Julia Moira Radtke

Sich einen Namen machen


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wird hier nicht angezeigt, weil dieser Bezug für die Referenzweise der Namen nicht relevant ist (NÜBLING ET AL. 2015: 88). NÜBLING ET AL. formulieren dazu treffend:

      Solche Bezüge brauchen bzw. sollen nicht im FamN aktualisiert werden – im Gegenteil: Durch all diese onymischen Sonderschreibungen vermeidet der Name solch eine falsche, ja irreführende Verbindung. Er macht sich ausdrucksseitig onymischer und distanziert sich vom APP[ellativ]. (2015: 88)

      So gibt es im Deutschen häufiger die Familiennamen <Becker> als <Bäcker>, <Haase> als <Hase> und <Schumacher> als <Schuhmacher>. Wie gängig Abweichungen von der orthographischen Norm bei deutschen Familiennamen sind, belegt auch das Beispiel <Weißbrot>, für das sich laut Telekomdatenbank 2005 lediglich 24 Telefonanschlüsse finden, demgegenüber 448 Anschlüsse für <Weisbrod>, 221 für <Weißbrodt>, 124 für <Weisbrodt> etc. (NÜBLING ET AL. 2015: 87).

      Auch bei der Graphotaktik, die auch als Graphemsyntax bezeichnet wird, lassen sich Unterschiede zwischen Name und Appellativ erkennen: Für das Deutsche allgemeingültige Regeln der Graphotaktik sind bei Namen außer Kraft gesetzt. So kommt es, dass Graphemkombinationen wie in Bismarck und Roth, bei denen <r> und <ck> sowie <t> und <h> gemeinsam im Silbenendrand erscheinen, zwar orthographisch unzulässig sind, solche Kombinationen jedoch regelmäßig in Namen auftreten (NÜBLING ET AL. 2015: 88, NÜBLING 2005: 34).

      Namen verhalten sich auch anders in Bezug auf die Graphem-Phonem-Korrespondenzen (NÜBLING ET AL. 2015: 88f., NÜBLING 2005: 33f.). NÜBLING schreibt dazu, dass im Deutschen generell „relativ eindeutige Lese- (Graphem-Phonem-Korrespondenzen), aber mehrfache Schreibregeln (Phonem-Graphem-Korrespondenzen)“ bestehen, sodass etwa ein Phonem wie [i:] in vierfacher Weise verschriftet werden kann (2005: 33).5 In einem Wort wie Bibel wird [i:] als <i> geschrieben, in Lied als <ie>, in sieht als <ieh> und in ihr als <ih> (NÜBLING 2005: 33). Es sei daher nicht verwunderlich, „dass bei der EN-Schreibung die Phonem-Graphem-Korrespondenzen noch stärker strapaziert werden“ (NÜBLING 2005: 33). Viele Namen werden anders ausgesprochen, als es die Graphem-Phonem-Korrespondenzen nahelegen. Beispiele für dieses Phänomen finden sich im Bereich der Familiennamen: Namen wie <Schmid> und <Hofmann> werden entgegen ihrer Schreibung als [ʃmɪt] und [hɔfman] ausgesprochen (NÜBLING ET AL. 2015: 88f.). In Ortsnamen – insbesondere am Niederrhein und in Westfalen – erscheint zudem häufiger das stumme Vokalgraphem <e>, das in dialektalen Bezeichnungen die Vokallänge kennzeichnet und im Namen konserviert wurde (NÜBLING ET AL. 2015: 89). In Namen wie Buisdorf, Soest, Coesfeld (Westfalen) und Straelen (Niederrhein) werden die <e>-Grapheme daher nicht artikuliert, der vorangehende Vokal wird dafür lang gesprochen ([ˈbuːsdɔʁf], [zo:st], [ˈkoːsfɛlt], [ˈʃtʁɑ:lən]).

      Ein Verfahren, das in vielen Sprachen verwendet wird, um Namen von anderen Wortarten abzugrenzen, ist die onymische Großschreibung.6 Auch im Deutschen werden Namen und einige deonymische Adjektive wie Kölner in Kölner Dom großgeschrieben (NÜBLING ET AL. 2015: 89). Deonymische Adjektive mit dem Suffix -sch- wie in grimmsche Märchen können mittlerweile auch kleingeschrieben werden. In anderen Sprachen, z.B. im Engl., Frz., Span. und Poln., in denen mit Ausnahme der Namen alle anderen Substantive kleingeschrieben werden, fungiert die Namengroßschreibung als wichtiger onymischer Marker. Im Deutschen ist sie jedoch aufgrund der Großschreibung jeglicher Substantive weniger wirkungsvoll (NÜBLING 2005: 32), HARWEG spricht sogar davon, die onymische Markierung durch Großschreibung sei „[f]ast völlig außer Kraft gesetzt oder besser: von vorneherein unmöglich gemacht“ (1999: 202). Dass in einer Sprache, die Klein- und Großschreibung aufweist, die Großschreibung in einem so geringen Maß als onymischer Marker genutzt wird, stellt nach HARWEG „weltweit eine absolute Ausnahme“ dar (1999: 204). NÜBLING vermutet, dass „das Deutsche genau wegen dieser mangelnden Kontrastwirkung der EN-Großschreibung so stark auf andere graphische Abweichungen“ setzt (2005: 33).

      Schließlich kann auch auf den „besonderen Gebrauch von Syngraphemen“, zu denen Apostroph und Bindestrich zählen, hingewiesen werden (NÜBLING ET AL. 2015: 90, Hervorh. i.O.). Der Apostroph findet sich häufig in Namen wie Andrea’s Büdchen, um das Genitiv-Flexiv –s vom Namenkörper abzugrenzen. Weil der Apostroph so häufig in ebendieser Funktion verwendet wurde, wird diese Nutzung mittlerweile vom amtlichen Regelwerk akzeptiert (NÜBLING ET AL. 2015: 90f.). Ursprünglich zeigte der Apostroph die Auslassung eines Lautes an, er wurde allerdings zu einem „morphographischen Grenzsignal“ umgedeutet, „das den graphischen EN-Körper von nicht-onymischem Material […] abhebt, ihn damit schont und seiner sofortigen Erfassung dient“ (NÜBLING ET AL. 2015: 91). Im Fall von Andrea’s Büdchen ist der Namenkörper Andrea für den Leser deutlicher erkennbar und es kann zu keiner Verwechslung mit der männlichen Variante Andreas kommen.7 Auf die „Schonung, Abgrenzung und Konstanthaltung des Namenkörpers“ zielt auch die zunehmende Nutzung von Bindestrichen ab, die sich bei Komposita mit einem onymischen Bestandteil findet (NÜBLING ET AL. 2015: 92, Hervorh. i.O.). Anhand eines Kompositums wie Erdoğan-Besuch lässt sich der Nutzen der Bindestrichschreibung sehr gut erkennen. Insbesondere Komposita mit Namen, die nicht-native phonologische und graphematische Strukturen aufweisen, profitieren von einer Bindestrichschreibung, weil so der Namenkörper möglichst unangetastet bleibt und die Wortgrenze deutlich markiert ist.

      3.4.3 Graphische Markierung der Namen

      Die onymische Markierung kann auch auf graphischer Ebene erfolgen, d.h., dass Namen – insbesondere, wenn sie syntaktisch integriert sind – durch verschiedene graphische bzw. visuelle Mittel vom restlichen Text abgesetzt werden. Voraussetzung für das Wirksamwerden dieser Mittel ist allerdings eine Realisierung der Namen im Medium der Schrift. KALVERKÄMPER formuliert dazu 1978 folgende Ausgangsbeobachtung:

      Nicht nur das Sprachsystem selbst kann die Determination auf propriale Kommunikationsfunktion eines Sprachzeichens erbringen; es stehen auch Signale außerhalb des Sprachsystems zur Verfügung, die entweder allein oder gemeinschaftlich mit der Sprache die Festlegung eines Sprachzeichens als Proprium übernehmen. (1978: 309f.)

      Er spricht dabei von einer „Transposition“ (KALVERKÄMPER 1978: 312), die die Graphie leistet, indem sie ein Wort in die Substantivklasse der Namen überführt.1 Mit den Strategien der graphischen Auszeichnung von Namen haben sich bisher allerdings nur einige wenige Autoren beschäftigt, was erstaunlich ist, weil viele Zeitungen und Magazine bei Namen von speziellen Auszeichnungstechniken Gebrauch machen.2 Ein Aufsatz, der gezielt die Kennzeichnung von Namen durch graphische Mittel thematisiert, stammt von TIPPE, der diesbezüglich auch von der „Leistung graphischer Elemente“ spricht (1995: 349). Den Beobachtungen von KALVERKÄMPER (1978) und TIPPE (1995) folgend, wird diese Möglichkeit der onymischen Markierung im Folgenden als graphische Markierung bezeichnet.

      Die onymische Markierung durch graphische Mittel ist für einige Namenklassen weniger relevant als für andere. Bei Ruf- und Familiennamen sowie geographischen Namen ergeben sich kaum Abgrenzungsprobleme, weil die Differenzierung in der Regel bereits auf verschiedenen sprachlichen Ebenen und insbesondere auf graphematischer Ebene geleistet wird. Das zeigt sich auch daran, dass diese Namen in Texten, z.B. in Zeitungsberichten, selten durch Kursivschreibung, Fettschreibung etc. hervorgehoben werden. Schwieriger ist die Unterscheidbarkeit hingegen bei voll-transparenten – KALVERKÄMPER spricht auch von „appellativ-homophon[en]“ – Namen (1978: 317). Diese finden sich nach NÜBLING ET AL. bei einer Sortierung der Namen anhand ihrer Individualität und Belebtheit insbesondere in den „unteren Klassen“, also den Namen mit einem geringen Individualitäts- und Belebtheitsgrad (2015: 105).3 Namenklassen wie Ergonyme (z.B. Warennamen, Unternehmensnamen, Institutionsnamen), Praxonyme (z.B. Kriegsnamen, Revolutionsnamen und Veranstaltungsnamen) sowie Phänonyme (z.B. Namen von Großbränden, Hoch- bzw. Tiefdruckgebieten, Wirbelstürmen und Sturmfluten) weisen demzufolge oft „nicht-onymische […] Bausteine“ wie Appellative, Adjektive und Präpositionen auf und sind demzufolge anfälliger für Verwechslungen (NÜBLING ET AL. 2015: 105).

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