hatte einen löblichen Platz erwählt, da er, nach Waldluft gierig,13 in helvetischer Einöde sich festsetzte: ein hochgelegenes Tal, durch dunkle Bergrücken von den milderen Gestaden des Sees gesondert, steinige Waldbäche brausen vorüber, und die riesigen Wände des Alpsteins, dessen Spitzen mit ewigem Schnee umhüllt im Gewölke verschwinden, erheben sich als schirmende Mauer zur Seite.
Es war ein sonderbarer Zug, der jene Glaubensboten von Albion und Erin aufs germanische Festland führte. Genau besehen ist's ihnen kaum zu allzu hohem Verdienst anzurechnen. »Die Gewohnheit, in die Fremde zu ziehen, ist den Briten so in die Natur gewachsen, daß sie nicht anders können,«14 schrieb schon in Karls des Großen Tagen ein unbefangener schwäbischer Mann. Sie kamen als Vorfahren der heutigen Touristen, man kannte sie schon von weitem am fremdartig zugeschnittenen Felleisen.15 Und ein mancher blieb haften und ging nimmer heim, wiewohl die ehrsamen Landesbewohner ihn für sehr unnötig halten mochten. Aber die größere Zähigkeit, das Erbteil des britischen Wesens, lebensgewandte Kunst, sich einzurichten, und beim Volk die mystische Ehrfurcht vor dem Fremden gab ihren Strebungen im Dienst der Kirche Bestand.
Andere Zeiten, andere Lieder! Heute bauen die Enkel jener Heiligen den Schweizern für gutes eidgenössisches Geld die Eisenbahn.16
»Die scotice mit altem Bardenfleiß Die Bücher schrieben und bewahreten.« |
Aus der schmucklosen Zelle an der Steinach, wo der irische Einsiedel seine Abenteuer mit Dornen, Bären und gespenstigen Wasserweibern bestand, war ein umfangreich Kloster emporgewachsen. Stattlich ragte der achteckige Turm der Kirche aus schindelgedeckten Dächern der Wohngebäude; Schulhäuser und Kornspeicher, Kellerei und Scheunen waren daran gebaut, auch ein klappernd Mühlrad ließ sich hören, denn aller Bedarf zum Lebensunterhalt muß in des Klosters nächster Nähe bereitet werden, auf daß es den Mönchen nicht notwendig falle, in die Ferne zu schweifen, was ihrem Seelenheil undiensam. Eine feste Ringmauer mit Turm und Tor umschloß das Ganze, minder des Zierats als der Sicherheit halber, maßen mancher Gewaltige im Land das Gebot: Laß dich nicht gelüsten deines Nachbars Gut! dazumal nicht allzustrenge einhielt.
Es war Mittagszeit vorüber, schweigende Ruhe lag über dem Tal. Des heiligen Benedikt Regel ordnet für diese Stunde, daß ein jeder sich still auf seinem Lager halte, und wiewohl von der gliederlösenden Glut italischer Mittagssonne, die Menschen und Tier in des Schlummers Arme treibt, diesseits der Alpen wenig zu verspüren, folgten sie im Kloster doch pflichtgemäß dem Gebot.17
Nur der Wächter auf dem Torturm stand, wie immer, treulich und aufrecht im mückendurchsummten Stüblein.
Der Wächter hieß Romeias und hielt gute Wacht. Da hörte er durch den nahen Tannwald ein Roßgetrabe; er spitzte sein Ohr nach der Richtung. Acht oder zehn Berittene! sprach er nach prüfendem Lauschen; er ließ das Fallgatter vom Tor herniederrasseln, zog das Brücklein, was über den Wassergraben führte, auf und langte sein Horn vom Nagel. Und weil sich einiges Spinnweb drin festgesetzt hatte, reinigte er dasselbe.
Jetzt