Karin Bucha

Karin Bucha Classic 42 – Liebesroman


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bist nicht ehrlich zu mir. Ich fühle das. Was verbirgst du eigentlich vor mir?«

      Sie hält die Augen geschlossen. Die dichten Wimpern werfen einen langen Schatten auf die Haut. »Nichts! Was soll ich vor dir verbergen?«

      Ärgerlich erhebt er sich, schwingt sich auf die freie Lehne ihres Sessels und legt den Arm um sie.

      »Wollen wir nicht eine schöne Reise zusammen machen? Nach dem Rhein, nach Heidelberg an den Nekkar. Nach Hamburg? Wohin du willst. Meinetwegen auch ins Ausland.«

      Sie ist leise in seiner Umarmung zusammengezuckt. »Ich möchte hierbleiben. Ich fühle mich wohl hier. Später vielleicht«, vertröstet sie ihn.

      »Dann muß ich wohl gehen«, sagt er enttäuscht. Sie kommt auf ihn zu, legt ihre Hände um seinen Hals und lächelt ihn an.

      »Sei lieb, Frank. Ich bin wirklich fertig für heute. War ein toller Betrieb. Erst noch das Geld nachzählen und die Abrechnung prüfen.« Sie reicht ihm den Mund zum Kuß. Es ist ein kalter, flüchtiger Kuß. Zögernd wendet er sich zum Gehen.

      »Hast du mir die Zeitung besorgt?« fragt sie noch.

      »Sie liegt auf deinem Nachttisch«, erwidert er, setzt seinen Hut auf und verläßt den Raum.

      Wie befreit atmet sie auf, als seine Schritte verklingen. Sie schließt ab und beginnt sich zu entkleiden. Im Badezimmer macht sie sich für die Nacht zurecht und kehrt in einem Hausanzug zurück

      Von dem Nachttisch holt sie sich die Zeitung, wirft sich auf die breite Couch und schaltet die Wandbeleuchtung ein. Eifrig studiert sie das Blatt. Das, was sie sucht, findet sie nicht.

      Grübelnd starrt sie vor sich hin. Frank beginnt unbequem mit seinen Fragen zu werden. Er versucht, in ihre Vergangenheit einzudringen, und das will sie auf jeden Fall vermeiden. Warum er sie immer wieder, wenn auch unbewußt, daran erinnert?

      Kann er nicht zufrieden sein mit dem, was sie ihm gibt? Was sie ihm geben kann? Vielleicht ist sie überhaupt keines tiefen Gefühls fähig?

      Manchmal, wie eben jetzt, empfindet sie etwas wie Ekel vor sich selbst. Sie hat genommen, nur genommen, aber nichts gegeben.

      Sie hat Intrigen gesponnen, hat die Männer gegeneinander aufgebracht und eine wahre Freude daran gehabt. So wie manche das Spiel mit den Karten lieben, so hat sie das Spiel mit Menschenherzen geliebt. Und heute noch kann sie es nicht lassen, dieses prickelnde Gefühl zu empfinden, wenn die Männer sich gegenseitig belauern, daß sie keinen zu freundlich, keinen bevorzugt behandelt. Noch hat sie sich zurückhaltend benommen. Aber wie lange noch, und ihre wahre Natur bricht wieder hervor?

      Frank Bendler – sinnt sie weiter – und lächelt mitleidig dabei. Er ist ein Narr wie all die anderen. Er merkt kaum, daß sie ihn nur duldet, weil sie ihn augenblicklich nötig hat, weil sie im Hintergrund bleiben will und muß.

      Aber das weiß sie jetzt schon. Eines Tages wird sie ihn verlassen wie die anderen. Und sie wird keinen Schmerz dabei empfinden, höchstens Erleichterung, und ein anderer wird seine Stelle einnehmen.

      Ihre Züge sind unerbittlich, kalt, nichts Bezauberndes liegt mehr darin. Weiter arbeitet ihre Phantasie. Plötzlich verwandelt sich der kosige Raum in eine enge Zelle, kahle Kälte ausströmende Wände umschließen sie, und darin lebt ein Mann mit hellen Augen, in denen die Verzweiflung brennt.

      Plötzlich schlägt sie die Hände vor das Gesicht und stöhnt vor sich hin.

      Immer wieder martert sie dieses Bild. Es verfolgt sie unbarmherzig. Aber sie will es nicht sehen… sie will nicht!

      *

      »Ist Herr Meinhardt zu sprechen?« wendet Ulrich Karsten sich an die Dame im Vorzimmer des Bauunternehmers, mit dem er früher gut zusammengearbeitet hat.

      Die Frau sieht sich um, erkennt ihn und erschrickt. »Herr Karsten – Sie?«

      »Ja – ich«, sagt er bitter. »Ist Herr Meinhardt da?«

      »Ja, ich glaube – einen Augenblick, bitte«, stammelt sie und verschwindet. Sie kehrt bald zurück und nähert sich zögernd dem Mann, der immer noch auf demselben Fleck steht.

      »Herr Meinhardt hat eine Besprechung«, erklärt sie. »Es wird etwas dauern –«

      »Ich warte«, fällt er ihr rasch ins Wort und setzt sich auf einen der Stühle, die an der Wand aufgereiht sind.

      Das Mädchen hat hinter seinem Schreibtisch Platz genommen. Karsten sinnt vor sich hin und merkt nicht die Nervosität des Mädchens. Es schiebt Papiere auf der Schreibtischplatte hin und her, ohne etwas damit anfangen zu können. Als der Fernsprecher anschlägt, faßt sie nur zögernd danach. Zögernd legt sie den Hörer in die Gabel zurück.

      »Wollen Sie nicht noch eine Besorgung machen?« wendet sie sich an den ganz in sich versunkenen wartenden Mann. »Es wird doch noch länger dauern, als Herr Meinhardt glaubte.«

      »Eine Besorgung?« Karsten erwacht zur Wirklichkeit. Ich habe nichts zu besorgen, denkt er. »Lassen Sie nur, ich warte«, setzt er aus seinen Gedanken heraus hinzu.

      »Wie Sie wünschen!«

      Und Karsten wartet geduldig. Er hat soviel zu denken und zu überlegen.

      Marion Wendland, die Arbeit, die Vergangenheit, mit der er glaubt, gebrochen zu haben und die Wünsche an die Zukunft.

      »Herr Meinhardt ist abgerufen worden«, reißt ihn die Stimme des Mäd­chens aus der Wirrnis von Gedanken.

      Im Nu ist er hellwach. »Aber – ich sah ihn gar nicht durch das Zimmer gehen.«

      »Er hat sein Zimmer durch den zweiten Ausgang verlassen.«

      Schwerfällig erhebt er sich. »Ach so«, sagt er nur, und in den zwei Worten liegt so viel Bitternis, daß das Mädchen rasch zur Seite sieht.

      Er geht zur Tür. Auf einmal ist das Hoffnungsvolle von ihm gefallen. Seine Schultern neigen sich nach vorn wie unter einer schweren Last.

      »Wenn Sie vielleicht morgen wiederkommen könnten?« Die Stimme ist voll Mitleid, und das kann er am allerwenigsten vertragen.

      »Danke schön für Ihre Bemühung«, sagt er steif.

      Die Tür sinkt hinter ihm ins Schloß. Er steht im Sonnenlicht auf der Straße. Er blickt nicht zurück auf die Hausfront. Er würde sonst den Kopf Meinhardts hinter der Scheibe erspähen, der vorsichtig auf die Straße blickt.

      Als die hohe Männergestalt zwischen den Passanten verschwindet, geht er ins Vorzimmer.

      »Damit Sie Bescheid wissen: Ich bin für Herrn Karsten nicht zu sprechen«, befiehlt er, und das Mädchen nickt gehorsam. Als die Tür mit einem Knall hinter dem Chef zuschlägt, kräuseln sich ihre Lippen. Einmal war das anders. Da kam Meinhardt mit vorgestreckten Händen aus seinem Büro geschossen. »Großartig, Karsten, daß Sie da sind. Kommen Sie, trinken wir ein Gläschen zusammen. Das Material für den Neubau rollt bereits…«

      Und dann war Meinhardt für niemanden mehr zu sprechen. Karsten hat Meinhardt so viel Aufträge zugeführt. Und heute?

      Sie ist nur eine Angestellte, aber ihr ist elend zumute und sie könnte weinen. –

      Karsten geht weiter Er hat soviel Bekannte. Er will nicht an eine gewisse Dankbarkeit appellieren. Er will Arbeit haben. Viele von diesen Leuten sind ihm irgendwie verpflichtet. Taktvoll übergeht er es.

      Er läuft bis in den Nachmittag hinein. Allmählich kann er unterscheiden, ob einer wirklich da ist, oder ob man ihn nicht empfangen will.

      Nur Oswald Römer kommt ihm mit einer lärmenden Fröhlichkeit entgegen und nimmt ihn mit in sein Büro.

      Karsten hat sich müde gelaufen. Aufmerksam betrachtet er aus der Tiefe eines weichen Sessels sein Gegen­über.

      »Schön, Karsten, daß Sie wieder da sind«, unterbricht er die peinlich wirkende Stille. »Geht die Arbeit wieder los? Wollen Sie ein neues Büro eröffnen? Geld haben Sie doch genügend.«

      »Eigentlich