Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Classic 39 – Familienroman


Скачать книгу

doch wissen, wie Kinder sind. Sie sind verschüchtert. Möchtest du etwas, Mädi?«, fragte sie mütterlich. »Hast du Durst oder Hunger?«

      »Durst«, erwiderte die Kleine. »Möchte Milch.«

      Die Tränen waren versiegt. Sie blickte sich jetzt neugierig um. Manja betrachtete das Kind mit einem seltsamen Ausdruck.

      »Ich ziehe mich rasch an, und dann frühstücken wir«, erklärte sie. »Willst du?«

      Das Kind nickte und hielt ihr zutraulich die Hand hin. Carla Richter wurde davon ganz eigenartig berührt.

      Manja musste etwas ganz Besonderes haben, dass die Kinder so schnell Kontakt zu ihr bekamen.

      *

      »Hattest du Ärger, Gabi?«, fragte Ted Ludolf indessen die junge Kollegin.

      »Nicht eigentlich«, erwiderte sie ausweichend. »Du meinst also, Manja geht es gut.«

      »Du tust so, als wärst du mit ihr verheiratet«, sagte er neckend.

      »Wir mögen uns.«

      »Mir wäre es lieber, wenn du mich auch mögen würdest.«

      Ted griff nach ihrer Hand, aber sie entzog ihm diese schnell.

      »Du solltest meine Prinzipien kennen, Ted«, erklärte sie mahnend.

      »Deine Prinzipien.« Er lachte leicht auf. »So oft haben wir nun auch nicht beruflich miteinander zu tun, dass du daran festhalten müsstest, Gabi. Ich frage dich jetzt allen Ernstes, willst du meine Frau werden.«

      Gabi zuckte zusammen. Der gleiche angstvolle Ausdruck war in ihren Augen wie vorhin in der Kirche.

      »Ich mag dich sehr, Ted«, erwiderte sie mit belegter Stimme, »aber sprich bitte nicht von Heirat.«

      »Dann sag mir doch wenigstens, was dich bedrückt. Wenn du schon nicht anders willst, möchte ich dein Freund sein.

      »Du meinst es gut. Ich will dir auch nicht weh tun. Lass mir ein bisschen Zeit, Ted. Ich habe augenblicklich wirklich Sorgen. Meine Mutter ist gestorben. Schon vor zwei Wochen. Ich habe es erst am Freitag erfahren.«

      »Es tut mir leid«, murmelte Ted. Das waren Worte, und er hatte das Gefühl, dass sie an ihrem Ohr vorbeigingen.

      »Wir standen uns nicht sehr nahe«, sagte Gabi. »Es war meine Stiefmutter, aber es hat mein Leben doch irgendwie verändert.«

      Er hatte das Gefühl, dass sie das gar nicht hatte sagen wollen. Nun schwieg sie auch und starrte vor sich hin. Dann sprang sie plötzlich auf.

      »Ich muss jetzt zu Manja!«, stieß sie hervor.

      »Darf ich dich begleiten?«, fragte er.

      »Nein. Bitte nicht«, entgegnete sie. »Vielleicht brauche ich wirklich einen Freund, Ted, aber ich möchte bezweifeln, dass du es dann noch sein willst.«

      Mit dieser rätselhaften Bemerkung ging sie.

      Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Gar zu gern wäre er ihr nachgelaufen und hätte ihr gesagt, dass sie solche Gedanken nicht zu hegen brauche. Doch sie war schon in ihren Wagen gestiegen und fuhr davon.

      Er blieb nur ein paar Minuten allein, dann setzte sich Bob zu ihm.

      »War das nicht Gabi?«, fragte er.

      »Ja, sie war es.«

      »Wollte sie nicht länger fortbleiben?«

      »Es hat sie zu Manja gezogen«, erwiderte Ted geistesabwesend.

      »Eine komische Freundschaft«, murmelte Bob.

      »Wieso komisch?«

      »Sie sind doch völlig verschieden.«

      »Gegensätze ziehen sich an«, sagte Ted.

      »Bist du verliebt in Gabi?«, fragte Bob.

      Ted spielte mit dem Löffel.

      »Ich liebe sie, aber es scheint aussichtslos zu sein.«

      »Reichen wir uns die Hand«, meinte Bob mit einem gequälten Lächeln.

      Verwundert sah Ted ihn an.

      »Liebst du sie etwa auch?«, fragte er heiser.

      »Nicht Gabi«, antwortete Bob ablenkend. »Und nun frag nicht mehr.«

      *

      »Schmeckt es, Mädi?«, fragte Manja. »Gut.« Mädi schleckte sich den Mund. »Bin schon ganz satt.«

      Da trat Gabi ein. Wie erstarrt blieb sie in der Tür stehen, als sie Manja und das Kind im Tisch sitzen sah.

      »Was schaust du so?«, fragte Manja vergnügt. »Komm doch her. Habe ich nicht eine bezaubernde kleine Freundin?«

      »Tata da«, sagte Mädi.

      »Wieso Tata? Das ist Gabi, meine Freundin«, erklärte Manja. »Und das ist Mädi«, fuhr sie fort. »Du wirst es nicht glauben, Gabi, aber wir haben tatsächlich ein Findelkind.«

      Gabi sagte nichts. Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und sah Manja nur flüchtig an.

      »Wieso bist du schon zurück?«, fragte Manja.

      »Ich dachte, du wärst allein«, erwiderte Gabi. »Ich konnte alles schneller erledigen, als ich dachte. Was ist mit dem Kind?«

      »Es saß in der Halle auf einem Stuhl, einsam und verlassen. Ich frage mich, ob das ein besonderer Clou von Bob ist. Ihm traue ich alles zu.«

      »Inwiefern ein Clou?«, fragte Gabi verwirrt.

      »Wir brauchen doch ein Kind, und vom Himmel gefallen kann Mädi nicht sein. Sie scheint niemandem zu gehören, aber sie ist da, aus Fleisch und Blut, und sehr hungrig. Irgendjemand muss sie schließlich hergebracht haben.«

      »Wie heißt sie denn?«

      »Mädi, etwas anderes sagt sie nicht.«

      »Sag’ ich nicht«, warf das Kind schelmisch ein. Sie blinzelte zu Gabi hinüber. »Mag Manja, mag dich auch.«

      »Und niemand hat gesehen, mit wem das Kind gekommen ist?«, fragte Gabi schleppend.

      »Niemand«, entgegnete Manja.

      »Und du meinst, dass Bob sich das ausgedacht hat?«

      »Ihm würde ich es jedenfalls zutrauen. Du siehst sehr angegriffen aus, Gabi.«

      »Ich bin kaum zum Schlafen gekommen.«

      »Dann leg dich jetzt hin. Ich gehe mit Mädi spazieren. Du hast dir doch nicht etwa meinetwegen Sorgen gemacht?«

      »Doch, aber mit dir erlebt man immer neue Überraschungen«, erwiderte Gabi geistesabwesend.

      *

      Im Sonnenwinkel und in Erlenried wurde es ein unruhiger Tag. Überall wurde nachgeforscht, wer das Kind hergebracht haben könnte. Aber keiner wusste es, und Bob Calgero beteuerte seine Unschuld an diesem Ereignis überzeugend.

      Es kam zu einer recht temperamentvollen Aussprache zwischen ihm und Manja, als Mädi zu Bett gebracht worden war. Bob steckte nichts ein.

      »Du wirfst mir Dinge vor, die du gar nicht verantworten kannst, Manja!«, begehrte er auf. »Ich bin doch kein Kidnapper! Ich habe ja schon manches von dir eingesteckt, aber das ist zu viel! Ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit die Angehörigen des Kindes gefunden werden. Solche Gags liebe ich durchaus nicht.«

      Und da gesellte sich Gabi zu ihnen.

      »Worüber streitet ihr denn?«, fragte sie tonlos. »Immer noch wegen des Kindes? Sei doch vernünftig, Manja. Du müsstest Bob doch eigentlich kennen. Reklametricks sind ihm doch verhasst. Dazu nimmt er seine Arbeit viel zu ernst.«

      Manjas Miene zeigte Betroffenheit.

      »Du verteidigst ihn ja leidenschaftlich, Gabi«, sagte sie unbeherrscht.