auch ein Mann, ich kann mir einen Reim darauf machen.«
»Denke, was du willst, Carl! Aber rede nicht drüber. Ich will nicht, dass man mir etwas andichtet.«
»Herrschaftszeiten, was bist heute empfindlich! Gut, du hast unser Wort, dass wir es für uns behalten. Außerdem muss ich jetzt zu einem Notfall. Pfüat di!« Doktor Carl Brand stieg in den großen Geländewagen und fuhr davon.
»Magst du einen Kaffee?«, fragte Beate. »Ich habe noch einige Minuten, bis die Sprechstunde beginnt.«
»Naa, ich mache mich wieder auf den Weg. Danke, Beate, und pfüat di.« Wolfi drehte sich um, steckte die Hände in die Hosentaschen und ging davon.
Er fuhr zur Praxis von Doktor Martin Engler und erkundigte sich nach Moni.
»Am besten fragst du Katja«, antwortete Erna Schulz, Martins Sprechstundenhilfe. »Martin nimmt gerade eine große Untersuchung vor, da darf man ihn nicht stören.«
»Dann muss es der Moni doch nicht so gut gehen, wenn du mir keine Auskunft gibst, Erna«, bemerkte Wolfi.
»Doch, es geht ihr gut. Aber ich muss etwas fertigmachen. Der Brief muss heute noch raus«, sagte Erna und wandte sich wieder dem Computer zu.
Wolfi kannte sich im Haus aus. Er ging in die große Wohnküche und klopfte an den Türrahmen.
Katja drehte sich um. »Grüß Gott, Wolfi! Hast du ein bisserl geschlafen?«
»Grüß dich, Katja! Ja, ein paar Stunden schon. Beate und Carl riefen mich an, die Hundebesitzer wollten sich bei mir bedanken. Aber als ich in die Praxis kam, waren sie doch schon abgefahren. Die Kinder hätten gedrängelt.«
»Vielleicht melden sie sich auf dem Rückweg aus dem Urlaub bei dir.«
»Das ist möglich.«
»Hast du Moni getroffen? Sie wollte sich auch von dem Hund verabschieden.«
»Naa, die Moni war nicht mehr dort. Ich bin auf dem Weg dorthin aufgehalten worden und habe sie verfehlt. Du weißt doch, wie das ist in Waldkogel. Die Leute halten gern ein Schwätzchen, wenn sie mich sehen.
»Ja, das weiß ich. Schlimm ist das nicht, ganz im Gegenteil. Es ist irgendwie familiär, wie jeder hier mit jedem umgeht.«
»Das stimmt schon. Unhöflich wollte ich auch nicht sein. Es ärgert mich aber, dass ich deshalb die Moni verpasst habe. Wie geht es ihr?«
»Sie hat den Unfall gut überstanden. Sie hat mit großem Appetit gefrühstückt. Mei, sie hat wirklich zugelangt. Das ist auch gut, so schmal, wie sie ist.«
»Magersüchtig? Oder vielleicht leidet sie an Bulimie? Ich habe neulich in der Zeitung darüber einen Artikel gelesen.«
Katja schüttelte den Kopf. »Nein, sie leidet an keiner der beiden Krankheiten. Sie hat nur Kummer. Wenn ich mir das Wenige, was sie erzählt hat zusammenreime, dann hat sie sich von einem Mann getrennt, mit dem sie zusammen war, diesem Arnold Lehmann. Auf den das Auto zugelassen ist. Sie muss völlig planlos davongelaufen sein. Sie hat keine Sachen dabei und sie hat nach der falschen Handtasche gegriffen. Das heißt im Klartext, sie hat keine Papiere dabei.«
»Verstehe, deshalb habe ich weder Führerschein noch Ausweis gefunden. Die Tasche war leer.«
»Bis auf eine Kreditkarte, die sie wohl irgendwann mal darin vergessen hatte«, ergänzte Katja.
Er rieb sich das Kinn. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand seine Kreditkarte in einer Handtasche lässt und sie dann vergisst.« Wolfi dachte, dass Moni im Auto ihres Exfreundes davongebraust war. Er hatte doch wissen müssen, dass sie es war. Da meldet man doch nicht gleich den Wagen als gestohlen! Außerdem müssen ihn die Kollegen befragt haben. Hat er angegeben, dass seine Freundin den Wagen gestohlen hat oder hat er eine Anzeige gegen Unbekannt gemacht? War das Erstere der Fall, dann war er wirklich ein schlimmer Typ. Im Klartext hieße das, er lässt nach ihr fahnden. Womöglich lag eine Diebstahlanzeige gegen Moni Stegmüller vor.
»Du bist so still, Wolfi?«
»Entschuldige, Katja, ich war in Gedanken bei der Arbeit. Ich muss noch einmal in die Dienststelle, obwohl Wochenende ist. Kannst du mich anrufen, wenn Moni zurück ist?«
»Das mache ich.«
Wolfi verabschiedete sich und ging.
Walli begegnete ihm im Hof. Sie grüßte ihn laut, aber er winkte nur kurz und ging weiter.
»Katja, was ist mit Wolfi los? Der bekam eben nicht die Zähne auseinander für einen Gruß.«
»Dafür kann es nur einen Grund geben. Es ist klein, zierlich, blond, hat wunderschöne Augen und heißt Moni.«
»Wirklich? Es ist kaum zu glauben, dass es jemand geschafft hat, Wolfi den Kopf zu verdrehen«, lachte die alte Walli.
Katja grinste. »Doch, doch, so scheint es zu sein. Jedenfalls benimmt sich Wolfi sehr eigenartig, seit er sie aus ihrem Auto gerettet hat.«
»Dann hat es ihn erwischt. Burschen benehmen sich oft eigenartig, wenn sie hinter einem Madl her sind. Da tun sie Sachen, von denen man nie angenommen hatte, dass sie dazu fähig seien.«
»Walli, das stimmt. Das musste ich auch gerade feststellen.« Dabei dachte sie an Gewolf Irminger. Martin hatte ihr erzählt, was in der Nacht passiert war. Wolfi hatte ihn gebeten, den Wagen, den Moni gefahren hatte, zurück zum Bruchweg zu fahren, wo er sie gefunden hatte. Der Wagen war als gestohlen gemeldet worden. Dabei hatten sie den Wagen erst Stunden vorher geholt und unterm Carport abgestellt. Dass ein verliebter Bursche sein Madl in Schutz nimmt, konnte Katja verstehen. Aber noch war Moni nicht Wolfis Madl. Tatsache war nur, dass Wolfis Gedanken ständig um Moni kreisten. Dass er aber seine Verpflichtung als Polizist hintenanstellte, wunderte sie sehr. Katja kannte sich zwar in den Feinheiten der Gesetze nicht aus, doch ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass sich Wolfi unter Umständen strafbar gemacht hatte und Martin auch. Martin würde man vielleicht nicht nachweisen können, dass er wusste, dass das teure Auto als gestohlen gemeldet war. Aber für Wolfi konnte es gefährlich werden. Wenn es hart auf hart kam, konnte es ihn seine Karriere bei der Polizei kosten.
»Du bist so schweigsam, Katja?«, bemerkte Walli.
Katja lächelte verlegen. »Entschuldige, ich war in Gedanken. Ich habe darüber nachgedacht, wie sehr sich ein Mensch verändern kann.«
»Du meinst, wenn er sich verliebt?«
»Mm«, brummte Katja, sie wollte lieber nicht ins Detail gehen.
»Menschen verändern sich immer. Und bei einem Burschen, der so lange Zeit schon vergeblich der Liebe nachgejagt war, kann ich mir gut vorstellen, dass die Liebe ihn sehr verändert, wenn sie ihm dann endlich begegnet.«
»Im Guten oder im Schlechten?«, fragte Katja. Der Gedanke war ihr über die Lippen gerutscht, ohne dass sie ihn hatte aussprechen wollen.
Die alte Walli sah sie erstaunt an und runzelte die Stirn. »Katja, du sprichst in Rätseln. Willst du nicht offen mit mir reden?«
»Walli, sei mir nicht böse! Nimm es bitte nicht persönlich! Ich möchte es nicht.«
»Warum? Hast du plötzlich Geheimnisse vor mir?«
»Jetzt hast dich doch geärgert.«
»Das habe ich nicht, Katja. Ich weiß aber, was ich weiß. Ich bin eine alte Frau, aber denken kann ich immer noch ganz gut. Mein Oberstübchen funktioniert wie ein Uhrwerk. Also, jetzt sage ich dir, was ich mir denke. Du musst dazu nix sagen. Ich denke, du willst nicht, dass ich in etwas hineingezogen werde, was unrecht ist. Und du hast Angst, man könnte Martin daraus einen Strick drehen.«
»So?«, gab sich Katja erstaunt.
»Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen, Madl!«, zischte die alte Walli. Wenn sie Katja Madl nannte, dann war sie ärgerlich.
Katja atmete tief durch. Sie schwieg verlegen.
»Dann sage ich es dir,« fuhr Walli fort. »Also, zuerst haben