ihm und produzierte gekonnt einige dicke Tränen.
„Dein Pech, Hübsche“, erwiderte der junge Mann entschlossen.
„Ich werde Ihnen ewig dankbar sein“, behauptet Kathy und versuchte sich aufzurichten. Dabei bemühte sie sich, ihm ihre volle und feste Brust zu zeigen. Sie hoffte, daß er dieses Signal verstand.
„Man braucht ja nicht gerade alles zu überstürzen“, meinte der junge Mann beeindruckt und wandte sich an seinen Begleiter, der nur grinste. „Helen ist uns ohnehin durch die Lappen gegangen. Wir haben also reichlich Zeit.“
„Melvin wird vor Wut schäumen“, mahnte der Mann im weißen Arztkittel.
„Melvin kann mich mal“, brauste der junge Mann auf.
„Okay, ich geh’ zu ihm rüber“, sagte der ältere Mann im weißen Arztkittel. „Zehn Minuten müßten für ihre ewige Dankbarkeit wohl reichen, oder?“
„Ich geb’ dir ’ne Chance, Hübsche“, sagte der junge Mann, als er mit Kathy Porter allein war, „aber dafür erwarte ich was von dir, klar?“
„Alles!“, schluchzte Kathy.
Er beugte sich zu ihr hinunter und löste die stramm gezogenen, breiten Riemen, die ihre Unter- und Oberschenkel auf der schmalen Trage festhielten.
„Ich könnte Sie umarmen“, schlug Kathy vor. Sie schluchzte vor Dankbarkeit auf, war hilflos und wehrlos. Dicke Tränen schimmerten in ihren Augen.
„Tu’s doch“, sagte der Killer, der sich sicher fühlte und mit leichter Beute rechnete. Er schnallte den breiten Riemen los, der über Kathys Leib gespannt war, und löste die beiden schmäleren Riemen an ihren Handgelenken.
Kathy beging nun keineswegs den Fehler, sofort aktiv zu werden. Dazu waren ihre Glieder zu sehr abgestorben. Sie brauchte noch einige Minuten, bis sie tätig werden konnte.
Diese Minuten nutzte der Killer.
Er kam sofort nachdrücklich zur Sache, riß Kathys Büstenhalter von ihrem Oberkörper und warf sich auf sie. Er rechnete fest mit ihrer grenzenlosen Dankbarkeit und erlebte eine grausame Enttäuschung. Kathy hatte nämlich etwas dagegen, von ihm bedrängt zu werden und schätzte es überhaupt nicht, daß er nach ihren Brüsten griff und dann noch zudringlicher werden wollte. Zuerst umschlang sie ihn zwar mit ihren Armen und schien seine Nähe zu suchen, dann jedoch schlug sie mit beiden Handkanten kurz und energisch zu.
Der Killer blieb unbeweglich auf ihr liegen, zeigte aber kein Temperament mehr. Von einem plötzlichen Schlafbedürfnis erfaßt, sank er in einen Zustand, der einer echten Ohnmacht glich.
Kathy stieß den Killer von sich, richtete sich auf und suchte erst mal nach der Waffe des Mannes. Sie fand sie in seinem Schulterhalfter. Der Schalldämpfer war abgeschraubt worden und nicht zu entdecken, worüber Kathy aber nicht in Panik geriet. Hauptsache, die Waffe war geladen und schußbereit.
Sie hob horchend den Kopf und sah zur Tür hinüber, hinter der jetzt schnelle Schritte zu hören waren.
Die Arztimitation und der dickliche Mann kehrten zurück. Wahrscheinlich wollten sie das zärtliche Zusammensein empfindlich stören. Kathy schaute sich um, huschte dann hinüber zu den Schaufensterpuppen und ging hier erst mal in Deckung.
Eine Flucht zurück in die glasüberdachte Halle hätte zu viel Zeit gekostet und die Gangster nur animiert, aus allen Rohren auf sie zu schießen.
Die Eisentür öffnete sich, die beiden Männer stürmten herein, blieben kurz stehen und rannten dann auf den ohnmächtigen Killer zu, der seitlich neben der Trage lag.
„Das verdammte Miststück“, schimpfte der dickliche Melvin. „Los, Richie, lauf rüber in die Halle, weit kann sie noch nicht sein! Das Tor ist immerhin abgeschlossen.“
Der Mann im weißen Kittel rannte los, während Melvin sich um den jungen Killer kümmerte. Er kam überhaupt nicht auf den Gedanken, daß sein Opfer sich noch in dem großen Raum aufhielt.
Kathy hätte keine Schwierigkeiten gehabt, den Dicklichen niederzuschießen. Er hockte neben der Trage und bot sich an wie auf einem Präsentierteller. Doch Kathy brachte es nicht über sich, die Waffe in ihrer Hand abzudrücken. Kaltblütiger Mord war nicht ihr Metier. Wenn es sein mußte, wußte sie sich zu verteidigen, das durchaus, aber hier brauchte sie einen Anlaß unmittelbarer Art.
Hinzu kam Richie, der jeden Augenblick wieder auftauchen konnte. Hörte er einen Schuß, wußte er mit Sicherheit, was sich hier abspielte. Dann war dieser Killer vorgewarnt und würde sich keine Blöße geben. Nein, Kathy entschloß sich, bis zur Rückkehr dieses Mann zu warten. Erst dann konnte sie etwas unternehmen.
Er kam sehr schnell zurück.
„Nicht zu sehen“, meldete er nervös.
„Die Kleine muß doch hier sein, Melvin.“
Während der Mann noch redete und seinen Verdacht äußerte, drehte er sich um und musterte die Schaufensterpuppen. Sie sahen ihn schweigend an, unbeteiligt und graziös aussehend. Sie hatten ihre Arme angewinkelt und posierten auf eine unwirkliche Art und Weise.
Kathy posierte übrigens mit.
Den Arm mit der Schußwaffe auf den Rücken gedreht, hatte sie die linke Hand vorgestreckt, den rechten Fuß elegant vorgeschoben. Sie war von den leblosen Schaufensterpuppen einfach nicht zu unterscheiden. Was für die biegsame Schlankheit und Grazie ihrer Körperlinien sprach. Sie hatte nur Angst, daß ihre Brust sie verraten würde, selbst wenn sie die Atmung für einige Sekunden einstellte. Da waren doch ein paar sehr ausgeprägte Unterschiede. Sie konnte nur hoffen, daß die beiden Gangster nicht zu schnell stutzig wurden.
*
„Die Todesursache des Mister Harry Lancing, Mylady, ließ sich aus Zeitgründen leider nicht eruieren“, berichtete der Butler, als er wieder vor seiner Herrin stand. „Ich nahm mir allerdings die Freiheit, ein wenig in den Habseligkeiten des Verblichenen zu suchen.“
„Ich will doch sehr hoffen, daß Sie etwas gefunden haben, Mister Parker.“
„Mylady könnten in etwa zwanzig Minuten in der Wohnung des verstorbenen Mister Lancing sein. Seine Adresse ist mir bekannt.“
„Und was sollen wir dort? Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Haben Sie vergessen, daß Kathy entführt worden ist?“
„Keineswegs, Mylady“, gab der Butler gemessen zurück und öffnete den hinteren Wagenschlag, damit Lady Simpson einsteigen konnte, „aber der erwähnte und verblichene Mister Lancing ist im Moment die einzig greifbare Spur, die ich Mylady anbieten kann. Einzelheiten werde ich Mylady während der Fahrt unterbreiten.“
Was der Butler dann auch ausreichend besorgte, während er sein hochbeiniges Monstrum durch die City bugsierte. Parker berichtete seiner kriegerischen Chefin von der Doppelgängerin Kathy Porters, von deren Besuch bei Harry Lancing, und gab seiner Vermutung Ausdruck, Kathy sei statt dieser anderen, rothaarigen Dame entführt worden.
„Dann ist Harry Lancing von den beiden Kidnappern ermordet worden“, entschied Lady Agatha mit letzter Sicherheit. „Ich spüre das in meinen Fingerspitzen, Mister Parker.“
„Sehr wohl, Mylady.“ Parker vertrat ebenfalls diese Ansicht, ließ sich darüber aber nicht weiter aus, um Myladys Phantasie nicht unnötig anzuheizen.
„Ein sehr guter Anfang für meinen nächsten Kriminalroman“, stellte Agatha Simpson fest. „Merken Sie sich die Einzelheiten, Mister Parker!“
„Sehr wohl, Mylady“, gab Parker zurück und unterdrückte einen Seufzer.
Die schriftstellernde Detektivin hatte ihren ersten Roman noch nicht verkauft, aber schon dachte sie an den zweiten. Sie schien ihr jüngstes Hobby sehr ernst zu nehmen. Und was das bedeutete, hatte Parker bereits erfahren. Das Haus der Lady Simpson in Shepherd’s Market glich seit einigen Wochen einer Zweigstelle der kommunalen Bücherei. Die Hausherrin hatte sich tonnenweise Fach- und Sachliteratur ins Haus kommen lassen und dachte nicht im Traum daran, diese