Marisa Frank

Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman


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klug war. Wenn er nur daran dachte, wie sie sich für seine Blumen interessierte, besonders für seine Lieblinge – die Rosen! Wie geschickt sie war und mit wieviel Geschmack sie es verstand, die Sträuße und Tischdekorationen zu binden und zu stecken. Beinahe besser noch als er. Natürlich durfte ihre Mutter nichts davon erfahren, daß er sie in Blumenbinden und Floristik im Allgemeinen unterwies. Ihr lag offensichtlich daran, sie als geistig behindert hinzustellen – genau wie diesem widerlichen Kerl, der sich nicht geschämt hat, seine eigenen, mißratenen Kinder zur Hochzeit einzuladen und Angelina wegzuschicken. Bestimmt ging es um Geld.

      Wahrscheinlich war etwas im Testament des verstorbenen Grafen, das ihnen nicht behagte. Arme Komteß! So, wie man sie vor aller Welt absonderte und ausrichtete, würde ihr niemand zur Seite stehen.

      Damit hatte Buchner recht. Sogar jene, die an Roswitha, jetzige Baronin Herrenberg, eine Menge auszusetzen hatten, kamen nicht auf den Gedanken, daß sie ihr eigen Fleisch und Blut als geistig behindert hinstellen könnte, wenn es nicht wirklich zutraf.

      »Ein Glück, daß der arme Robert das nicht mehr miterlebt hat, daß sein einziges Kind – hm – krank ist«, pflegten sie zu sagen und hatten vollstes Verständnis dafür, daß Roswitha den Betrieb aus Sorge um sein Weiterbestehen mit Hilfe des schlauen Rüdiger Herrenberg selbst verwalten wollte.

      Es war noch etwas vorgefallen, was die sich so einigen Neuvermählten darin bestärkte, daß man Angelina auf keinen Fall in die Gesellschaft einführen sollte. Etwas, wovon Buchner nichts ahnte.

      Zurück aus dem Internat hatte sie ihrer Mutter, in der Hoffnung, ihr damit eine Freude zu machen und vielleicht zu erreichen, daß sie es sich doch noch anders überlegte, ihr hervorragendes Zeugnis vorgelegt und das Buch gezeigt, das sie als Preis erhalten hatte.

      Ihre Mutter hatte mit angewidertem Gesicht ihr beides aus der Hand genommen und an den neben ihr am Frühstückstisch sitzenden Baron weitergereicht – Angelina aß allein auf ihrem Zimmer –. Der Baron war etwas beherrschter und vielleicht auch klüger.

      »Sehr schön«, sagte er, »wirklich sehr schön, dieses Zeugnis.«

      »Danke«, sagte Angelina leise, und da nichts weiter kam, keine Aufforderung, sich zu ihnen zu setzen, nahm sie Zeugnis und Buch und verließ das Zimmer.

      Eine Weile schwiegen die beiden, dann meinte Herrenberg:

      »Du mußt dich ein wenig zusammennehmen, meine Schöne.« Roswitha verzog verärgert das Gesicht. »Doch, doch! Ich fürchte nämlich, daß wir in einem Gerichtsverfahren Angelina keineswegs als geistig behindert hinstellen können.« Und als sie auffahren wollte: »Nein, nein, meine Liebe, wir müssen es anders machen. Sozusagen mit ihr im Guten auseinandergehen.«

      »Und wie soll das geschehen?« Roswitha konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß jemand freiwillig auf solche Reichtümer verzichtete.

      »Inwieweit ist denn Angelina überhaupt eingeweiht, was die Höhe des Vermögens betrifft? Weiß sie überhaupt, daß außer dem Schloß und dem Gutsbetrieb noch anderer Besitz vorhanden ist?«

      Roswithas Augen leuchteten auf.

      »Ich glaube nicht. Aber das wäre herauszubringen. Oh, das ist eine großartige Sache. Dann erzählen wir ihr, wie schlecht die Landwirtschaft dasteht – davon hat sie sicher schon gehört –, und daß wir den Betrieb samt dem Schloß verkaufen müssen, wenn nicht alles in erfahrene Hände kommt. Worüber ihr Vater sehr unglücklich wäre.« Sie lachte, erleichtert, endlich d i e Lösung gefunden zu haben.

      »Und wir können uns leisten, den Besitz zu erhalten, weil ich, wenn meine Kinder als Erben eingesetzt werden, großzügig mein Vermögen hineinstecke«, setzte Herrenberg noch drauf. Als er das mißtrauische Gesicht und Schweigen seiner Frau bemerkte, lachte er: »Keine Sorge, meine Schöne, du bleibst Eigentümerin. Nur als Nacherben.«

      »Ich verstehe.« Roswitha atmete auf, war aber doch entschlossen, sich noch anderweitig beraten zu lassen, bevor sie irgend etwas unterschrieb.

      Da Angelina, um verzichten zu können, erst volljährig sein mußte, bereitete Herrenberg zwar alles vor, sprach mit seiner Stieftochter allerdings nicht darüber. Er und Roswitha sorgten nur dafür, daß sie so gut wie mit niemandem zusammenkam. Nachdem man überall verbreitet hatte, daß die arme Tochter des armen Robert nicht normal sei, wurde sie auch nicht mehr zu den Festen eingeladen, die der Adel für seine Kinder zu geben pflegte.

      Angelina vermutete, daß dies wegen ihres Gebrechens wäre, weil sie eben ein häßlicher Krüppel war. Und sie zog sich freiwillig noch mehr zurück und wurde immer schüchterner und unsicherer. Der einzige Mensch, bei dem sie ihre Hemmungen vergaß, war der alte Gärtner.

      Buchner freute sich über ihre Besuche und forderte sie auf, so oft zu kommen, wie sie nur Zeit habe. Angelina hatte sehr viel Zeit, da ihre Mutter sie auf keine Schule schickte und einfach sich selbst überließ. Sie arbeitete zwar weiter an ihren Sprachkenntnissen, indem sie fremdsprachige Bücher las, aber welcher junge Mensch mochte schon immer lesen?

      Das Reiten war ihr von ihrer Mutter untersagt worden, als zu gefährlich. So blieb ihr an körperlicher Ertüchtigung nur das Schwimmen im Pool, der sich im rückwärtigen Teil des Parks befand – vorausgesetzt, das Wetter war schön und niemand sonst hatte Interesse.

      Manchmal glaubte Angelina, sie träume, denn es konnte doch einfach nicht wahr sein, daß es niemanden auf der ganzen Welt gab, der sie liebhatte oder wenigstens akzeptierte – Herrn Buchner ausgenommen.

      Aber so gern sie den alten Mann mochte, er war kein Ersatz für Vater und Mutter. Sie hatte auch immer irgendwie das Empfinden, ihm nicht alles anvertrauen zu können. Nicht, weil er darüber reden würde, sondern weil sie nicht wollte, daß auf ihren geliebten toten Vater auch nur der leiseste Schatten fiel. Und vielleicht auch, weil sie Angst hatte, er könnte ihr etwas sagen, was sie lieber gar nicht wußte.

      So sprach sie mit ihm nur über seine Blumen und lernte begierig alles, was man für ihre Pflege wissen mußte. Besonders interessierte sie sich natürlich für die Rosen, die Buchner so sehr liebte.

      *

      Kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag riefen Roswitha und Rüdiger Herrenberg Angelina zu sich in das ehemalige Arbeitszimmer ihres Vaters, in welchem nun der Baron thronte. Es tat Angelina weh zu sehen, wie er in dem Sessel ihres Vaters saß, und sie senkte den Blick, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen.

      »Mein liebes Kind«, begann ihre Mutter, und Angelina sah erschrocken auf. So hatte sie sie noch nie genannt. Die Baronin lächelte verkrampft. »Du bist nun bald volljährig, und deshalb wollen wir dich in alles Geschäftliche einweihen.«

      »Ich verstehe nichts davon«, murmelte Angelina.

      »Nun, was du nicht verstehst, werden wir dir gerne erklären«, sagte Herrenberg mit falscher Freundlichkeit. »Ich habe hier alle Unterlagen vorbereitet.«

      Angelina nickte nur.

      »Dein armer Vater hat in seinem Testament festgelegt, daß, wenn du eine landwirtschaftliche Ausbildung abgeschlossen hast, du hier alles übernehmen sollst. Er wollte nicht wahrhaben, daß du leider – verhindert bist, ein körperlich so anstrengendes Studium zu absolvieren.« Angelina wollte etwas sagen, doch Herrenberg bat sie, ihm zuzuhören, dann könne sie sich gerne dazu äußern. »Leider hat dein Vater auch nicht übersehen, wie schlecht die Landwirtschaft dasteht. Wahrscheinlich wollte er es einfach nicht wahrhaben.« Herrenberg seufzte, um sein Verständnis für die Lage des verstorbenen Grafen auszudrücken. Er schob Angelina einige Unterlagen zu. »Bitte, schau es dir selbst an. Die Einkünfte aus der Landwirtschaft decken bei weitem nicht die Unkosten des Betriebes: Löhne, Anschaffung neuer Maschinen und die Erhaltung des Schlosses deiner Vorfahren.«

      »Mein Gott, ich ahnte nichts davon«, stieß Angelina entsetzt hervor. »Was kann man denn nur tun?«

      Ihre Mutter und ihr Stiefvater wechselten einen zufriedenen Blick.

      Ausgezeichnet! Sie wußte offensichtlich nichts von dem großen Waldbesitz und den lukrativen Industriebeteiligungen, die das aufwendige Leben trotz der negativen Lage der Land-