Günter Dönges

Butler Parker 106 – Kriminalroman


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      Kathy legte ihm die Puppe vor die Brust. Melvin keuchte, schnappte nach Luft, rutschte zurück auf den Boden und wurde dann von der Puppe innig umarmt. Kathy hatte dafür gesorgt und setzte den Gangster endgültig außer Gefecht. Melvin blieb ruhig auf dem Boden liegen.

      Dafür schaltete sich jetzt der junge Gangster ein. Gewiß, er verfügte nicht über eine Schußwaffe, aber er war erfahren in der Kunst des Karate, wie sich zeigte. Er sprang über einige gefallene Mädchen und ging sofort zum Angriff über. Mit angewinkelten und vorgestreckten Armen pirschte er sich an Kathy heran. Seine grünlich schimmernden Augen bestanden nur noch aus Haß und Vernichtungswillen.

      Kathy brachte sich erst mal in Sicherheit und flüchtete zurück zu den noch stehenden Puppen.

      Der junge Gangster war dicht hinter ihr, hechtete sich auf sie und landete zwischen einigen Mannequins, die von Kathy umgeworfen worden waren. Der Mann verhedderte sich in Beinen und Armen aus Kunststoff, verlor ein wenig die Übersicht und war frustriert, als er plötzlich einen einsamen Frauenkopf in Händen hielt. Dieser Kopf hatte sich vom Rumpf einer Kunststoffdame gelöst.

      Kathy hatte bereits die Tür erreicht, durch die Melvin gekommen war.

      Sie riß sie auf, donnerte sie hinter sich zu und entdeckte den Schlüssel im Schloß.

      Sie schaffte es in letzter Sekunde.

      Als auf der anderen Seite der Tür die Klinke heruntergeschmettert wurde, war die Tür gesichert. Der Mann rammte in hilfloser Wut gegen das Eisenblech, vermochte jedoch nichts auszurichten. Kathy orientierte sich und rannte dann durch einen langen Gang, der vor einer Betontreppe endete.

      Sie hastete über die Stufen nach oben und stand in einer großen Halle, die mit Kisten vollgestopft war. Zögernd ging sie weiter, unsicher, welchen Weg sie wählen sollte. Sie rechnete mit neuen Überraschungen und sollte prompt auf ihre Rechnung kommen.

      Sie fand eine Tür, öffnete sie zögernd und trat hinaus auf einen Dachgarten.

      Irritiert fuhr sie herum, als Sekunden später ein begeistertes Pfeifen zu hören war.

      Nur einen Sprung vom Rand des Dachgartens entfernt befand sich ein Baugerüst, auf dem Anstreicher standen, die mit Sandstrahlgebläsen eine Fassade säuberten.

      Die Arbeiter waren mit der unverhofften Abwechslung durchaus einverstanden, denn Kathy sah in ihrer mehr als sparsamen Bekleidung attraktiv und einladend aus. Die Männer winkten ihr und hatten berechtigten Spaß an dieser unverhofften Einlage.

      Kathy zögerte nicht lange, winkte zurück und deutete auf eine der vielen Bohlen, die auf dem Gerüst lagen.

      Zwei Arbeiter verstanden augenblicklich, packten die Bohle und schoben sie vom Gerüst aus hinüber auf den Rand des Dachgartens. Kathy breitete die Arme aus, balancierte sich aus und schritt dann über die Bohle hinüber auf das Baugerüst. Dabei vermied sie es, hinunter in den schmalen Innenhof zu sehen. Es interessierte sie überhaupt nicht, wie tief dieser Hof war.

      „Wie kommt denn dieser Glanz in unsere Hütte?“, fragte einer der stämmigen Bauarbeiter, als Kathy das Gerüst erreichte. Er maß sie ungeniert mit seinen Blicken und zwinkerte ihr zu. Es war ein freundliches Zwinkern ohne Hintergedanken.

      „Ich glaube, ich habe mich verlaufen“, sagte Kathy ausweichend.

      „Macht ja nichts“, meinte ein zweiter Bauarbeiter. „Wenn du willst, bringen wir dich auf den rechten Weg zurück.“

      „Aber nur, wenn du willst“, sagte der erste Bauarbeiter schnell. „Tu’ deinen Gefühlen bloß keinen Zwang an!“

      *

      Die Tür zur Tierhandlung war verschlossen.

      Josuah Parker hatte keine Bedenken, sein kleines Spezialbesteck zu bemühen. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis das einfache Schloß den Widerstand aufgab. Parker öffnete die Tür und fuhr zurück, als ohrenbetäubendes Schnattern und Krächzen ihm entgegenschlug.

      „Worauf warten Sie noch, Mister Parker?“ raunzte Agatha Simpson ihren Butler an.

      „Vielleicht möchten Mylady den Vortritt haben“, fragte Josuah Parker höflich.

      „Kommen Sie!“ Die Detektivin fürchtete sich nicht, schob den Butler recht resolut zur Seite und betrat den Laden. Das ohrenbetäubende Kreischen schien sie überhaupt nicht zu stören.

      Es handelte sich um ein gutes Dutzend großer und kleiner Papageien, die auf Querstangen hockten und Protest einlegten.

      „Ruhe!“ donnerte Lady Simpson mit ihrer Feldwebelstimme. Und das Wunder geschah! Die Papageien hielten sofort den Mund, beziehungsweise ihre Schnäbel, legten ihre Köpfe schief und sahen die Frau beeindruckt an. Eine Lautstärke dieser Art kannten sie nicht.

      Parker war nachgekommen, schloß die Ladentür und schaute sich interessiert um.

      Abgesehen von den Papageien und anderen exotischen Vögeln, die in großen und kleinen Käfigen gehalten wurden, gab es Aquarien, Terrarien und Regale, die mit Futtermitteln und Kleinbedarf für Tierfreunde vollgepackt waren.

      „Sehr geheimnisvoll“, stellte Lady Agatha ohne jede Überzeugung fest und wirkte ein wenig ratlos. Sie sah fragend zu ihrem Butler hinüber und schien von ihm einen Tip zu erwarten, doch Josuah Parker nahm sich Zeit, sah sich alles sehr eingehend an und blieb schließlich vor einer Sonderabteilung stehen. In einer Ecke der Tierhandlung waren afrikanische Masken ausgestellt, Speere, Töpferwaren und Flechtwerk aller Art.

      Einige dieser Masken sahen sehr unheimlich und sogar abstoßend aus. Die in Holz geschnitzten Fratzen waren übersät mit kleinen weißen Muscheln, die den Masken ein pokennarbiges Aussehen verliehen. Passend zu dieser Abteilung waren die kleinen Äffchen, die in einem großen Käfig gehalten wurden. Die Tierchen machten einen verängstigten Eindruck. Ganz im Gegensatz übrigens zu den Kleinechsen und Schlangen, die in zwei Terrarien ihr Dasein fristeten.

      „Sehr geheimnisvoll“, stellte Lady Agatha sicherheitshalber noch mal fest, diesmal aber mit wesentlich lauterer Stimme.

      „Billiger Tand, Mylady“, erwiderte der Butler und wies auf die Masken, Flecht- und Töpferwaren. „Massenproduktion der einfachsten Sorte.“

      „Scheint aber gekauft zu werden, Mister Parker, sonst hätte dieser Harry Lancing das Zeug nicht ausgestellt.“

      „Wenn Mylady meine bescheidene Wenigkeit einen Moment entschuldigen würden“, bat Parker und drückte vorsichtig die Tür zu einem Hinterraum auf. Er sah in ein kleines Büro, hinter dem sich ein Vorratslager befand.

      Der verstorbene Harry Lancing schien sich tatsächlich auf afrikanischen Massentand spezialisiert zu haben. Auch hier lagen auf einfachen Stellagen Masken aller Art, muschelübersät, abstoßend und unheimlich. Es handelte sich um sehr viele Masken, wie Parker herausfand. Die Nachfrage danach mußte ungewöhnlich sein. Vielleicht aber hatte Lancing damit auch eine Art Großhandel betrieben. Doch das mußte sich feststellen lassen.

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