wir die Ursache für dieses Schwindelgefühl herausgefunden haben.«
»Spazierengehen kann ich aber schon?«
»Kein Problem, solange Sie nicht allein unterwegs sind.«
»Das wird nicht passieren. Die Gusti lässt mich zurzeit ohnehin nicht allein vor die Tür. Machen wir das mit dem EKG noch heute?«, wollte Toni wissen.
»Ja, auf jeden Fall«, sagte Danny. Er rief auch gleich Lydia über das Haustelefon an und bat sie, sich um die Blutentnahme und das EKG für Toni Meier zu kümmern.
»Wann kann ich denn wegen des Ergebnisses anrufen?«, fragte Toni, als Danny ihn zur Tür des Sprechzimmers begleitete.
»Am besten morgen Nachmittag, bis dahin haben wir die Ergebnisse der Laboruntersuchungen in die Patientenakten eingetragen.«
»Dann melde ich mich morgen. Vielen Dank, Herr Doktor«, sagte Toni und verabschiedete sich von Danny.
So nervig sie auch sein kann, im Grunde ihres Herzens will sie nur das Beste für ihre Familie, dachte Danny, als Gusti, die vor der Tür gewartet hatte, sich behutsam bei ihrem Mann unterhakte und ihn zum Laborzimmer begleitete. Beneidenswert, diese Paare, deren Verbindung jahrzehntelang hält und vielleicht sogar bis ans Ende ihres Lebens. Mit einem tiefen Atemzug schloss er die Tür und ging zurück an seinen Schreibtisch, um den nächsten Patienten aufzurufen.
*
»Sie sehen müde aus, Herr Doktor«, stellte Valentina fest. Die freundliche ältere Frau aus der Nachbarschaft, die sich an Werktagen um Dannys Haushalt kümmerte, stand schon im Mantel in der Diele, als er nach der Vormittagssprechstunde in seine Wohnung kam.
»Ich habe letzte Nacht nicht besonders gut geschlafen«, gab Danny zu.
»Das kommt in letzter Zeit häufiger vor. Vielleicht sollten Sie sich selbst einmal um Rat fragen, wie Sie das ändern könnten«, schlug Valentina mit besorgtem Blick vor.
»Das mache ich«, antwortete er lächelnd.
»Dann muss ich mir keine Sorgen um Sie machen?«
»Nein, müssen Sie nicht.«
»Gut, dann gehe ich jetzt. Das Essen steht auf dem Herd. Es ist noch warm.«
»Vielen Dank, Valentina. Grüßen Sie Ihren Mann von mir.«
»Danke, das werde ich ausrichten. Bis morgen.«
»Bis morgen, Valentina«, sagte Danny und sah der agilen Mittsechzigerin in dem dunkelbraunen Mantel nach, bis sie das Gartentor hinter sich geschlossen hatte und hinter der Hecke, die sein Grundstück umgab, verschwunden war.
Ein paar Minuten später saß er an dem großen Esstisch in der lichtdurchfluteten Wohnküche. Der restaurierte blaue Kachelofen war der Blickfang in diesem Raum mit den weißen Holzmöbeln und den hellen Lederstühlen.
Die Bratkartoffeln und die Buletten, die Valentina für ihn zubereitet hatte, dufteten nach Paprika und Ingwer.
Valentina experimentierte gern mit Gewürzen, und bisher hatte ihm alles geschmeckt. So war es auch an diesem Tag.
Ich bekomme Besuch, dachte er, als er in den Garten hinausschaute und Ortrud durch den Schnee stapfen sah. Sobald sie ein bisschen tiefer einsank, zog sie ihre rechte Vorderpfote zurück, schnupperte an dem Schnee und leckte ihn danach vorsichtig ab. So als wollte sie überprüfen, ob sie gefahrlos weitergehen konnte. Als sie schließlich zielstrebig auf seine Terrasse zusteuerte, öffnete er ihr die Tür.
»Hallo, Ortrud, bitte, komm herein«, bat er die rotgetigerte Katze, die mit hochgestelltem Schwanz auch gleich an ihm vorbeihuschte, auf die Fensterbank sprang und sich dort genüsslich ausstreckte.
Es war ihr Lieblingsplatz in Dannys Haus. Oft wartete sie schon am Morgen im Garten, bis Valentina kam und ging mit ihr ins Haus, um sich dort einzurichten. Ortrud und er waren schon lange beste Freunde, und wie immer bekam sie auch jetzt ihre Streicheleinheiten. Mit Ortrud fühlte er sich nicht so allein.
So sehr er sich auch einredete, dass es ganz angenehm sein konnte, allein zu leben, es funktionierte nicht. Er war einfach nicht für das Alleinsein gemacht. Andererseits war er aber auch nicht bereit, sich schon wieder auf eine enge Bindung einzulassen. Er hatte das Vertrauen verloren, sich ganz auf einen anderen Menschen einzulassen. Ohne dieses Vertrauen war jede Beziehung von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Nach dem Mittagessen legte er sich noch ein paar Minuten auf das Sofa im Wohnzimmer und stellte den Wecker seines Handys, falls er einschlafen sollte, was auch kurz darauf geschah. Als er eine halbe Stunde später durch das Piepen des Telefons geweckt wurde, lag Ortrud auf der grünkarierten Wolldecke, mit der er sich zugedeckt hatte. Sie sah ihn mit ihren hellen blauen Augen an und schnurrte.
»Wir beide haben wohl bereits eine enge Beziehung«, stellte er lächelnd fest und kraulte Ortruds Kopf. »Komme!«, rief er, als es in diesem Moment an der Terrassentür klopfte. Als er sich aufrichtete, sprang Ortrud von der Decke herunter und marschierte vor ihm zur Terrassentür.
»Dachte ich es mir doch, dass sie schon wieder bei Ihnen ist«, sagte das Mädchen mit den langen roten Haaren, das in einem weißen Steppmantel mit Kapuze vor ihm stand, als er die Tür öffnete. Das Mädchen bückte sich, nahm Ortrud auf seine Arme und drückte sie liebevoll an sich. »Sie stört Sie doch nicht, Doc, oder?«, fragte Ophelia Mai.
»Nein, sie stört mich nicht, du weißt doch, dass ich mich über ihre Besuche freue«, versicherte ihr Danny.
»Aber sie kommt in letzter Zeit ziemlich oft zu Ihnen.«
»Das ist in Ordnung.«
»Sind Sie einsam, Doc?«, fragte das Mädchen und sah ihn mit seinen hellen blauen Augen direkt an.
»Wie kommst du darauf?«
»Eine Gegenfrage ist keine Antwort, Doc«, entgegnete Ophelia lächelnd. »Schon gut, ich gehe dann mal wieder. Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen«, entschuldigte sie sich.
»Das weiß ich, und ja, du hast recht, manchmal fühle ich mich einsam«, gab er zu. Es fiel ihm schwer, Ophelia etwas vorzumachen. Er schätzte ihre offene Art, auch unangenehme Dinge einfach auszusprechen, ohne dabei verletzend zu sein.
Er hoffte, dass sie sich diese Ehrlichkeit noch lange bewahren konnte.
»Ach ja, das hätte ich beinahe vergessen«, sagte Ophelia, als sie schon losgehen wollte. »Mama wollte wissen, wann Sie wieder zum Tennis gehen. Sie würde gern mal mitkommen.«
»Ich hatte vor, heute Abend nach der Sprechstunde in den Tennisclub zu fahren. Falls sie Zeit hat, nehme ich sie gern mit.«
»Wann genau?«
»Ich denke, so gegen halb sieben.«
»Okay, ich sage ihr Bescheid. Schicken Sie einfach eine Nachricht, wenn Sie losfahren wollen.«
»Das mache ich.«
»Alles klar. Ich wünsche Ihnen eine stressfreie Sprechstunde«, sagte Ophelia. Sie lief mit Ortrud auf dem Arm durch den Garten und nutzte die Lücke in Dannys Hecke, um auf das Grundstück der Mais zu gelangen.
*
Die Patienten, die am Nachmittag kamen, hatten fast alle einen Termin zur Vorsorgeuntersuchung. Für jeden hatte Danny ungefähr eine Viertelstunde eingeplant. Bevor er mit der Sprechstunde begann, sah er sich die Patientendaten an, die Lydia an seinen Computer weitergeleitet hatte. Er wunderte sich, dass für den Termin um halb vier nur ein leeres Blatt ohne Namen vorhanden war. »Was ist mit dem Termin um halb vier? Wurde er abgesagt?«, wollte er von Lydia wissen, die in diesem Moment zu ihm hereinkam und ihm eine Tasse Kaffee brachte.
»Nein, der Patient kommt.«
»Und warum steht kein Name auf dem Krankenblatt?«
»Weil Sophia nicht wissen soll, wer der Patient ist.«
»Aha, und warum nicht?«, wunderte sich Danny.
»Pst«, sagte Lydia