Julia Moira Radtke

Sich einen Namen machen


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Bedeutungskomponenten wie männlich (FLEISCHER 1992: 12).8 An diese Argumentation knüpft auch DEBUS an, der feststellt, dass ein Name auch in der Langue „keine Leerform, kein bloßes Lautetikett“ ist, sondern bestimmte grammatische und semantische Informationen enthält (2012: 43). Der „Kategorial-Grammatische […] Wert“ eines Namens bezieht sich auf die grammatischen Eigenschaften des Namens wie etwa die Wortart sowie Kasus, Numerus und Genus (DEBUS 2012: 46f.). Der „Kategorial-Semantische […] Wert“ eines Namens macht es DEBUS zufolge hingegen möglich, sie in Kategorien wie heimisch/fremd, regional/überregional und sympathisch/unsympathisch einzuordnen (2012: 47).9 Diese Zuordnungsmöglichkeiten entsprechen nicht den Semen der Appellative, aber sie

      bilden sozusagen die semantische Grundausstattung des trägerunabhängigen Namens und bestimmen jeweils mehr oder weniger ausgeprägt das Konnotat eines Namens bzw., bildlich ausgedrückt, sein Gesicht bzw. Profil […]. (DEBUS 2012: 47f.)

      Bisher gibt es allerdings kaum empirische Untersuchungen, in denen dieser kategorial-semantische Wert von Namen untersucht wird. Eine Ausnahme bildet die sozialpsychologische Studie von RUDOLPH ET AL. zum Thema Wahrnehmung von Rufnamen (2007). Die Autoren stellen dabei fest, dass kategoriale Informationen zu Intelligenz, Religiösität und Attraktivität des Namenträgers aufgrund eines bestimmten Mechanismus gebildet werden. Wenn die knapp 150 Probanden, die an dieser Studie teilnahmen, einen Rufnamen hörten oder lasen, nahmen sie zunächst eine Alterseinschätzung des imaginären Referenzobjektes vor (RUDOLPH ET AL. 2007: 24). Basierend auf dieser Alterseinschätzung wurde dann die Attraktivität einer Person mit ebendiesem Rufnamen eingeschätzt. Dabei gelte, dass „[j]e jünger eine Person mit einem bestimmten Namen wahrgenommen wird, umso attraktiver wird diese eingeschätzt“ (RUDOLPH ET AL. 2007: 24). Mit der Einschätzung der Attraktivität war auch die Einschätzung der Intelligenz verknüpft, denn „[j]e attraktiver eine Person mit einem bestimmten Namen wahrgenommen wird, umso intelligenter wird sie eingeschätzt“ (RUDOLPH ET AL. 2007: 24).10 Dieses Modell muss sicherlich in weiteren Studien überprüft werden. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass diese Ergebnisse sich nur auf einen Kontext beziehen, in dem den Probanden ausschließlich der Rufname vorgelegt wurde.11 Trotzdem liefern die Autoren mit ihrem Experiment erste Erkenntnisse dazu, wie überindividuelle kategorische Bedeutungen bei Rufnamen gebildet werden.12

      Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei einer Betrachtung der Namenbedeutung explizit gemacht werden muss, welcher Aspekt von Bedeutung (etymologische, lexikalische oder konnotativ-assoziative) thematisiert wird. Für Namen gilt, dass sie auf ein Referenzobjekt verweisen, ohne dabei eine lexikalische Bedeutung zu aktivieren (NÜBLING ET AL. 2015, DEBUS 2012, LEYS 1979). Eine etymologische Bedeutung kann bei den meisten Namen aufgedeckt werden, weil sie in der Regel aus Appellativen entstanden sind. Des Weiteren können Namen mit individuellen oder überindividuellen Konnotationen aufgeladen sein, die typischerweise auf Erfahrungen beruhen.

      Diese Konnotationen werden in der onomastischen Literatur unterschiedlich bewertet. Bei einem weiten Bedeutungsbegriff werden Konnotationen als Bestandteile der Gesamtbedeutung gesehen. Diese Haltung vertritt beispielsweise OELKERS, wenn sie sagt, dass die Abwesenheit einer lexikalischen Bedeutung nicht so zu deuten ist, „dass bei Eigennamen überhaupt keine überindividuellen semantischen Komponenten abstrahierbar sind“ (2003: 28f.). Auch DEBUS wertet die „Namenbedeutsamkeit“ als Bestandteil der Gesamtbedeutung (2012: 48).13 LEYS positioniert sich entgegengesetzt: Er stimmt zu, dass der Name systematische Konnotationen enthalten kann, betont jedoch, dass „[d]iese Information […] auf linguistischer Seite niemals ein inhärentes Bedeutungsmerkmal des Eigennamens“ darstellt (1979: 72, Hervorh. i.O.). Ähnlich positioniert sich auch KALVERKÄMPER, der Konnotationen nicht zum semantischen Inhalt zählt (1978: 89). Es lässt sich also festhalten, dass Konnotationen innerhalb eines engen Bedeutungsbegriffs oftmals nicht inkludiert werden, sie bei einem weiten Verständnis von Bedeutung jedoch als Bedeutungskomponente erfasst werden können.

      Wie noch zu zeigen ist, kann insbesondere eine Beschreibung der Graffitinamen davon profitieren, den Bedeutungsbegriff weiter zu fassen. Zwar soll an dieser Stelle nicht dafür plädiert werden, Namen generell eine Bedeutung zuzuschreiben und damit Termini wie Referenz, lexikalische Bedeutung, Konnotation etc., die hier dezidiert auseinandergehalten worden sind, wieder zu vermischen. Allerdings ergeben sich gerade bei den Graffitinamen Bedeutungen, etwa solche, die sich aus der Schriftbildlichkeit ergeben, die mit einem engen Bedeutungsbegriff kaum zu erfassen sind. Es ist daher ratsam, die verschiedenen Bedeutungsebenen zwar auseinanderzuhalten, bei Namen jedoch insgesamt von einer komplexen Bedeutungsseite auszugehen, die weitaus mehr umfassen kann, als Bedeutungsmerkmale im Sinne einer lexikalischen Semantik.

      3.4 Ebenen onymischer Markierung

      „Sonnenschutz für den Großen Hund“ ist der Titel eines Beitrags, den die Max-Planck-Gesellschaft im Jahr 2013 auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat. Zunächst ist der Leser beim Lesen dieses Titels möglicherweise irritiert, es wird jedoch schnell klar, dass die NP „den Großen Hund“ hier onymisch und nicht appellativ zu verstehen ist. Was dieses Beispiel zeigt, ist, dass es bei den Inventaren von Name und Appellativ durchaus Übereinstimmungen gibt und dass dem Leser prinzipiell „auf irgendeine Weise unmissverständlich signalisiert werden muss, wie er ein Substantiv zu interpretieren hat“ (NÜBLING 2005: 27). Im hier vorliegenden Beispiel ist es die Großschreibung des Adjektivs, die den onymischen Status der NP eindeutig kennzeichnet. Allerdings wird die „Namenhaftigkeit“ von sprachlichen Einheiten neben der Großschreibung auch durch weitere Merkmale markiert. Diese können mit NÜBLING als „Eigennamenmarker“ (2005: 25) oder als „onymische […] Indikatoren“ (2005: 28) bezeichnet werden.

      Für die vorliegende Arbeit sind derartige Strategien, mit denen Formen als onymisch gekennzeichnet werden, hoch relevant. Denn auch bei den Graffitinamen gilt es zu klären, wie die Auszeichnung als Name erfolgt bzw. auf welchen sprachlichen Ebenen diese Kennzeichnung stattfindet. Der Einsatz von Onymizitätsmarkern ist dabei von zentraler Bedeutung, weil bei den Namen im Graffiti – wie im empirischen Teil dieser Arbeit noch zu zeigen ist – in der Regel kein syntaktischer Kontext gegeben ist, der Hinweise darauf liefern könnte, wie ein Substantiv zu interpretieren ist. Die Graffitinamen müssen sich demnach aus sich selbst heraus als solche zu erkennen geben. In den folgenden Abschnitten wird erläutert, wie die onymische Kennzeichnung in anderen Namenarten bzw. Namenklassen (z.B. Ruf- und Familiennamen, Ortsnamen) erfolgt. Dazu werden zunächst die besonderen grammatischen Eigenschaften von Namen, d.h. die grammatischen Indikatoren, in den Blick genommen. Die graphematischen Indikatoren finden sich – wegen der zentralen Bedeutung der Graphematik für die onymische Markierung – in einem gesonderten Abschnitt. Abschließend wird in 3.4.3 auch darauf eingegangen, welche Möglichkeiten der graphischen Kennzeichnung von Namen bestehen.

      3.4.1 Grammatische Markierung der Namen

      Im oben genannten Beispiel „Sonnenschutz für den Großen Hund“ ist die NP durch die Großschreibung des Adjektivs relativ eindeutig als Name identifizierbar. In anderen Fällen ist der Status einer NP bzw. eines Substantivs jedoch nicht so einfach erkennbar. So werden etwa Substantive wie Schneider, Fischer und Müller als Berufsbezeichnung, aber auch als Familiennamen genutzt. Namen wie Paradies (Stadtteil in Konstanz am Bodensee), Feierabend (Gemeinde im Kreis Dithmarschen, Schleswig-Holstein) und Sommerloch (Gemeinde im Landkreis Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz) zeigen, dass auch bei einigen Siedlungsnamen Verwechslungsgefahr besteht.1 Wie eine Suche bei dasoertliche.de zeigt, gibt es nicht nur Überschneidungen von Namen und Appellativen, sondern auch von Namen und anderen Wortarten: Beispielhaft können hier die Adjektive klein, rot und dünn sowie die Adverbien freitags, bald und warum genannt werden, die auch als Familiennamen existieren.2

      Eine trennscharfe Linie zwischen Name und Appellativ ist in vielen Fällen jedoch kaum zu ziehen; zu denken sei hier beispielsweise an Monosemantika wie Mond, Sonne, Himmel, Hölle und Paradies, die zwar monoreferent sind, dafür allerdings klare semantische Merkmale aufweisen (NÜBLING ET AL. 2015: 35). FLEISCHER ist daher zuzustimmen, wenn er „von einem Spannungsverhältnis zwischen zwei Polen“ spricht, bei dem die Unterschiede