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Es war später Vormittag. Toni Baumberger kam die Treppe herab. Er hatte bei seinen Eltern übernachtet. Sein Vater Xaver und seine Mutter waren in der Küche hinter dem Wirtsraum der Wirtschaft und der kleinen Pension, die sie betrieben.
»Na, bist endlich raus aus den Federn?« grinste Xaver seinen Sohn an.
»Mmm! Net so laut, Vater! Mei, brummt mir der Schädel. Mutter, hast einen Kaffee und eine Kopfwehpille?«
Toni sah sehr zerknautscht aus.
»Beides, Bub! Willst vielleicht etwas Salziges essen?«
»Essen? Naa! Ich bekomm nix runter. Daß mich des so mitgenommen hat, des wundert mich doch. So viel hab’ ich doch net getrunken. Mei! Himmelherrgott! Was ich für einen Brummschädel hab’!«
»Laß den Herrgott aus dem Spiel, Bub! Dich hat höchstens der Teufel geritten!«
Meta Baumberger stellte ihrem Sohn ein Glas Wasser hin und reichte ihm zwei Kopfschmerztabletten.
Toni trank seinen Kaffee. Seine Mutter erzählte ihm, daß sie schon zweimal mit Anna telefoniert hatte.
»Mei, die wird sehnsüchtig auf mich warten. Es ist viel zu tun auf der Berghütte. Ich wollte eigentlich schon früh aufbrechen, daß ich bis zum Frühstück oben bin. Aber ich bin einfach net zu mir gekommen. Dabei hab’ ich net gar so viel getrunken. Es kann höchstens an dem Selbstgebrannten gelegen haben, den einer der Burschen mitgebracht hatte. Mei, mir brummt wirklich der Schädel.«
»Jetzt hör’ endlich auf zu jammern, Bub! So ein Kater ist dann halt die gerechte Straf’. Mir is des früher ab und an auch so ergangen. Die Anna, die hat bestimmt genauso Verständnis dafür, wie es deine Mutter einst für mich hatte. Wenn man die jungen ledigen Burschen anleiten muß, dann kann man sich net drücken.«
Es war Brauch in Waldkogel, daß die jungen ledigen Burschen jedes Jahr einen Baum fällten und schmückten. Der wurde dann für das Sommerfest auf der Festwiese aufgestellt. Das Ganze mußte beaufsichtigt werden, dazu wurde ein Waldkogeler auserwählt, der erst jung verheiratet war. In diesem Jahr war es Toni gewesen.
»Ich hab’ mich ja auch net gedrückt, obwohl meine liebe Anna für zwei hat arbeiten müssen. Aber ich komme am Wochenende net runter zum Fest.«
»Des ist aber schad’. Ich dachte, es wäre schön, wenn du mit der Anna mal wieder tanzen würdest. Schau, die Anna ist so fleißig. Ein bisserl verwöhnen mußt du sie schon. Willst wirklich net mit ihr am Samstagabend aufs Sommerfest gehen? Die Kinder können hier schlafen. Die Abwechselung würde der Anna bestimmt guttun!«
»Wer soll dann oben auf der Berghütte sein? Dem Alois, dem kann ich das net zumuten. Des wird zuviel für ihn, gerade am Wochenende. Sagen tut der Alois ja nix. Aber er hat seinen Ruhestand mehr als verdient, Mutter.«
»Dein Vater könnt dem Alois helfen. Bei uns hier im Wirtshaus wird es ruhig sein. Alle werden auf dem Sommerfest sein. Da packe ich des gut allein!«
Toni lächelte seine Mutter dankbar an.
»Des ist wirklich lieb von dir, Mutter! Aber die Anna, die will net. Wir haben schon drüber geredet.«
»Mei, dabei tut des Madl doch so gerne tanzen!«
»Wir machen demnächst mal wieder ein schönes Hüttenfest mit Tanz. Das haben wir so besprochen«, erklärte Toni seiner Mutter.
Seine Kopfschmerzen ließen nach, jetzt hatte er doch wieder Appetit. Nach einer Brotzeit mit vielen salzigen und würzig scharfen Senfgurken fühlte er sich besser. Er verabschiedete sich von seinen Eltern und brach auf. Er hatte das Verdeck seines Geländewagens offen. Während er langsam den Milchpfad hinauf zur Oberländer Alm fuhr, genoß er den kühlen Bergwind, der von Westen herkam. Der Himmel war blau. Im Westen hingen einige Wolken. Vielleicht wird es bald etwas regnen, dachte Toni. Das wäre gut. Es war schon seit längerem zu trocken. Das Gras auf den Almen wurde schon an einigen Stellen braun.
Toni parkte sein Auto auf der Oberländer Alm. Während er das Verdeck schloß, plauderte er etwas mit dem alten Wenzel Oberländer, der zusammen mit seiner Frau die Alm betrieb. Dann schulterte Toni seinen Rucksack und machte sich an den Aufstieg zu seiner Berghütte.
*
Die Spätnachmittagssonne warf ihre Strahlen durch das Schaufenster direkt auf den Arbeitsplatz von Luise Winkler. Sie saß an der Drehscheibe und formte einen großen Klumpen Ton zu einer schönen Blumenvase. Ihre Freundin und Geschäftspartnerin Gesa saß an einem Tisch weiter hinten in dem kleinen Laden und machte die Buchführung.
»Mußt du dich nicht fertig machen, Luise? Ich dachte, du wolltest nicht so spät nach Waldkogel fahren.«
»Schon! Aber ich kann auch noch morgen fahren – morgen nach dem Markt.«
»So ein Unsinn, Luise! Wir hatten das doch besprochen! Fast könnte ich beleidigt sein, daß du mich den Markt nicht alleine machen lassen willst«, scherzte die Freundin. »So als hättest du kein Vertrauen in mich!«
»Ach was! Es ist nur viel Arbeit – für eine allein! Außerdem macht es nichts, wenn ich erst morgen fahre. Es ist ohnehin gut möglich, daß Rainer heute abend keine Zeit hat. Da ist was mit einer Kuh. Er hat es mir auch erklärt. Aber von Viehzucht verstehe ich nichts.«
»Du wirst es lernen müssen, liebe Luise.«
»Ja, das weiß ich! Ich werde da noch reinwachsen. Außerdem bin ich eher ein praktisch begabter Mensch. Wenn ich auf dem Kallmeier Hof bin, lerne ich das bestimmt schnell.«
Luise seufzte und ließ augenscheinlich die Gedanken wandern.
»Doch, das kann noch dauern«, sagte sie mit träumerischen Augen.
Jetzt wäre sie doch gerne sofort losgefahren. Jede Stunde ohne Rainer kam ihr wie eine verlorene Stunde vor.
»Du bist total verliebt in Rainer, wie?«
Luise war mit ihrer Blumenvase fertig. Sie schnitt den feuchten Ton mit einem Draht von der Drehscheibe ab und hob die Vase vorsichtig herunter.
»Ach ja, Gesa! Ich habe Schmetterlinge im Bauch. Ja, ich bin total verliebt in Rainer. Dabei kennen wir uns noch nicht lange. Es sind erst drei Wochen und sechs Tage und acht Stunden. Es war die schönste Zeit in meinem Leben. Seine Augen, sein dunkellockiges Haar, seine lustigen Grübchen in den Wangen, wenn er lächelt! Ach, ich wußte es schon beim ersten Blick. Er ist es! Er oder keiner! Lieber bleibe ich alleine!«
»Nun, so wie es aussieht, wird es dir erspart bleiben, als alte Jungfer zu enden. Das ging ja sehr schnell mit euch beiden. Aber es sei dir vergönnt. Wirklich, Luise! Ich wünsche dir von ganzem Herzen, daß du mit Rainer glücklich wirst.«
»Danke, Gesa! Das werde ich sicherlich. Es stimmt alles zwischen uns. Es bedarf keiner großen Worte. Ich lese alles in seinen schönen braunen Augen. Es war eben Liebe auf den ersten Blick, so wie es die Romantiker beschreiben.«
»Ja, das weiß ich! Seitdem bist du auch in dieser Richtung sehr kreativ. Du töpferst Tassen, Vasen, Schalen, Kerzenhalter mit Herzen, Herzen und noch mehr Herzen – Teller in Herzform, Schüsseln in Herzform.«
Die beiden Freundinnen lachten einvernehmlich.
»Und die Kunden kaufen sie! Es scheint anzukommen«, bemerkte Gesa sehr zufrieden. »Wenn ich mir unseren Umsatz anschaue, dann ist Rainer nicht nur für dich gut, sondern auch für unseren Laden.«
»Er ist eben rundherum ein richtiger Glücksgriff!« strahlte Luise.
»Ja, das ist er! Habt ihr schon über die Zukunft gesprochen?« fragte Gesa unvermittelt.
Die beiden Freundinnen hatten sich nach dem Kunststudium zusammengetan. Luise arbeitete als Töpferin und Gesa war Malerin. Es war eine gute Verbindung. Luise, die schon im letzten Semester ihres Studiums den kleinen Laden in der Altstadt in Kirchwalden eröffnet hatte, mochte die trockene Buchhaltung nicht so. Das erledigte jetzt Gesa. Dafür hatte sie eine dauerhafte Möglichkeit, ihre Bilder auszustellen. Sie bemalte auch die Gefäße, die Luise töpferte, und kleine Kacheln mit besonders schönen Motiven. Es gab auch andere, die sie zu größeren Kachelbildern