Laura Martens

Sophienlust Extra 8 – Familienroman


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wie die drei dort vorn, keine Eltern mehr hast. Denkst du übrigens auch mal über deinen Vater nach? Mensch, ich kann mir vorstellen, dass er ganz schön leidet, weil du ihn nicht mehr liebhast!«

      »Da bist du auf dem Holzweg!«, platzte Mirja heraus. »Es ist genau umgekehrt. Die andere Frau hat mir meinen Vati gestohlen. Ich hasse sie! Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich sie hasse!«

      Plötzlich war das ganze zierliche Persönchen in Bewegung geraten. Was sich in ihr angestaut hatte, drängte nun aus ihr heraus.

      »Bei dir ist es sicher anders gewesen«, sprudelte Mirja erregt hervor. »Deine Mutter ist ja ganz anders als die jetzige Frau meines Vaters. Deine Mutter muss man liebhaben, und deine Stiefgeschwister sind sicher sehr, sehr glücklich, dass deine Mutter nach Schoeneich gekommen ist, um auch ihre Mutter zu sein. Aber bei mir? Hach, ich werde sie nie mögen, die Neue, die sich nur ins warme Nest setzen wollte. Gutssekretärin ist sie gewesen. Aber jetzt tut sie so, als würde sie auf Hoheneichen mehr als alle anderen verstehen. Es ist direkt lächerlich, wie mein Vater auf sie hört und sich mit ihr bespricht, Tante Erika sagt auch, es sei eine Schande, dass Vati meine Mutter vergessen hat.«

      Mirjas Lippen zitterten. Dann rollten zwei Tränen über ihre rosigen Wangen, die sie hastig abwischte.

      Dominik legte dem Mädchen mitfühlend den Arm um die Schulter. »Wer ist denn Tante Erika?«, erkundigte er sich und sah Mirja ruhig an.

      »Das ist die Schwester meiner Mutter«, antwortete das Mädchen. »Sie wohnt in Lindau und besucht uns manchmal. Jetzt kommt sie aber kaum noch. Sie kann die Neue auch nicht leiden. Sie hat zu mir gesagt, dass noch nicht aller Tage Abend sei und dass es möglich sein würde, die fremde Frau hinauszuekeln. Ich dürfe nur nicht aufgeben.«

      Dominik nickte gewichtig: »Ach, so ist das!«

      »Ja«, stieß Mirja heftig hervor, »ich werde sie hinausekeln! Sie hat bei uns nichts zu suchen. Ich gönne ihr nicht, dass sie dort lebt, wo meine Mutter zu Hause war! Sie hat die Möbel umgestellt und Änderungen eingeführt, damit mein Vati möglichst wenig an seine frühere Frau erinnert wird. Mich aber kommandiert sie herum. Neulich, als ein Gewitter aufzog, hat sie mich sogar aufs Feld hinausgeschickt. Eine unserer Maschinen war kaputtgegangen, und ich musste hinter dem Wagen das Heu nachrechen. Sie triumphierte förmlich, dass das Heu noch vor dem Regen in die Scheune kam.« Mirjas Gesicht verzerrte sich, als sie fortfuhr: »Sie hat alles getan, um mich fortzuekeln. Mein Vati ist von ihr verhext. Sie ist nur darauf aus, ihn ganz allein für sich zu haben. Oh, ich könnte sie in der Luft zerreißen, diese raffinierte, gemeine Person, diese Mitgiftjägerin …«

      »Na, na!«, brummte Nick und rüttelte mit seinem Arm leicht Mirjas Schulter. »Nun überschlage dich nicht noch in deinem Hass. Das Wort Mitgiftjägerin hast du sicher von deiner Tante Erika gehört. Sie scheint dich ganz schön aufzuwiegeln. Du aber hörst auf sie, ohne selbst nachzudenken.«

      »Was gibt es denn da nachzudenken?«, fragte Mirja verwundert. »Ist es nicht genug, dass sie sich an die Stelle meiner Mutter gedrängt hat? Wir hätten sie überhaupt nicht gebraucht. Vati und ich haben uns prima verstanden. Sie hat uns auseinandergerissen, und jetzt hat sie es auch noch fertiggebracht, dass Vati mich nach Sophienlust abgeschoben hat.«

      »Du siehst das alles nicht ganz richtig.« Dominik nahm seinen Arm von Mirjas Schulter weg, denn er merkte genau, dass Pünktchen herüberstarrte. Sicher denkt sie jetzt, überlegte er, dass ich mit Mirja flirte. So was Dummes!

      Mirja sagte kalt: »Ich sehe alles richtig. Viel lieber wäre ich zu Hause, auch wenn es mir hier gut gefällt. Aber mit dieser Stiefmutter will ich nicht unter einem Dach leben. Deshalb bin ich doch lieber hier. Hoheneichen und mein Vater sind für mich gestorben!« Mit einem kläglichen Laut presste sie beide Hände vors Gesicht und schluchzte gequält auf.

      Dominik legte nun doch wieder den Arm um Mirja und zog sie ein wenig an sich. »Denke doch nicht nur an dich, Mirja!«, sagte er herzlich zu ihr. »Du musst dich auch mal in die Lage deines Vaters versetzen. Er ist doch noch jung. Warum soll er sich nicht noch mal eine Frau nehmen? Auf einen Gutshof gehört doch auch eine Frau. Verstehst du das nicht?«

      »Nein!«, schluchzte Mirja.

      Dominik erwiderte fest: »So klein bist du doch nicht mehr, dass du nicht einsehen könntest, dass ein Mann in einem gewissen Alter auch eine Frau braucht. Deshalb ist er deiner verstorbenen Mutter nicht untreu oder sowas. Lass ihn doch wieder glücklich sein, Mirja! Höre nicht mehr auf deine Tante Erika. Sie ist wahrscheinlich nur neidisch. Ist sie verheiratet?«

      »Nein, sie ist eine alte Jungfer.« Mirja nahm die Hände vom Gesicht und sah Dominik leicht belustigt an. »Das hat Vati gesagt. Aber die Neue hat ihm widersprochen. Stell’ dir das vor! Sie hat gesagt, dass Tante Erika mit ihren fünfundvierzig Jahren keine alte Jungfer sei. Heute bleibe man als Frau zeitlos jung, wenn man die richtige Einstellung zum Leben habe. Tante Erika habe sie leider nicht, doch man dürfe es ihr nicht übelnehmen, wenn sie manchmal durchdrehe.«

      »Da hat deine Stiefmutter aber sehr nett gesprochen!«

      »Nett …? Sie ist schlau, Dominik. Sie arbeitet mit allen Mitteln, um sich im Haus und bei meinem Vater immer mehr einzunisten. Zu mir war sie auch immer sehr nett. Sie hat meine Ablehnung ihr gegenüber völlig ignoriert. Schließlich habe ich mich sogar geweigert, mit ihr an einem Tisch zu sitzen. Da hat sich Vati dann nach einem Heim für mich umgesehen.«

      »Ich halte das nicht mehr aus!«, sagte Pünktchen in diesem Augenblick zu Angelika und Vicky. »Die sitzen wie ein Liebespaar nebeneinander. Ich finde Nicks Verhalten mir gegenüber unerhört!«

      Vicky lachte amüsiert auf. »Du bist nur eifersüchtig, Pünktchen!«

      Angelika versuchte zu vermitteln, aber Pünktchen sprang von ihrem Platz auf und meinte weinerlich: »Macht, was ihr wollt. Ich gehe. Dominik hat gesagt, dass er gleich wiederkäme. Jetzt findet er kein Ende und hat auch noch den Arm um sie gelegt.«

      »Mirja bleibt ja nicht ewig hier!«, erwiderte Vicky gutmütig.

      »Klar!«, bestätigte auch Angelika. »Es war doch schon öfters so, Pünktchen, dass du auf ein anderes Mädchen eifersüchtig warst. Ich könnte eine ganze Reihe aufzählen. Und wo sind sie jetzt? Sie schreiben uns nur noch oder kommen hin und wieder mal zu Besuch mit ihren Eltern. Du brauchst nur abzuwarten. Außerdem könnten Angelika und ich genauso eifersüchtig sein, denn Dominik ist zu uns nicht weniger nett als zu dir. Natürlich nimmst du trotzdem bei ihm eine Sonderstellung ein. Daran wird auch Mirja nichts ändern können.«

      *

      Mit einem bedauernden Schulterzucken legte Richard Walberg den Hörer auf die Gabel zurück.

      »Mirja hat sich geweigert, ans Telefon zu kommen«, sagte er traurig. »Es war Frau Rennert am Apparat. Sie meint, man müsse Mirja Zeit lassen. In den letzten Tagen habe sie sich an Dominik angeschlossen. Das ist der fünfzehnjährige Sohn von Frau von Schoenecker. Auch mit anderen Kindern habe sie nun endlich gesprochen. Am liebsten reitet sie aus. Leider verhält sie sich in der Schule völlig passiv.«

      Jutta sah recht unglücklich aus. Sie kam sich vor wie ein Eindringling. Die unvorhergesehenen Probleme Mirjas wegen zerrten an ihren Nerven. Sie hätte so gern geholfen, wusste aber nicht, wie. Auch Richard war traurig. Er fühlte sich zwischen ihr und Mirja hin und her gerissen.

      »Es tut mir so leid!«, sagte Jutta deprimiert. »Vielleicht hätten wir mit unserer Hochzeit noch warten sollen. Ich bin ganz verzweifelt bei dem Gedanken, dass Mirja in dem Heim unglücklich ist und sich nach Hause sehnt. Vor allen Dingen sehnt sie sich nach dir. Du solltest zu ihr fahren, Richard. Mirja meint sonst, ich halte dich von einem Besuch bei ihr ab.«

      Richard Walberg zog seine Frau liebevoll an sich. »Wir dürfen nicht die Nerven verlieren, Liebling! Wir werden Mirja nächstes Wochenende gemeinsam besuchen …«

      »Nein, das nicht!«, wehrte Jutta ängstlich ab. »Das wäre pädagogisch gesehen vielleicht nicht richtig. Mirja soll das Gefühl haben, dass du auch ohne mich etwas unternehmen kannst. Wenn ich mitkäme, könnte sie annehmen, ich wollte verhindern, dass du allein mit ihr sprichst!«

      »Du