G.F. Barner

Waco 4 – Western


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ection> Waco – 4 –

      Der Sturm erfaßt den Wagen von ­Ebenezer Zane, den von Benjamin Laroy und drückt Abe Taylors Planendach auf die Seite.

      »Großer Gott!« ruft Taylor entsetzt. »Das ist der Sturm!«

      Er will aufstehen, aber der Wind drückt ihn von der Sitzbank. Abe hängt für zwei, drei Sekunden hilflos wie ein Kind über dem Brett des Kastens. Dann erst begreift er, was der alte Mann in Lovelock gemeint hat, als er von dem Sturm in der Wüste sprach.

      In diesem Augenblick wird sein Hut gepackt und segelt mitten in die weißlichgraue Wolke hinein, die vom Boden der Carson-Senke aufgestiegen ist. Vor Jahrtausenden – so hat der Alte in Lovelock gesagt – ist alles hier ein großes Wasser gewesen, halb Nevada. Und das Salz des Wassers hat sich dann mit dem Schlamm des Sees zu einer Kruste verbunden, auf der Salzgras und Fettholz wachsen.

      Jetzt reißt die entfesselte Naturgewalt die Reste jenes großen Meeres auf. Und im weißgrauen Staub verschwindet Abes Hut.

      »Der Teufel«, sagt Abe jetzt grimmig, dessen Hut neun Dollar gekostet hat. »Der Teufel soll den Sturm holen!«

      Er versteht kaum seine eigenen Worte und erinnert sich an das seltsame Schiefer­grau über den Bergen im Süd­osten, der Stillwater Range, vom Mittag. Niemand von ihnen hat den Wolken dort eine besondere Bedeutung zugemessen. Aber jetzt wissen sie, was die schiefergraue Wand zu bedeuten hat.

      »Rahel«, sagt Abe keuchend und kriecht auf allen vieren in den Schutz der Plane zurück. »Rahel, halte die Zügel!«

      Das Mädchen ist so schwarzhaarig wie Abe und gleicht ihm irgendwie. Sie hat ein sanftes Gesicht mit schmalen, sichelförmigen Augenbrauen und großen ausdrucksvollen Augen. Sie beißt die Zähne aufeinander, greift nach den Zügeln und sieht die Pferde nach links gehen.

      »Nach rechts, zieh sie nach rechts! Himmel… Herrgott, die Plane!« brüllt Abe heiser. »Junge, komm her, die Plane! Nimm den Spaten, stemm ihn dagegen! Gib mir das Ende vom Strick!«

      »Ja,Later!«

      Er ist dreizehn Jahre alt und Abe Taylors einziger Sohn. Nun muß er anpacken, aber er weiß nicht, was er dem Vater zuerst geben soll.

      »Bengel, den Spaten!«

      Cole Taylor nimmt den Spaten, reicht ihn seinem Vater und blickt entsetzt auf die Plane, die sich heftig nach innen bauscht.

      »Mach doch, Junge, mach schon! Den Hammer her! Rahel, du kommst zu weit nach links, nimm sie nach rechts, die verdammten Gäule! Siehst du die anderen?«

      Das Mädchen blickt nach vorn.

      Ihr ist, als wenn sie aus dem Staub, diesen weißgrauen Wolken, vorn einen Schatten auftauchen sähe.

      »Ja, Laroys Wagen.«

      »Gut, immer nach!«

      Es heult in der Luft, es pfeift und orgelt in den Speichen der Räder, an den Sielen für die Pferde, an der Deichsel. Und überall ist der Staub.

      »Rahel!« brüllt Abe. »Rahel, immer seitlich zum Wind, verstanden?«

      »Ja…«

      Sie weiß nichts davon, daß der Wind sich dreht, und zwischen der Stillwater Range und den Humboldt-Bergen zu kreisen beginnt, solange er kein Loch zum Entschlüpfen findet.

      Immer seitlich zum Wind, denkt Rahel und reißt an den Zügeln, wenn die Pferde nach links ausbrechen wollen. Im Wagen wirbelt der Staub, der Junge hustet und krümmt sich zusammen.

      Abe Taylor spuckt aus, weil er den Mund voll von einem körnigen, ganz feinen Brei hat.

      »Junge, dein Halstuch!«

      Er ist mit dem Abstützen der Bogen fertig und drückt seinem Sohn das Tuch vor Mund und Nase.

      »Rahel, warte, ich komme!«

      Sie kauert fast blind auf dem Bock, duckt sich in den Windschatten der Plane und kann nichts mehr sehen.

      »Sind sie vor uns?«

      »Eben noch, glaube ich!«

      »Ja, das ist die Richtung, Schwester! Nimm etwas vor Nase und Mund!«

      Die Luft ist zum Ersticken heiß, schwül und voller Flugsand, der überall hindringt. Rahel spürt den Sand am Hals, das Rieseln über ihren Rücken. Sie hat ein taubes Gefühl in den Ohren, schüttelt verzweifelt den Kopf und fühlt, wie der Sand aus ihren Ohrmuscheln rinnt.

      Dazu kommt draußen das Toben und Brüllen des Sturmes. Sie sinkt ganz flach an der Wand herunter, zerrt an der Decke und schreit dem Jungen zu: »Leg dir die Decke über, Cole!«

      Sie versteht die Antwort nicht, greift selbst nach der zweiten Decke und kauert sich hin.

      Vorn, genau hinter dem Sitzbrett, barhäuptig und mit dem Halstuch vor dem Gesicht, blinzelt Abe Taylor in den Sturm und die Wolken.

      Er sieht die anderen nicht mehr. Die Sicht beträgt kaum zwanzig Schritt, dann löst sich alles in dem grauweißen Schleier auf, der sie unablässig umweht.

      »Wir hätten dichter auffahren sollen«, meint Abe Taylor bitter. »Fünfzig Schritt, wer hätte gedacht, daß man mal nicht fünf­zig Schritt weit sehen kann? Was hat doch der Alte gesagt? Hütet euch vor dem Wind, fahrt zusammen, wartet ab, bis sich der Wind gelegt hat!«

      Ob sich die anderen daran erinnern, denkt Abe beklommen und beginnt noch heftiger zu schwitzen. Wenn sie nun zusammengefahren sind und halten, um das Ende des Sturmes abzuwarten? Sind links nicht Berge zu sehen gewesen? Sie liegen mit dem Wind, hinter ihnen könnte man Schutz finden.

      Er überlegt einige Sekunden, dann nimmt er die Zügel jäh herum und läßt die Pferde gehen.

      Laufen können sie nicht mehr, denn am Boden zwischen dem in einzelnen Büscheln wachsenden Fettholz hat der Sturm den dürren Flaum des Salzgrases aufgerissen und peitscht den Sand über die Erde hinweg. Abe fährt herum und sagt heiser: »Rahel, die Plane zu!«

      Das Mädchen kommt zum Vorschein, wankt im Schaukeln des Wagens nach hinten und zieht die Schnüre des Planenverschlusses straff an.

      »Du fährst ja mit dem Wind«, sagt sie erschrocken. »Abe, ist das der richtige Weg?«

      »Der Teufel mag wissen, wo der richtige Weg ist!« Erwidert er grimmig. »Ich will in den Schutz der Berge, von da oben kann man die anderen vielleicht sehen. Wenn der Sturm nur bald aufhören würde!«

      Aber der Sturm legt sich nicht. Er tobt weiter, der Sand fliegt. Die Wolke reißt manchmal etwas auf und gibt die Sicht frei, jedoch kaum mehr als hundert Schritt.

      Mühsam stapfen die Pferde weiter, drehen sich die Räder, in deren Buchsen der Sand dringt, knarrend und quietschend über Fettholz und Erdrinnen hinweg, die der Sturm aufgerissen hat.

      Vierzig Meilen Wüste.

      Die Pferde sind der Erschöpfung nahe.

      Eine Stunde, zwei, drei!

      Rahel Taylor liegt am Boden und denkt, daß sie jetzt sterben muß. Sie kann kaum noch atmen, die Hitze steigt ins Unerträgliche.

      Vorn schwingt Abe Taylor mit letzter Kraft die Peitsche. Die Pferde wollen nicht mehr, aber Abe sagt: »Es kann doch nicht mehr weit bis zu den Bergen sein, es kann doch nur ein kleines Stück…«

      Die Peitsche fliegt, die Pferde prusten. Für eine Viertelstunde zockeln sie mit dem Wagen weiter. Und dann hebt der eine Gaul die Hufe steiler an, stolpert beinahe in das Erdloch, kommt aber noch darüber hinweg.

      In diesem Augenblick sackt das linke Vorderrad in ein Loch. Ein Ruck geht durch den Wagen.

      Das schrille Kreischen der Buchse, aus der der Sand jedes Fett gerieben hat und die sich auf der Achsenwelle schüttelnd dreht, verstummt mit einem Schlag.

      Es kracht einmal und übertönt sogar das Heulen des Sturmes. Dann splittert es, und Abe denkt:

      Das Rad, das Rad!

      Mein Gott, jetzt ist es aus. Wir haben kein zweites, wir haben auch keinen Baum hier, gar nichts. Alles nach vorn laden,