Augenblick von Hornstein zu ihr. »Erlauben Sie, daß ich mein Mißgeschick in der Flughafenbar von Rom wettmache? Ich bringe Sie gern in die Stadt, wohin Sie wollen!«
Ganz flüchtig übersonnte ein Lächeln das klassisch schöne Gesicht der jungen Dame, dann nahm es gleich wieder einen abweisenden, fast arroganten Ausdruck an. Etwas abschätzend schaute sie auf Sandra Mangini und sagte: »Zu freundlich! Wir haben unseren eigenen Wagen.« Und als im nächsten Augenblick ein Maserati vorfuhr, das Prachtstück eines jeden Autosalons, rief sie dem »Schönling« am Steuer zu: »Endlich, Romolo! Hier gibt es zuviel Gedränge! Fahren wir los, Amore!«
Ein flüchtiges, betont gleichmütiges Kopfnicken zu dem blonden deutschen Fürsten hin, und schon war sie in den Sportwagen gestiegen.
»Man sollte nie zu hilfsbereit sein wollen!« knurrte Fürst André ärgerlich, aber Sandra Mangini erkannte doch, daß ihn viel mehr seine etwas angeschlagene männliche Eitelkeit schmerzte. Seit zwei Jahren war sie rettungslos und unglücklich in den Fürsten verliebt, aber in all dieser Zeit war es ihr gelungen, diese Gefühle vor ihm zu verheimlichen. Er hingegen verriet ganz undiplomatisch seine Empfindungen für diese aufregend schöne Römerin schon in der ersten Stunde des Kennenlernens. Dabei war es zu einem Kennenlernen überhaupt nicht gekommen, und Sandra Mangini tröstete sich mit der Überzeugung, daß somit die »Bekanntschaft« wieder ein Ende gefunden hätte.
Die Möglichkeit, daß sie einander in Paris noch jemals begegnen würden, stand nur eins gegen etwa drei Millionen, denn so viele Menschen lebten in der Lichterstadt an der Seine.
»Ich kann diese jungen Schönlinge, Angeber und Muskelprotze ohne Hirn und Herz nicht ausstehen«, murmelte Fürst André erbittert.
Er hatte bestimmt nicht gewollt, daß Sandra Mangini diese Worte hören sollte. Die junge Frau fühlte sich jedoch zu einer Antwort verpflichtet.
»Auch ich als Italienerin mag diesen Männertyp nicht. Hingegen lieben wir blonde große Männer, keine verspielten Jungen, sondern richtige Männer…«
Sie verstummte erschrocken, weil sie merkte, daß diese Beschreibung verdächtig genau auf den Fürsten von Hornstein zutraf. Um nichts in der Welt hätte sie ihm gestehen wollen, für wen ihr Herz verzweifelt hoffnungslos schlug. Beide versanken in Gedanken.
Erst als sie das elegante Hotel betreten hatten und die Hausdiener sie in ihre Apartments führten, bat der Fürst: »Sandra, kommen Sie in einer halben Stunde zu mir? Wir müssen vor der Konferenz die letzten wissenschaftlichen Berichte aus den Laboratorien noch einmal durchsprechen.«
»In Ihr Zimmer, Durchlaucht?« vergewisserte sich die italienische Direktorin. Weil ihr Herz so sehr schlug, klang ihre Stimme belegt.
Zu ihrer Enttäuschung verbesserte sich der »Chef« sofort: »Wir finden bestimmt einen kleinen Salon, wo wir ungestört sprechen können.« Er machte ihr aber die Freude und bat noch: »Wenn wir nicht gerade bei einer Konferenz auf höchster Ebene sind, sollten Sie besser das ›Durchlaucht‹ weglassen. Ich mag es nicht, wenn die Leute mich anstarren, als ob ich ein Wundertier wäre. Außerdem arbeiten wir seit Jahren erfolgreich zusammen, und ich sage viel leichter ›Sandra‹ als ›Signorina Mangini‹. Einverstanden?«
»Gern!« beteuerte die hübsche, ein bißchen zu rundliche Direktorin und verriet in der Stimme sogar eine Spur zuviel Freude. »Gern, Signore… Gern, André.«
Eine halbe Stunde später fand sich Sandra Mangini pünktlich im kleinen Konferenzzimmer ein, das die Hotelleitung ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Ausnahmsweise verfehlte Fürst André die Zeit um einige Minuten, denn er stand an jenem Fenster seines Luxusappartments, von dem aus er weit über die Dächer von Paris schauen konnte. Große samtigschwarze Augen, ein Mund mit weichen vollen Lippen, wie zum Küssen geschaffen…
Ärgerlich stellte der Fürst den Alarm an seiner Armbanduhr ab, weil er ihn aus schönsten Träumen gerissen hatte.
Zwei Stunden lang studierten sie gemeinsam die Geheimakten durch. Fürst André von Hornstein, der Leiter und Besitzer der Hornstein-Chemie-Werke, und Sandra Mangini, die Direktorin der Fabriken von Rom. Durch ihre Tüchtigkeit, ihr Fachwissen und ihre Aufopferung für die Firma erregte Sandra seine Bewunderung. Während er ihren Ausführungen folgte, glitt sein Blick des öfteren unauffällig über ihr hübsches rundes Gesicht mit den klugen Augen, dem reizvoll geschnittenen Mund; von dort über ihre vollschlanke Gestalt.
Fürst André fragte sich, warum sein Blut nicht auch angesichts von Sandras unübersehbaren Reizen ebenso in Wallung geriet wie in dem Augenblick, als er der fremden Römerin begegnete. Ein Geheimnis der Natur? Liebe auf den ersten Blick?
»Unsinn«, kam es fast tonlos über die Lippen des vor sich hin träumenden Mannes. Erstaunt blickte Frau Direktor Mangini auf. Sie war sich in ihrem Vortrag keines Irrtums bewußt. André mußte sie schnell beruhigen.
»Ich dachte soeben an…, an einen meiner Verkaufsdirektoren. Tatsächlich gibt es viele Herren, die nicht annähernd so tüchtig sind wie Sie, Sandra.«
Arglos erwiderte sie: »Alle Erwartungen, die Sie in diese Tage hier in Paris gelegt haben, sollen sich erfüllen, André. Es würde mich glücklich machen.« Nach einer kleinen Pause setzte sie lächelnd hinzu: »Ich bin nämlich auch sehr ehrgeizig.«
»Und eine bezaubernde Frau.«
Mit diesem ganz ehrlichen Kompliment machte er sie über alle Maßen glücklich. Sie war eben nicht nur bezaubernd und tüchtig, sondern auch als Frau feinfühlig und gescheit. Sandra machte sich längst keine Hoffnung mehr auf Andrés Liebe. Vielleicht bedeutete ihr seine Anerkennung und Freundschaft gerade deshalb so viel.
*
»Zu zweit sind wir ein unschlagbares Team, Sandra!« freute sich André von Hornstein und schlug seine Mappe zu. »Die Verhandlungen gingen doch ohne alle Schwierigkeiten über die Bühne. Selbst Weltkonzerne mußten all unsere Bedingungen annehmen! Also haben wir auch verdient, nach Herzenslust zu feiern!«
Sandra Mangini ordnete die Papiere, prüfte noch einmal die Unterschriften. Sie beschäftigte sich damit so eingehend, weil sie es vermeiden wollte, dem »Chef« in die Augen blicken zu müssen.
»Bedeutete das, daß wir noch nicht zurückfliegen? Nicht gleich? Sie nach Deutschland, ich nach Italien?« erkundigte sie sich zögernd.
André beruhigte sie lachend: »Es gehört zu unseren Repräsentationspflichten, wenigstens noch drei Tage lang in Paris zu bleiben und die teuersten Unterhaltungslokale unsicher zu machen. Die Presse muß uns bemerken und über Gerüchte von Millionenverträgen tratschen. Das gibt uns in der Branche ein noch größeres Gewicht!«
Nicht einen Augenblick lang zweifelte Sandra Mangini dran, daß der »Chef« scherzte, aber sie träumte doch heimlich in schlaflosen Nächten davon, ihr elegantes Abendkleid ausführen zu dürfen. Um André zu gefallen! Ganz versteckt hing es in ihrem Schrank, ein bißchen sehr gewagt und verführerisch.
»Wir sollten aber die Chance nutzen und den Louvre, die Museen…«, schlug sie vor.
Der Fürst lachte fröhlich auf. In diesem Augenblick sah man ihm die achtunddreißig Jahre nicht an, sondern er wirkte wie ein großer übermütiger Junge.
Als Sandra ihre Papiere fertig geordnet hatte, hakte sich von Hornstein bei ihr unter und verkündete feierlich: »Tagsüber die Kultur, verehrte Frau Direktor, aber nachts wollen wir uns in das sündige Leben von Paris stürzen!«
Sandra errötete ein wenig. Das kam weniger von den Erwartungen, die sie vielleicht in das Nachtleben hätte setzen können, als von der Freude, den Fürsten so übermütig und glücklich zu sehen. »In die Nachtlokale auf dem Montmartre gehen doch nur Touristen und die Leute vom Lande!« erinnerte sie ihn.
»Einige unserer Vertragspartner fallen durchaus in die Kategorie von ›erlebnishungrigen Herren‹, die meisten kennen zwar die Welt, nicht aber deren Kultur. Also bieten wir ihnen das, was sie von Paris erwarten: die Nachtlokale!« erklärte von Hornstein mit großem Ernst.
Es gelang Sandra Mangini kaum, die Enttäuschung in