es auch für die Richtung der Bewegungen in unseren Fuß- und Zehengelenken Fachausdrücke. So wird das Anheben des Fußes im oberen Sprunggelenk oder das Anheben der Zehen als Dorsalextension (kurz Extension) und die entsprechende Bewegung in Richtung Fußboden als Plantarflektion (kurz Flektion) bezeichnet. Die Dorsalextension kann auch mit Streckung und die Plantarflektion mit Beugung ins Deutsche übersetzt werden. Die Bewegungsarten Eversion und Inversion beschreiben die Aus- und Einwärtsbewegung beispielsweise der Ferse. Eng verwandt damit ist die Supination und die Pronation, also die Auswärts- und Einwärtsdrehung. Das Abspreizen eines Beines weg von der Körpermitte oder einer Zehe weg von der Nachbarzehe heißt im Fachjargon Abduktion, das Heranführen Adduktion. Nun haben Sie den Führerschein für die Navigation am Fuß und sind bestens gerüstet für die folgenden Kapitel über die verschiedenen Erkrankungen und Fehlstellungen des Fußes, ihre Ursachen, Mittel der Diagnosefindung und Behandlungsmöglichkeiten.
[25 a–b] Bezeichnungen für die Orientierung am Fuß
[26 a–b] Dorsalextension (links) und Plantarflektion (rechts) im oberen Sprunggelenk
[27 a–b] Dorsalextension (links) und Plantarflektion (rechts) der Zehen
[28 a–b] Inversion (links) und Eversion (rechts) der Ferse von hinten gesehen
[29 a–b] Supination (links) und Pronation (rechts) des Fußes
Scheuen Sie sich nicht, immer wieder zu diesem Kapitel zurückzukehren und nachzulesen. Es wird Ihr Verständnis für den Fuß und seine wunderbaren Funktionen verbessern, aber auch für seine Probleme und „Fehltritte“. Erst, wenn Sie die Funktionen des Fußes kennen, werden Sie mögliche Fehlfunktionen erfassen können.
Fußuntersuchung beim Spezialisten
Untersuchung mit System
Als Arzt mit dem Spezialgebiet Fuß und Sprunggelenk beschäftigt, habe ich mir ein recht festes Schema für die klinische Untersuchung dieser Körperregion zurechtgelegt. Der Begriff der „klinischen Untersuchung“ fasst dabei eine Reihe von Modulen zusammen. Diese einzelnen Bausteine werde ich im Folgenden näher erläutern. Ziel eines solchen systematischen Untersuchungsschemas ist es, nach Möglichkeit alle infrage kommenden und alternativen Diagnosen zu beachten. Dann ist das Risiko geringer, etwas zu übersehen.
In jedem Kapitel dieses Buchs erleichtert Ihnen meine standardisierte Vorgehensweise bei der Diagnosestellung außerdem die Orientierung: Ich beschreibe jede Fehlstellung und Erkrankung in der Reihenfolge, in der ich auch meine Untersuchungs- und schließlich Behandlungsschritte vornehmen würde.
Die klinische Untersuchung
Zwar kann der Ablauf einer Untersuchung von Fußspezialist zu Fußspezialist variieren. Die hier beschriebenen, grundlegenden Untersuchungsmodule sollten beim ersten Kontakt des Arztes mit einem Patienten, der Probleme am Fuß oder Sprunggelenk hat, jedoch stets enthalten sein.
Auch bei Patienten, die wegen ihrer Fußbeschwerden schon bei anderen Ärzten untersucht oder behandelt wurden, behalte ich dieses standardisierte Vorgehen bei. Das gilt auch, wenn diese Patienten sprichwörtlich mehrere Plastiktüten mit Arztbriefen, Operationsberichten, Röntgenbildern, Kernspintomographien und Computertomographien in die Sprechstunde mitbringen. Ich versuche mich zunächst nicht von den vorgelegten Aufnahmen und Berichten beeinflussen zu lassen, ganz so, als wäre ich der erste Untersucher der beschriebenen Beschwerden. Meine Verdachtsdiagnose ergänze und überprüfe ich dann anhand der mitgebrachten Arztbriefe und Bilder.
MODULE DER KLINISCHEN UNTERSUCHUNG AN FUSS UND SPRUNGGELENK | |
Anamnese | Erhebung der Krankheitsvorgeschichte |
Inspektion | Betrachtung der Füße im Stand, beim Gehen und im Liegen |
Palpation | Untersuchung der Füße von Hand, Abtasten |
Gelenkfunktionsprüfung | Durchbewegen der Fuß- und Sprunggelenke im Seitenvergleich |
Nervenfunktionsprüfung | Orientierende Untersuchung der Empfindsamkeit und der Muskelkraft |
Spezifische Tests | Spezielle Untersuchungstechniken je nach Fragestellung oder Verdachtsdiagnose |
[30] Die Phasen des Gangzyklus
Anamnese
Bei der Anamnese erfragt der Arzt die Vorgeschichte der Beschwerden, die den Patienten in die Sprechstunde führen. Ich nenne das auch gerne die Untersuchung mit den Ohren. Ich glaube, dass es entscheidend ist, zunächst sehr aufmerksam zuzuhören. Dabei vermeide ich es in der Regel, die Patienten in ihren Schilderungen zu unterbrechen. Erst später hake ich gezielt mit Fragen nach. Dabei habe ich auch Probleme im Blick, die vielleicht nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Füßen liegen. Beispielsweise halte ich es für unerlässlich, nach Wirbelsäulenproblemen oder einem Diabetes mellitus zu fragen, wenn der Patient von Gefühlsstörungen in den Füßen berichtet. Sind die Nervenstörungen einseitig oder an beiden Füßen? Nehmen sie unter Belastung oder in Ruhe zu? Oft entsteht allein dadurch, dass der Patient die Beschwerden und ihre Entstehung mündlich schildert, schon eine erste Arbeitsdiagnose in meinem Kopf. Ich entwickele eine Art „Idee“ des Problems, mit dem der Patient zu mir kommt, die sich durch die anschließende Untersuchung entweder bestätigen oder widerlegen lässt.
Inspektion und Ganganalyse
Nach der Anamnese nehme ich immer zunächst die Untersuchung mit den Augen vor, die sogenannte Inspektion. Für eine vollständige Untersuchung von Fuß und Sprunggelenk ist es meiner Einschätzung nach immens wichtig, dass die Patienten beide Füße freimachen und entweder die Hosenbeine über das Kniegelenk krempeln oder noch besser die Hose ganz ausziehen. Eine Untersuchung, bei der nur der „Problemfuß“ mit den Beschwerden entkleidet wird, birgt das Risiko einer Fehlbeurteilung in sich. Eine dünne linke Wade kann isoliert betrachtet beispielsweise durchaus zum Typus eines sehr schlanken Patienten gehören. Ist die Unterschenkelmuskulatur auf der rechten Seite aber deutlich besser ausgeprägt, liegt dem vielleicht eine Nerven- oder Muskelerkrankung am linken Bein zugrunde. Ebenso irreführend kann es sein, wenn der Patient auf der beschwerdefreien Seite sogar noch den Schuh anbehalten darf. Dann erscheint das Bein um die Stärke der Sohle beziehungsweise die Absatzhöhe länger. Zudem nutze ich die einleitende