G.F. Barner

G.F. Barner Classic 6 – Western


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»Für dich gilt das Versprechen eines Spielers nichts, was? Copper, ich sagte dir, es geht um meinen Kopf, ich habe keine Wahl. Das muss dir genügen, Mister.«

      Er wendete sich ab, ging zu den Pferden und saß auf. Als er anritt, blickte er sich noch einmal um. Dann verschwand er hinter dem ersten Kakteensaum über den nächsten Hügel, und der Hufschlag verlor sich gleich darauf.

      »Verdammter Hundesohn!«, stieß Jim durch die Zähne. »Irgendwer muss dir auf den Fersen sein. Wahrscheinlich hast du ihn im Sandsturm genauso abgehängt wie ich El Toro, den elenden Bravadochief. Ich hoffe, der Bursche holt dich nicht ein, ehe ich dich habe. Hölle und Pest, wie soll ich an das Messer kommen?«

      Er sah zu der Kaktee, schaukelte auf dem Bauch, bis er auf die Seite kippte und versuchte dann seinen Körper mit den Händen seitlich herumzuschieben. Es gelang nur zollweise, er kam kaum voran. Für die zwölf Schritt bis zur Kaktee und dem Messer würde er einige Stunden brauchen.

      »Kartenhai, das bezahlst du!«, sagte Jim nach zehn Minuten. Er hatte kaum einen halben Schritt geschafft und schwitzte heftig von der Anstrengung. »Hol’s der Satan, ich werde mit den Fetzen der Unterhose, die sich der Schurke um die Füße gewickelt hatte, marschieren müssen. Großer Geist, Geld und Pferde weg, und Unterhosenfetzen an den Füßen. Wenn mich Buster Tom so sieht, lacht er zuerst, aber dann bricht die Hölle los. Spieler, so wahr ich Jim Copper heiße, ich werde dich erwischen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue!«

      Jim kochte vor Grimm. In Gedanken verfolgte er den Spieler bereits. Dabei war er noch nicht mal frei, geschweige denn im Besitz eines Pferdes. Dass es noch schlimmer kommen sollte, ahnte Jim in dieser Minute nicht.

      *

      Jim spürte, wie der Sand nachgab. Sein rechtes Knie war beim Herumwuchten zu weit nach außen gerutscht. Jim hatte sich nur durch das Zusammenziehen aller Muskeln aus der Seitenlage auf die Knie werfen können, doch es war ihm nicht gelungen, den herumstürzenden Körper rechtzeitig abzufangen, da er sich nicht mit den Händen aufstützen konnte.

      Mit einem heiseren Schrei fiel Jim auf die rechte Seite. Er streifte im Fallen einige der handlangen Kakteenstacheln. Sie drangen durch seine Jacke und das Hemd in seine Schulterkugel ein, und er brach sie beim Aufschlagen ab. Der brennende Schmerz ließ ihn fluchen. Einige Minuten lag er schnaufend still. Dann schob er sich erneut herum. Er hatte es dreimal versucht und wusste nun, dass er nicht zu wenig und auch nicht zu viel Schwung haben durfte, wenn er genau auf den Knien liegen bleiben sollte.

      »Dieser Menschenfresser, wenn ich den erwische, mache ich ihn um ein Pfund Blei schwerer«, fluchte Jim, indem er sich auf die Seite wälzte und leicht schräg zum Hang und den Kakteen liegen blieb. »In drei Stunden wird es hell, der Hund kann schon zwanzig Meilen geritten sein, was? Die Pest, nicht zu viel Schwung und die Knie nicht zu weit auseinandernehmen, was?«

      Der Mond stand am westlichen Hang zwischen den Kakteen und kargen Dornbüschen. Er beschien das längst erloschene Feuer, die Spuren im Sand und Jim, der sich zusammenkrümmte. In der nächsten Sekunde warf sich Jim herum. Sein Körper – zusammengehalten durch die Fesselung – schnellte von der rechten Seite in die Höhe, und es gelang. Der vierte Versuch glückte. Jim kam auf die Knie zu liegen. Einen Moment schwankte sein Oberkörper hin und her, dann kauerte Jim sicher auf den Knien. Er konnte sie nur wenig bewegen, schob sich aber herum und rutschte nun rückwärts den schrägen Hang hinauf. Er hatte vorher einige Male versucht, den Hang emporzukriechen, doch er war jedes Mal zurückgeglitten, da der Sand wie eine Rutschbahn wirkte.

      Erst in dieser Höhe war die Steigung geringer. Jim glitt zollweise an die Kaktee heran. Das Messer steckte etwa einen halben Schritt über dem Boden im Stamm fest. Jim konnte das Messer erfassen, zog es heraus und ließ sich dann zur Seite fallen.

      Nachdem er lag, drehte er die Klinge um, sodass das Heft zwischen seine Füße geriet. So gut er konnte, klemmte er das Heft fest. Er stemmte dabei die Zehen gegen den Sand, und dann führte er den Strick, der ihm die Hände band, über die Schneide. Jim lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Er verfluchte den Spieler und dessen verdammte Geschicklichkeit. Schließlich erlahmten Jims Oberarmmuskeln. Das Zittern überfiel seine Arme, und er musste den Versuch, schon beim ersten Schneiden die Fesseln zu durchtrennen, erschöpft aufgeben. Als er danach die Schnittstelle ertastete, merkte er, dass er gar nicht die Handfessel, sondern den Strick, der Hände und Füße miteinander verband, angeschnitten hatte.

      »Dieser Höllenhund, der Satan soll ihn fressen!«, sagte Jim enttäuscht. »Schlingt der Bursche den Strick um die Handfesseln. Weiter, weiter, sonst komme ich nicht mehr weit. Ich muss versuchen, vor Sonnenaufgang einige Meilen zu laufen. Wenn der Sand erst heiß wird, kommt man doch nur langsam voran. Dieser Dreckskerl.«

      Er schob die Arme über die Schneide, begann zu säbeln und zuckte im nächsten Augenblick zusammen.

      Sein lautes Schnaufen und sein Gefluche hatte ihn einige Dinge überhören lassen. Rechts von Jim schnaubte ein Pferd, und als er den Kopf herumwarf, sagte der Mann links von ihm mit näselnder, spöttischer Stimme: »Wen haben wir denn da, he? Luke, unser Freund Conrads war schon hier, fürchte ich, und er ist längst wieder weg.«

      Jim erstarrte. Er ließ das Messer los, spürte, dass der Strick etwas nachgab und wendete den Kopf zur linken Seite. Im selben Moment sah er den Mann. Und dann wusste er, warum der Spieler Conrads geflohen war. Links von Jim tauchte Jake Ballard zwischen den Kakteen auf. Ballard war Skalpjäger gewesen, ehe er eine Stagecoach ausgeraubt und dabei einen Mann niedergeschossen hatte.

      Das Mondlicht ließ Ballards Gewehrlauf blinken. Der hagere, dürre Mann, dem die Hosen wie bei einer Vogelscheuche um die mageren Beine schlotterten, hatte Jim noch nicht erkannt. Jim lag im Schatten der Kaktee, und er betrachtete Ballard wie ein wildes, bösartiges Tier, denn genau das war Ballard.

      In diesem Moment erinnerte sich Jim an die Steckbriefe, die sein Bruder Cliff im Office von Tucson hatte. Ballard wurde in drei Staaten gesucht. Er hatte erst vor wenigen Wochen den Geldtransport für die Gloria Mine überfallen, war von Cliff Copper gejagt worden und mit seinen Partnern über die Grenze entwischt. Doch er hatte ein Andenken mitgenommen – eine Kugel in seinem Oberschenkel, die Cliff hinter ihm hergejagt hatte.

      Ballard war ein eiskalter Killer, dem ein Menschenleben weniger bedeutete als ein gutes Pferd oder zwei Flaschen Brandy. Er war rachsüchtig und nachtragend, er vergaß nie etwas. Und er hatte die Kugel Cliffs auch nicht vergessen, denn er hatte Cliff etwas ausrichten lassen. Er wollte ihm die Kugel zurückgeben, eine tödliche Kugel.

      Für einen Mann, der noch vor wenigen Wochen im Bett gelegen hatte, bewegte sich Ballard nun schnell wie ein Schlange. Er glitt zwischen den Kakteen durch, senkte das Gewehr und stieß es Jim in die Seite. Dann wuchtete er Jim mit einem einzigen Ruck hoch und warf ihn aus dem Schatten der Kaktee.

      Jim blieb nach einem Überschlag am Hang liegen. Der Mond beschien ihn jetzt. Er sah, wie Ballards hageres, ausgemergeltes Totenschädelgesicht sich verzerrte. Die schweren Lider über Ballards kalten Knopfaugen weiteten sich jäh. Der Bandit stieß einen zischenden Laut aus.

      »Sieh mal an«, sagte er danach voller Hass. »Luke, unser Freund Conrads hat uns jemand zurückgelassen, einen Copper. Na, mein Freund?«

      Und dann trat er mit voller Wucht zu.

      *

      Der Tritt schleuderte Jim noch ein Stück den Hang herunter. Schmerz raste durch seine Rippen, er bekam keine Luft mehr, blieb zusammengekrümmt liegen und glaubte ersticken zu müssen. Sein Magen krampfte sich zusammen, er streckte sich und begriff dann erst, dass er die Beine lang machen konnte. Der Strick, der seine Hände und Beine zusammengehalten hatte, musste gerissen sein, als Ballard ihn den Hang hinabgestoßen hatte.

      Während Jim noch nach Luft rang, näherte sich das dumpfe Klopfen über den Sand wandernder Hufe. Jemand kicherte, aber das Kichern kam aus einer anderen Richtung. Das Pferd tauchte jetzt neben Jim auf, und dann sah Jim den Mann im Sattel des Pferdes.

      Jim schloss die Lider, ihm wurde langsam schlecht. Er hatte nicht geahnt, dass Luke Cardona und Ballard gemeinsame Sache machten. Cardona war Mischling. Er hatte zwar eine mexikanische Mutter, mochte jedoch keine Mexikaner. Seine