Leni Behrendt

Leni Behrendt Classic 54 – Liebesroman


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Iris zu, die bereits an dem kleinen Tisch, der neben seinem wuchtigen Schreibtisch stand, Platz genommen hatte.

      Darüber hing jetzt ein großes Bild, das eine Frau in Lebensgrößte zeigte. Nicht mehr ganz jung war sie, aber immer noch schön. Iris konnte gar wohl verstehen, daß der kühle Deutsche sich an der südlichen Schönheit entflammt hatte.

      »Gefällt Ihnen meine Mami?« fragte Graziella plötzlich. Da schrak Iris zusammen und löste rasch den Blick von dem Bild.

      »Gewiß, Graziella, deine Mami ist sehr schön!« sagte sie hastig.

      »So schön wie meine Mami war keine andere Frau«, bekannte das Kind stolz. »Höchstens noch Sie.«

      »Graziella, du bist manchmal von einer geradezu beleidigenden Offenheit«, rügte der Vater, der nicht wußte, ob er lachen oder sich ärgern sollte. »Man darf nicht immer alles sagen, was man denkt.«

      »Warum denn nicht, Papi? Bei uns durfte ich das immer.«

      »Da ist auch vieles gestattet, was hier für ungezogen angesehen wird«, erklärte er mit leisem Unbehagen. »Danach mußt du dich schon richten, mein Kind.«

      »Aber ich habe Fräulein Grall doch nichts Kränkendes gesagt! Ich freue mich doch auch, wenn jemand mich schön findet«, beharrte sie.

      Da gab der Vater sich geschlagen.

      »Bevor wir anfangen, möchte ich noch etwas mit Ihnen besprechen, Fräulein Grall. Ich habe nämlich gestern die Akten durchgesehen, in denen der Verkauf Rotbuchens an Herrn Härtner verzeichnet ist. Demnach blieb Ihnen als Eigentum aus der Versteigerung nichts weiter als das kleine Haus, in dem Sie jetzt wohnen?«

      »Nein, sonst nichts.«

      »Hätte sich da nicht doch noch mehr für Sie herausschlagen lassen?«

      »Vielleicht! Allein uns lag daran, allen Gläubigern möglichst gerecht zu werden. Da blieb eben nur das kleine Haus übrig.«

      »Das ist doch aber ein Unfug, Fräulein Grall! Soviel ich mich entsinne, ist schon damals, als ich noch Inspektor auf Rotbuchen war, der Gutskämmerer aus diesem Hause gezogen, weil es ihm als Wohnung nicht genügte.«

      »Uns genügt es; wir sind froh, daß wir es haben. Es war ja durchaus nicht baufällig, nur sehr verwohnt, was nun durch geschickte Reparaturen behoben ist. Außerdem hängt meine Mutter sehr an dem Haus, das ihr eine zweite Heimat geworden ist.«

      »Dann läßt sich allerdings nichts mehr dagegen sagen. Sie müssen mir jedoch gestatten, daß ich Ihnen an Gehalt zulege, weil doch –«

      »Nein, Herr Uhde«, unterbrach sie ihn entschieden. »Ich bekomme neben einem angemessenen Deputat noch zweihundert Mark im Monat in bar. Damit dürfte meine Arbeit bezahlt sein. Ein Übriges würde nach Almosen aussehen.«

      Ganz ruhig war das gesprochen – und doch stieg dem Mann dunkle Röte bis in die Stirn hinauf. Er biß die Zähne zusammen, als wolle er eine heftige Antwort unterdrücken, und griff nach einem Brief, über dessen Inhalt er nun sprach.

      Er verlangte überhaupt über vieles Auskunft, die Iris ihm auch kurz und klar gab.

      Graziella verhielt sich wirklich ganz still, so daß die beiden Emsigen die Gegenwart des Kindes vergaßen. Nur wenn Iris den Kopf zur Seite wandte, fühlte sie Graziellas Blick unentwegt auf sich ruhen.

      *

      Dann sprach Uhde wieder von geschäftlichen Dingen, bis Oskar Greißner in Begleitung seiner Schwester das Zimmer betrat.

      »Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Frau Monika?«

      »In Lebensgröße«, lachte sie perlend auf und streckte ihm die rechte Hand entgegen, während die Linke einen großen Rosenstrauß umfaßt hielt. »Willkommen in der Heimat, Olaf!«

      »Vielen Dank, gnädige Frau.«

      »Laß doch den Unsinn, lieber Freund!« unterbrach sie ihn mit lockendem Blick. »Bei unserer Jugendfreundschaft: Ich bin für dich die Monika, und du bist der Olaf – wie einst. Einverstanden?«

      »Mit dem größten Vergnügen, Monika. Und die schönen Blumen, sollen die etwa für mich sein?«

      »Selbstverständlich! Auf daß du immer auf Rosen wandeln mögest!« scherzte sie, während sie ihm den Strauß übergab. Dann beugte sie sich zu Graziella hin, die an den Vater geschmiegt stand und die fremde Dame gar nicht erfreut musterte.

      »Du bist doch sicherlich die kleine Graziella de Avido«, schmeichelte sie. »Schau einmal, was ich dir mitgebracht habe!«

      Damit hielt sie der Kleinen ein Päckchen hin; doch das Kind rührte sich nicht.

      »Ich darf von Fremden nichts annehmen; das hat mir Papi verboten!« erklärte sie kurz und bündig.

      Monika lachte geziert auf. »Ich bin doch keine Fremde, mein Engelchen.«

      »Doch, ich habe Sie noch nie gesehen.«

      »Die Kleine ist ja köstlich!« lachte Greißner belustigt. »Aber recht hat sie. Verboten ist eben verboten; da gibt es keine Ausnahme.«

      Er begrüßte Iris, die inzwischen auf dem kleinen Tisch Ordnung geschaffen hatte und sich jetzt umwandte, mit einer höflichen Verbeugung, die sie mit einem Neigen des Kopfes erwiderte.

      »Ich gehe jetzt zu Tisch, Herr Uhde.«

      »Bitte sehr, Fräulein Grall! Wann kommen Sie wieder?«

      »Um vierzehn Uhr.«

      Wieder ein Neigen des Kopfes, das diesmal sogar recht hochmütig ausfiel; dann schritt sie langsam dem Ausgang zu.

      »Die ist bestimmt nicht klein zu kriegen«, sagte Greißner halb anerkennend, halb ärgerlich. »Das Schicksal hat sie doch gerade genug gedemütigt; aber die hochmütige Art hat sie beibehalten.«

      »Wie du dich nur darüber ärgern kannst«, meinte die Schwester mißbilligend. »Mich läßt es kalt, wie der Rotkopf sich benimmt.«

      »Na, erlaube mal, Monika, rot ist das Haar doch bestimmt nicht«, widersprach der Bruder heftiger, als die Äußerung es gerechtfertigt hätte. »Es ist blond mit einem satten Goldton. Eine Schönheit ersten Ranges ist Fräulein Grall schon, das kann selbst deine Mißbilligung nicht abstreiten!«

      »Sprechen wir von etwas anderem«, winkte sie mit einem Lächeln ab, das dem Bruder das Blut in die Stirn trieb. »Über Geschmack läßt sich eben nicht streiten. – Ah, wohl deine Frau, Olaf?« wandte sie sich dem Bild über seinem Schreibtisch zu. »Ja, die ist schön! Das wird jeder bestätigen, der etwas von Frauenschönheit versteht.«

      Sekundenlang war es sehr still im Zimmer, dann streckte Monika dem Hausherrn die Hand hin: »Ich weiß wohl, wie weh es tut, einen lieben Menschen hergeben zu müssen«, sagte sie leise. »Ich habe meinen Mann auch durch den Tod verloren.«

      »Davon weiß ich ja gar nichts, Monika. Oskar hat mir davon nichts geschrieben.«

      »So wichtig war das nun auch wieder nicht«, gab Greißner freimütig zurück. »Monika kann froh sein, daß sie den unheilbaren Trinker los ist, mit dem sie sich tagtäglich wie Hund und Katze gezankt hat. Sie lebt jetzt entschieden ruhiger und besser.«

      »Pfui, Oskar, was für ein gefühlsroher Mensch bist du nur!« entrüstete sie sich, worüber er jedoch nur ein Achselzucken hatte.

      *

      »Oh, là, là, welche Amazone kommt denn da zu uns?« begrüßte Herr Julius Korsel mit seinem dröhnenden Baß die Reiterin, die vor dem erleuchteten Herrenhaus des Gutes Traun hielt.

      Iris lachte und reichte von ihrem Gaul herab dem Hünen die Hand. »Entschuldige bitte meinen späten Besuch, Onkel Korsel! Aber –«

      »Je später der Abend, um so schöner die Gäste!« Onkel Korsel verneigte sich galant, wobei er die leichte Gestalt mühelos aus dem Sattel hob. Wie hergezaubert stand da auch schon ein Stallbursche da, der das Pferd in Empfang nahm, während der Gutsherr