Barry Hutchison

Beakys (Lügen-)Tagebuch


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      „Montag? Die bleiben wirklich bis Montag?“

      „Natürlich nicht“, sagte Mom.

      Dad schien sich ein wenig zu entspannen, doch das nur kurz.

      „Sie bleiben bis Dienstag.“

      „WAS?“, stöhnte Dad.

      Mom grinste. „Spaß! Sie fahren Sonntag wieder heim.“

      Dad setzte sich wieder auf seinen Stuhl und rutschte nervös hin und her. Er schaute auf den Rest der Wurst und schob den Teller beiseite. Ich wusste, wie er sich fühlte. Elend. Tante Jas’ Besuch bedeutete, dass ich mich von Xbox und Chips mit Theo verabschieden konnte.

      „Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm“, sagte Dad. „Sind ja nur paar Tage.“

      „Das ist die richtige Einstellung“, meinte Mom, war aber irgendwie genauso bleich im Gesicht wie Dad. „Und wer weiß? Vielleicht haben wir sogar Spaß“, fügte sie hinzu.

      „Spaß?“, stotterte Dad. Er zwang sich zu einem Lächeln. „Ich meine … Spaß … ja gut, Spaß. Vielleicht hast du recht.“

      Wie sich herausstellen sollte, lagen sie komplett daneben.

      Wir hatten die Teller vom Abendessen weggeräumt und schleckten genüsslich unser Eis mit Schokolade, als es an der Tür klingelte. Destructo sprang auf und bellte sich die Seele aus dem Leib. Dad schaute Mom an und verzog seine Mundwinkel zu einem mageren Lächeln.

      „Los geht’s.“

      „Los geht’s“, sagte Mom, fasste zu ihm rüber und drückte seine Hand.

      Es klingelte erneut. Destructo bellte noch lauter. „Wir sollten sie besser reinlassen“, sagte Mom.

      Keiner bewegte sich.

      „Ja“, stimmte Dad zu.

      Aber noch immer bewegte sich niemand.

      Dann klingelte es ein drittes Mal. Destructo bellte und bellte, nur dass er uns jetzt schief von der Seite ansah, als wäre er besorgt, wir seien plötzlich alle taub geworden. Die Spannung war nicht auszuhalten, und bevor es ein viertes Mal klingeln konnte, sprang ich hoch.

      „Ich mach dann mal auf, in Ordnung?“, fragte ich in die Runde und ging zur Tür. In der Sekunde, als ich den Knauf umdrehte, drückte Tante Jas bereits so doll gegen die Tür, dass sie mich fast erschlagen hätte.

      Sie klang wie eine Zauberin, der gerade ein echt genialer Trick gelungen war. „Wir sind daaahaaaa!“

      Nun flippte Destructo komplett aus. Wie ein Irrer drehte er sich im Kreis und bellte und jaulte dabei. Tante Jas beobachtete ihn vorsichtig, während sie ihre Arme nach mir ausstreckte. „Oh, wie groß du geworden bist!“, stellte sie fest, und ihre glänzenden, roten Lippen formten sich bereits zum Kussmund.

      „Das würde ich nicht tun“, warnte ich sie. „Ich habe den Braunen Tod.“

      Jas zuckte zurück. „Der Braune Tod? Was soll das denn sein?“

      „Der ist wie der Schwarze Tod, nur nicht ganz so schlimm“, erklärte ich. „Ich würde bisschen Abstand halten, wenn ich du wäre.“

      Stirnrunzelnd schaute Jas zu Mom rüber. „Meint er das ernst?“

      Mom schüttelte den Kopf. „Nein.“

      Jetzt strahlte Jas übers ganze Gesicht. „Aah! Fast hättest du mich reingelegt! Komm her, du.“

      Da war ich gefangen, in einer Wolke aus Parfüm und von Tante Jas, die mich ganz fest an sich drückte und mir einen großen, sehr nassen Kuss auf die Stirn drückte.

      Über ihre Schulter hinw eg sah ich, wie sich drei weitere Gestalten durch die Tür schlängelten – zwei kleine, gefolgt von einer großen.

      Wie könnte ich meinen Cousin Max und meine Cousine Sophie beschreiben? Nun, sie heißt Sophie und er Max, klar. Sophie ist ein paar Jahre jünger als ich und in einer etwas langweiligen Art und Weise ganz okay. Mom würde es ja nie zugeben, aber Sophie ist uns allen unheimlich, weil sie so gut wie nie etwas sagt und die ganze Zeit nur in der Gegend rumglotzt.

      Max hingegen ist nicht ganz so unheimlich, dafür aber wirklich ein Kind des blanken ­Horrors.

      Er ist sieben, liebt alles, was Lärm macht, ist verrückt nach Gewalt, und ich vermute, dass ein Teil von ihm dämonisch ist. Wenn er nicht gerade grundlos Leute verprügelt, reißt er Insekten die Beine raus, jagt Katzen oder zerstört alles, was ihm gerade vor die Nase kommt.

      Ärger machen steht ganz oben auf seiner Liste der Lieblingsbeschäftigungen. Seine Eltern Jas und Steve scheinen es ihm aber irgendwie nie übel zu nehmen. Als sie letztes Mal hier waren, kippte er Orangensaft in die Stereoanlage, die war danach völlig im Eimer. Jas und Steve hatten damals nur gelacht und taten es als „kleinen Spaß“ ab.

      Außerdem ist Max ein totaler Egoist. Eben zum Beispiel ist er schnurstracks zu Moms Nachtisch gelaufen und hat sich vollgestopft, ohne auch nur „Hallo“ zu sagen.

      „Achtet nicht auf ihn“, meinte Jas nur. „Er ist in der Wachstumsphase und hat Hunger.“

      „Er sieht nicht hungrig aus“, murmelte Dad, was keiner außer mir hörte, Destructos Bellen hat ihm den Arsch gerettet. Aber er hatte recht. Während Sophie klein und zierlich war, sah Max aus, als wäre er nur noch drei Burger entfernt von der perfekten Sphäre.

      Steve kam ins Haus gestolpert, schwer wankend unter dem Gewicht der Koffer, die er trug. Er und Tante Jas waren schon seit fast fünfzehn Jahren zusammen, aber Steve hatte sich stets geweigert zu heiraten, er hielt es für ‚total uncool’. Mom ist der Meinung, dass er Angst vor den Verpflichtungen hat, aber Dad ist überzeugt, dass er vielmehr Angst vor Tante Jas hat.

      Was auch immer der wahre Grund ist, ich hatte mal aufgeschnappt, wie Mom neulich sagte, Jas hätte die Nase voll davon, dass er sich vorm Heiraten drückt, und dass sie sich in letzter Zeit ständig darüber streiten. Na, das kann ja lustig werden …

      Dad verzog sein Gesicht, als er die vielen Koffer und Taschen sah, die Steve hereinschleppte. Doch er biss sich auf die Lippen und sagte keinen Ton.

      „Wo soll das hin, mein Quarktörtchen?“, fragte Steve Tante Jas. Er trug eine Sonnenbrille. Dass es draußen regnete, störte ihn wenig. Ach ja, ich erinnerte mich, Steve trug immer eine Sonnenbrille, selbst im Haus.

      Quarktörtchen? Jodie und ich schauten uns verdutzt an.

      „Egal“, sagte Jas, ohne sich umzudrehen.

      Ihre Stimme klang leicht genervt, ich schätze mal, dass sie seine Frage unnötig fand.

      „Destructo! Halt die Klappe!“,