Martin Fieber

Steh' endlich auf!


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zu einer Frau kommen, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Trotz dieses ganzen Wissens. Nur sehr knapp sollte ich dem Tod entrinnen.

      Meine Reise beginnt

      Diejenigen, die niemals ihre eigenen Abgründe und die Dunkelheit ihres eigenen Herzens erlebt haben, werden niemals das Licht suchen.

      (Verfasser unbekannt)

      Nach dem Reiki-Seminar und der ganzen Literatur, die ich meterweise verschlang, kam der Zeitpunkt, an dem ich in Kontakt zu einem sehr guten parapsychologischen Forschungskreis kam, bei dem es halbjährlich die Möglichkeit für Gäste gibt, allgemeine und persönliche Fragen von der Geistigen Welt durch einen Mittler oder ein Medium beantwortet zu bekommen. Zu solch einem Treffen war ich eingeladen. Und dort traf ich sie zum ersten Mal. Bärbel. Ihr Äußeres könnte man mit aufgetakelt beschreiben. Dickes Make-up auf ihrem schneeweißen Gesicht und kitschige Gewänder verdeckten ihre Echtheit. Das einzige, das damals noch lebte, waren ihre Augen. Und die waren fast verloren. Leider sollten ihr durch ihre faszinierende Ausstrahlung noch viele blauäugige Menschen ausgeliefert sein.

      Das Geistwesen, das sich in diesem Forschungskreis über das Medium meldete, schlug vor, dass Bärbel und ich uns regelmäßig treffen sollten, um uns besser kennen zu lernen, da wir uns gemeinsam in diesem Leben etwas vorgenommen hätten. Der eine Teil in mir, der mit Bärbel irgendwie nichts zu tun haben wollte, brach zusammen. Der andere Teil sagte, jetzt wird dein Leben nicht mehr so sein, wie es bis vor einer Stunde noch war. Endlich hast du den Lebenslehrer gefunden, den du immer suchtest. Hätte ich auf mein Gefühl gehört, dass ich nichts mit dieser Frau zu tun haben möchte, wäre mir einiges erspart geblieben. Aber mein Leben sollte so verlaufen, wie ich es brauchte.

      Wie ich jetzt weiß, zum Glück. Denn diese Frau war der beste Prüfstein für mein Leben. Ich konnte lernen, mich aus der Feigheit zu befreien. „Lerne aufzustehen, Martin“, sang der Englein Chor. Doch Martin hörte damals noch nichts.

      Bärbel war genau das Gegenteil von mir. Sie hatte zuviel von dem Mut, den ich nicht hatte. Sie war hochmütig, ich unterwürfig. Sie war von sich eingenommen, dominant und nicht fähig, eine andere Meinung neben der ihren zu akzeptieren. Ich gab meiner Meinung und meinen Gefühlen keinen Wert. Zündstoff pur. Sie die beherrschende, kalte Powerfrau. Ich der kleine dumme Grünschnabel. Sie war ein Vampir und saugte mich total aus. Und ich konnte mich nicht wehren. Ich hatte es nie gelernt und wusste gar nicht, dass ich mich wehren darf. Schlechte Karten also.

      Hhmmm, ... Bärbel und ich sollten uns also kennen lernen. Ich fuhr jedes zweite Wochenende zu ihr und ging bei ihr in eine Art Geistheiler-Schule. Etwas über das Wirken der geistigen Kräfte zu lernen und gewisse hellseherische Fähigkeiten zu entwickeln war genau das, was ich immer gesucht hatte. Da ich mit meinem Leben nicht zurecht kam, war eine Hellseherin und Fragenbeantworterin für mich nun wohl an der Zeit. Sie machte viele Übungen mit mir, bei denen mir auffiel, dass ich anfänglich auch einiges lernte. Und das überzeugte mich. Ich war glücklich.

      Ihr Wissen überzeugte mich. Sie hatte auf alles eine Antwort. Das beeindruckte mich. Ich begann sie als Halbgöttin zu verehren. Stellte ich eine Frage, von denen ich Tausende hatte, wusste sie immer eine Antwort. Nie war sie überfragt. Nie im Zweifel. Immer schmückte sie eine Erklärung mit einer kleinen Geschichte aus. Ich hatte eine vollkommene Lehrerin.

      Heute würde ich sagen: „Achtung. Böse Falle. Sei vorsichtig bei Ich-hab-auf-alles-eine-Antwort-Leuten.“ Aber damals war ich nun mal das kleine „Fieberchen“, das Bärbels Intelligenz und Auffassungsgabe immer wieder aufs neue beeindruckten. Sie stand mitten im Leben, ich am Rand. Bärbel, meine Halbgöttin in Weiß.

      Gedanklicher Fanatismus

      Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist, sondern wie wir sind. (Anais Nin)

      Es kam dann die Zeit, dass ich meinen guten Job kündigte und immer wochenweise zu Bärbel fuhr, um mehr Zeit für meine geistige ‚Schulung‘ zu haben. Meine damalige Tätigkeit - ich arbeitete in einer Pharmafirma und war für die Zeitung der Außendienstmitarbeiter zuständig - gefiel mir auch nicht mehr. Der Termindruck ging mir sehr an die Nerven. Vor allem sank meine Motivation radikal, als ich erfuhr, aus welchen Gründen viele Ärzte die chemischen Pillen verschrieben. Ich war zur Ausbildung einige Wochen mit Außendienstmitarbeitern bei Ärzten in Deutschland unterwegs. Was ich da so mit ansehen musste, wie die Ärzte und die Pharmavertreter verhandelten, schockte mich. Niemals hätte ich gedacht, dass die meisten Ärzte ihren Patienten chemische Keulen verschreiben und zu Hause homöopathische Mittelchen nehmen. Ich konnte dies mit meinem eigenen Gewissen nicht mehr vereinbaren. Ich kündigte. Das war er. Der erste Moment in meinem Leben, in dem ich wirklichen Mut besaß und bewusst eine etwas schwierigere Entscheidung traf.

      Schließlich zog ich von Darmstadt in Bärbels Nähe, nach Herford. Einen super bezahlten Job zu kündigen, umzuziehen und ins Nichts zu springen, war nicht einfach. Ich war arbeitslos und hatte auf einmal Zeit.

      Mehr Zeit, um mich zu finden. Aber ich verlor mich immer mehr. Bärbel wurde immer strenger und kälter, was mir aber nicht auffiel, da ihre Veränderung übergangslos vonstatten ging. Immer mehr verlor ich den Bezug zur Realität. Sie erzählte mir weiter über das Wesen der Geistigen Welt, über Leben auf anderen Planeten. Wir philosophierten. Und philosophierten. Manchmal Tage und Nächte. Und ich wollte immer ‚spiritueller‘ werden. Immer besonderer. Immer mehr Wissen aufnehmen. Und bekam nicht mit, dass ich absolut abdriftete in dunkle Sphären, die mich fast bis zum Wahnsinn trieben. Ich fühlte mich auserwählt, an der Seite einer so ‚weisen‘ Frau zu lernen und teilweise mit ihr essen zu dürfen. Ich war stolz, als ihr Schüler zu gelten. Ich lernte, auf gewisse Symbole im täglichen Leben zu achten. Auf Kleinigkeiten, die geschahen, die Menschen sagten oder taten. So gesehen nichts Verwerfliches, aber bald schon wollte ich in jedem Hundegebell ein göttliches Zeichen sehen. Eine Krähe flog über das Haus. Was soll das nun schon wieder? Die Badezimmertür knackte. Was bedeutet dies? Ein Kind streckte mir die Zunge heraus. Und das? Ich könnte unzählige solcher Dinge schildern und Fragen aufzählen, die mir durch den Kopf gingen. Mein Denkapparat musste immer mehr arbeiten. Ich kam einfach in mir immer weniger zur Ruhe. Und geriet immer mehr in einen gedanklichen Fanatismus.

      Es war bestimmt schwer für meine Eltern und für meine Freunde mitzubekommen, wie ich mich verändert hatte. Allen war klar, dass sich in meinem Leben etwas zum Unguten veränderte, nur mir nicht. Das Verhältnis zu meinen Eltern veränderte sich zum Glück nicht, sie waren, wie ich jetzt weiß, die Stütze, die Pfeiler, die mich die ganze Zeit hindurch im Irdischen trugen. Trotz Meinungsverschiedenheiten änderte es doch an unserer Liebe nichts. Nachdem ich schließlich auch umgezogen war, wurde leider auch der Kontakt zu einigen Freunden geringer oder hörte ganz auf. Nur einige wenige Freundschaften aus meinem bisherigen Leben hielten manche Zerreißprobe aus. Aber das Verständnis und die Toleranz waren zum Glück stärker als jeglicher Fanatismus oder Andersartigkeit.

      Wie gesagt, ich hatte gekündigt, hatte in Herford eine Bruchbude, vielmehr ein Loch bezogen, und war in diesen Monaten ohne feste Arbeit. Das einzige selbstständige, das ich machte, war mir ein altes Fahrrad zu kaufen – damals hatte ich noch kein Auto – und radelte jeden Tag zu meiner großen Lehrerin.

      Meine Höllenzeit

      Der Teufel will, dass du dich vor ihm niederkniest; Gott möchte, dass du aufrecht stehst und ihm in die Augen schaust. (Verfasser unbekannnt)

      Bärbel war inzwischen so in ihrem Hochmut gefangen, dass sie es schon lange nicht mehr nötig hatte, zu arbeiten und sich schließlich von mir aushalten ließ. Ich war ihr Schüler und hatte für meine Meisterin zu sorgen. Sie sah sich als eine hohe auserwählte Seele. Dies ging so weit, dass sie schon bald einen anderen Namen annahm. Einen sogenannten Missionsnamen, den man hier auf dieser Erde bräuchte, wenn man von einem anderen Planeten abstamme und hier eine „Ich-rette-die-Erde“-Aufgabe zu erledigen habe.

      Leider nahm ich damals ebenfalls