G.F. Barner

Waco 4 – Western


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und kriecht weiter nach hinten. Dabei sieht er auf Rahel. Damals, denkt er, damals, als meine Frau bei dem zweiten Kind starb, das Kind tot, die Mutter tot, damals ist mir auch so zumute gewesen.

      Das Gefühl ist in seinem Magen, ein dumpfes und nagendes Gefühl der Einsamkeit und der Verlorenheit.

      Seine Frau hat nie viel Mut besessen. Sie war eine ängstliche Frau, die ihn immer gebraucht hat. Rahel ist aus Taylor-Holz geschnitzt, die verliert so schnell nicht den Kopf.

      »Das Rad…«

      »Ja!«

      Sie schweigt einen Augenblick. Wird sie den Kopf verlieren?

      »Können wir umladen, alles nach vorn?«

      Sie hat schon überlegt und weiß gleich eine Lösung.

      »Ja«, ruft er heiser. »Aber vorläufig hat alles keinen Zweck, ist das Wasserfaß heil?«

      Auf einmal packt ihn die Angst.

      Es könnte entzweigeschlagen worden sein.

      »Junge, sieh nach dem Faß!«

      Der Junge kriecht nach hinten. Er sagt nichts, er ist nur bleich wie der Tod und zittert jetzt. Dann schüttelt er den Kopf.

      »Alles heil!« schreit er, um sich verständlich zu machen. »Vater, sitzen wir fest?«

      »Scheint so. Die anderen können auch nicht weit gekommen sein«, ruft der Mann zurück. »Laroy hat ein zweites Rad dabei. Sie werden uns vermissen, sobald sich der Sturm gelegt hat und uns suchen kommen. So allein sind wir nicht! Kommt her, wir drehen den Schrank quer, dann machen wir uns im Wagen eine Hütte. Hoffentlich kommt der verdammte Sand nicht auch noch in die Kiste mit dem Essen, was? Faßt mal an!«

      Er wirft einen Seitenblick auf Rahel. Sie ist ganz ruhig, sie handelt. Er könnte keinen klareren Kopf behalten, nicht in dieser Situation. Eigentlich verdankt er ihr eine Menge, denn sie hätte dreimal verheiratet sein können, aber sie ist bei ihm geblieben, seitdem Alda tot ist, und hat für den Jungen und für ihn gesorgt.

      Na ja, denkt Abe, in drei, vier Tagen sind wir in Virginia City, dann geht es weiter nach Kalifornien. Sie bauen dort viel. Ich werde schon eine gute Arbeit als Zimmermann finden. Das habe ich gelernt. Und wenn nicht, nun, etwas Geld haben wir noch. Vielleicht mache ich mich auch selbständig. So ein kleines Sägewerk oder eine Zimmerei. Wenn ich die ersten Zehntausend verdient habe, dann soll Rahel eine anständige Summe davon bekommen. Sie muß mal einen guten Mann erwischen. In drei Tagen sind wir in Kalifornien, ich schaffe es schon mit dem Wagen.

      Doch wann wird der Sturm nachlassen? Abe Taylor weiß es nicht, aber andere wissen es.

      Jeder, der sich hier auskennt, weiß es.

      *

      In die Berge, in die Taylor gewollt hat, ist ein Mann geritten. Der Mann ist allein, er kommt von Conways Kutschen- und Frachtwagendepot in Lovelock. Er hat zwei Pferde bei sich.

      Dieser Mann wartet das Ende des Sturmes ab.

      Gar nicht weit von ihm, nur durch zwei Bergrücken getrennt, kauern vier andere Männer im Windschatten einiger Felsen oberhalb der Carson-Senke.

      »Du«, sagt der eine Mann heiser unter der Decke heraus. »Wie lange noch?«

      »Vier Stunden. Der Abend läßt ihn sterben!«

      Er meint den Sturm.

      An ihrem Platz ist es windgeschützt. Der Sand weht nur leicht, das fauchende Element tobt über ihnen in den fast baum­losen Stillwater-Bergen.

      Der Mann ganz außen klappt eine Blechschachtel auf und schiebt sich ein Stück Kautabak in den Mund.

      »Was denkst du über die drei?«

      »Wenn sie schlau sind, dann sind sie zusammengeblieben.«

      Das ist der vierte Mann.

      Der zweite Mann nickt. Der dritte sagt: »Ich habe vier Männer gesehen.«

      »Auswanderer.«

      Das klingt so, als wenn ein Riese von einem Zwerg spricht, den er zertreten kann, sobald es ihm Spaß macht.

      »Ich sage, sie sind so gefahren, als wären sie blutige Greenhorns in der Wüste«, meldet sich Nummer zwei.

      »Hm, jeder halbwegs erfahrene Mann hätte den Schutz der Berge aufgesucht«, brummt der Priemer.

      »Du sagst es. Sie sind mitten in den Sturm gefahren. Na, viel Spaß. Wenn die noch zusammen sind, dann esse ich meinen Hut!«

      »Paß auf, daß du ihn vorher gut einweichst, hähä!«

      Sie lachen alle vier und warten auf das Ende des Sturmes.

      Jeder von ihnen trägt zwei Revolver, einer hat sogar noch zwei Schießeisen bei sich. Und wer in ihre Gesichter blickt, der wird in Zukunft um sie einen großen Bogen machen. Sie sehen ziemlich wild, verkommen und gemein aus.

      *

      Der Wind säuselt nur noch, der Himmel ist dunkel, hier und dort blinkt ein Stern. Aber von den anderen Wagen ist nichts zu sehen.

      Nicht einmal der Mond ist da, an dem man sich orientieren könnte.

      Abe Taylor nimmt ein Rad nach dem anderen ab, schmiert die Buchsen neu und macht die Splinte fest. Dann steigt er auf den Wagen zurück und sagt mürrisch: »Wir müssen uns umsehen, ich nehme mal das Pferd. Rahel, wir werden zuerst ein Feuer machen, das sehe ich dann immer. Vom Rad ist genug Holz da, den Weg zurück finde ich also immer. Die anderen können nicht weit sein, vielleicht entdecke ich sie doch noch. Und wenn nicht, der Morgen wird schon kommen, dann haben wir Sicht!«

      »Weißt du denn nicht, wo wir sind?«

      »Ganz sicher bin ich nicht«, erwidert Taylor und schiebt die beiden schweren Kisten mit dem Hausrat nach vorn in den Wagen. »Wir sind doch nach links gefahren, immer vor dem Wind her. Dann müßte der Weg dort drüben sein!«

      Sie blicken beide auf die Ebene, aber sie sehen nichts, keinen Feuerschein, keinen Lichtschein. Über der Vierzig-Meilen-Wüste liegt ein matter Dunstschleier.

      Der Junge fröstelt etwas, obwohl die Luft stickig ist. Er sucht das Holz zusammen und holt die Streichhölzer aus dem Wagen. Abe spannt die beiden Pferde aus, bindet eines hinten an den Wagen und legt dem anderen Tier das Zaumzeug an.

      Dann greift er zu seinem Gewehr.

      Rahel hängt den Topf über das Feuer, füllt Wasser in den Topf und sagt leise: »Ich koche etwas Kaffee, Abe. Reite nicht zu weit fort, bleib besser immer in Sichtweite des Feuers.«

      »Den Weg zurück finde ich schon!« murmelt Taylor. »Weit werden die anderen nicht sein!«

      Er nickt seinem Jungen zu, dann steigt er auf das Pferd und folgt der fast zugewehten Wagenspur.

      Nach mehr als einer dreiviertel Stunde blickt sich Taylor um und hat das Feuer seitlich.

      »Was ist denn das?« fragt er sich verstört. »Links von mir? Das kann doch nicht sein.«

      Er legt noch eine kurze Strecke zurück, dann weiß er, daß die Spur in einem Riesenbogen nach links führt und langsam nach rechts schwenkt. Der Wagen muß hier im Kreis gefahren sein.

      Vor ihm ist die flache Senke mit den Fettholzstauden. Die Spur ist nun verwischt. Unsicher blickt er sich um. Er muß durch die drei Meilen breite Senke, wenn er der Richtung der Fährte folgen will, aber er weiß nicht, ob sie drüben weiterläuft. Langsam und zaudernd reitet er an. Er merkt sich diese Seite der Senke, kommt nach einer halben Stunde drüben an und versucht auf dem höher liegenden Land die Abdrücke wiederzufinden. Zuerst reitet er fast eine halbe Stunde nach rechts, doch die Spur taucht nicht wieder auf. Dann reitet er nach links im Bogen zurück.

      »Wo ist Norden… wo ist Süden, wo Westen?«

      Er fragt es sich laut, schüttelt in dumpfer Verzweiflung den Kopf und hält an. In seiner Tasche steckt die Pfeife. Er kramt seinen Tabaksbeutel heraus, stopft