Gert Rothberg

Sophienlust Extra 12 – Familienroman


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Spielen stets ferngehalten wurde. Aber jetzt wissen wir, dass alle hier das Kind ganz besonders unter ihren Schutz nehmen müssen. Es wäre mir auch lieb, wenn ihr mit den anderen Kindern nicht darüber sprechen würdet. Gritli weiß nicht, wie schlimm es um sie steht. Vielleicht würde sie es nicht begreifen, aber allein der Gedanke, dass sie bald eine sehr große Reise in ein Krankenhaus machen muss, könnte sie von Neuem verstören.«

      »Aber so eine Reise und die Operation kosten doch ein Stinkgeld, Mutti«, sagte Nick in dem Jargon seiner fünfzehn Jahre.

      Denise nahm ihm das in diesem Moment nicht übel. »Ja, das alles kostet sehr viel Geld, aber wir müssen es zusammenkriegen.«

      Die Mädchen standen schon an der Tür. Pünktchen wurde plötzlich kribbelig. Das sah man ihr stets an, weil sie dann meistens von einem Fuß auf den anderen hüpfte.

      »Pünktchen wird gleich eine Rede halten«, verkündete Nick mit einem spöttischen Seitenblick auf das Mädchen.

      »Ja, werde ich auch.« Pünktchen sah Nick wütend an. Sie ertrug es nie, wenn er sich über sie lustig machte. »Aber du brauchst ja nicht zuzuhören. Meinetwegen kannst du schon gehen. Ich will ja nur Tante Isi, Angelika und Vicky etwas sagen. Nein, ich will etwas mit ihnen besprechen.« Pünktchen öffnete die Tür weit. »Bitte, Herr von Wellentin-Schoenecker, Sie dürfen das Zimmer verlassen.« In Pünktchens Augen kämpfen Verärgerung und Übermut miteinander.

      Nick lehnte sich an die Wand. »Ich denke gar nicht daran, Frau Angelina Dommin.«

      Denise schüttelte den Kopf. Sie wollte ein ernstes Gesicht aufsetzen, aber sie konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Wollt ihr gefälligst euren Krieg an einem anderen Schauplatz ausfechten? So interessant sind mir eure Streitereien nicht mehr, dass ich sie unbedingt anhören möchte.«

      Angelika flüsterte Vicky zu: »Was sich neckt, das liebt sich.«

      Mit einem Sprung war Nick bei den beiden Mädchen. »Was habt ihr gesagt?«

      »Gar nichts. Wir haben nur laut gedacht. Und denken wird doch wohl noch erlaubt sein«, verteidigte sich Angelika.

      Pünktchen hatte einen roten Kopf bekommen. Natürlich war ihr diese Anspielung nicht entgangen. Friedfertig sagte sie jetzt: »Also, bleibe meinetwegen hier.« Sie zog die Tür wieder zu und fuhr fort: »Aber unterbrich mich bitte nicht immerzu.« Jetzt sah sie Denise von Schoenecker an. »Tante Isi, wir könnten doch auch etwas tun, um das Geld für Gritlis Operation zusammenzubekommen. Bestimmt fällt uns etwas ein.«

      »Ja, dass wir mit einem Teller von Haus zu Haus gehen. Am besten auf die Höfe. Du singst, Pünktchen, und ich sammle das Geld ein. Vielleicht findet sich auch noch jemand mit einem Musikinstrument.« Nick hatte schon wieder vergessen, dass ihm die Gefahr drohte, von dem Mädchen auf den Flur verwiesen zu werden.

      Doch es war merkwürdig – Pünktchen nahm ihm seine Ironie jetzt gar nicht übel. Sie lachte nur. »Der Gedanke ist gar nicht so schlecht, Nick, aber ich habe eine bessere Idee. Wir machen einen Zirkus auf.«

      »Was? Wie? Einen Zirkus?« Nick trat ganz nahe an Pünktchen heran. »Sagst du das nur, weil du mich als Clown engagieren möchtest?«

      »Das wäre gar nicht so schlecht, Nick. Wirklich, das musst du dir noch überlegen. Du wärst ein toller Clown.« Pünktchen blieb dabei ernst – ernster als die anderen –, wie stets, wenn sie ihre Ideen verteidigte. »Aber du wärest nicht die wichtigste Person in diesem Zirkus, Nick. Die Hauptpersonen würden Tante Andreas Tiere sein.«

      »He?«, machte Nick. »Die Tiere von ›Waldi & Co.‹? Was willst du denn mit denen anfangen? Soviel ich mich erinnere, sind einige altersschwach und die anderen krank. Irgendeine Blessur hat jedes. Und mit solchen Tieren willst du einen Zirkus aufmachen? Für die Kunststücke armer Invaliden sollen die Leute Eintritt bezahlen?«

      Denise von Schoenecker griff jetzt ein. »Beruhige dich mal ein wenig, Nick, und lass Pünktchen erst einmal richtig zu Wort kommen. Außerdem bin ich überzeugt, dass deine Schwester Andrea dir jedes Haar einzeln ausreißen würde, wenn sie wüsste, wie du ihr Tierheim hinstellst. Gut, der Esel Benjamin ist schon halbblind, aber er ist ein lieber netter Kerl, der den Kindern immer wieder gefällt. Er würde es sich gefallen lassen, dass die Kinder auf ihm reiten. Das ist nur ein Beispiel.« Jetzt öffnete Denise die Tür. »Verschwindet jetzt. Und zerbrecht euch an einem anderen Platz den Kopf über Pünktchens Plan. Ich halte ihn für sehr gut. Nicht nur, weil ihr damit für Gritlis Operation etwas verdienen könntet, sondern auch, weil ihr endlich wieder einmal für längere Zeit eine gute Beschäftigung hättet. Nur, zu lange trödeln dürft ihr nicht.«

      »Wir könnten morgen schon damit anfangen, die Tiere von ›Waldi & Co.‹ zu dressieren. Viele können doch auch schon prima Kunststücke.« Das sagte Pünktchen noch im Hinausgehen.

      Gleich darauf schnatterte sie mit den beiden anderen Mädchen auf dem Flur durcheinander. Zwischendurch war Nicks Stimme zu hören.

      Als Denise von Schoenecker ans Fenster trat, sah sie die vier Kinder einträchtig hintereinander auf dem Fahrrad verschwinden.

      »Die Harmonie ist schon wieder hergestellt. Natürlich lässt sich mein Sohn von solch einer Idee begeistern«, redete Denise vor sich hin. Dann lachte sie. »Nun wird Andrea die Plage mit ihnen haben.«

      *

      Die junge Tierarztfrau und Besitzerin des Tierheims »Waldi & Co.«, Andrea von Lehn, sah den vier Sophienlustern schon an der Nasenspitze an, dass sie an diesem Tag mit einem besonderen Anliegen zu ihr kamen.

      Zunächst musste Andrea allerdings über Gritlis schwere Krankheit informiert werden. Der jungen Frau traten die Tränen in die Augen, als sie die Diagnose gehört hatte. Sie presste die Hand auf die Brust. »Dann ist Gritli doch verloren«, flüsterte sie. »Ich habe immer gespürt, dass diesem armen Kind noch weit mehr fehlt als die Mutter und Geborgenheit. Aber an so etwas Furchtbares hätte ich nicht gedacht.«

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