Annabeth Albert

Frozen Hearts: Arctic Wild


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treibt und die dann den Weckruf über Prioritäten und all den Kram bekommen.«

      »Das habe ich schon ein oder sieben Mal gesehen. Manche kommen nach dem großen Schreck hierher und stürzen sich mit voller Kraft in die Reiseerfahrung.«

      »Genau. Und vielleicht könnte das hier mein Moment sein, der mich aufweckt. Ich bin nicht ganz sicher, was ich mit all diesen Erkenntnissen tun werde, aber ich verstehe schon, was du sagen willst.«

      »Vielleicht ist es schon etwas, einfach darüber nachzudenken. Und manchmal gibt das Leben dir eine neue Möglichkeit, wenn du gerade nicht hinsiehst. Ich wollte zum Beispiel nie Reiseführer werden, aber dann hatte mein Dad seinen Unfall, meine Mom hatte noch zwei Kinder zu Hause und die Familie brauchte schnell irgendein Einkommen. Ich habe das Fliegen geliebt – wollte Luftfahrttechnik studieren und hatte schon einen Pilotenschein, nachdem ich mich im vorherigen Sommer für die Stunden fast um den Verstand gearbeitet hatte. Also habe ich mit Fracht- und Kurzstreckenflügen für Annie angefangen, aber es hat nicht lange gedauert, bis sie mir Touristen anvertraut hat. Und jetzt mache ich das bald zehn Jahre lang. Fuck. Ich hoffe wirklich, dass ich noch einen Job habe, wenn das alles vorbei ist.«

      »Ich wette, das wirst du.« Reuben wünschte, er könnte ihm ein definitiveres Versprechen geben. »Du bist gut darin, was du tust. Es wäre dumm von ihnen, dich nicht zurückzunehmen. Aber hast du nie daran gedacht, wieder auf die Uni zu gehen? Deinen Abschluss zu machen?«

      »Ach nein. Die Familie braucht mich, jetzt auch noch. Nell ist mit zwanzig noch ziemlich jung und weiß noch nicht, was sie machen will. Und Hannah studiert jetzt Medizin. Sie hat eine Menge Stipendien, aber manche Dinge werden davon nicht abgedeckt. Ich habe Mom versprochen, dass sie die Uni abschließen würden.«

      »Das ist ziemlich großzügig von dir.« Tobys Loyalität seiner Familie gegenüber erfüllte Reuben mit Demut. Und seltsamerweise machte diese Hingabe ihn weit attraktiver als die Rolle des lässigen, verspielten Reiseführers.

      »Mann, ich bin kein Prinz. Das ist es, was eine Familie füreinander tut.«

      »Ja. Ich erinnere mich noch an den Tag, als ich meiner Mum eine bessere Wohnung beschaffen konnte. Es fühlte sich an, als hätte ich es wirklich geschafft, sowohl als Anwalt als auch als Mann.« Reuben schüttelte den Kopf. »Kann gar nicht glauben, dass ich all das mit dir teile.«

      »Hey, was sollen wir sonst tun? Und du bist eine gute Ablenkung. Erzähl mir noch etwas, irgendetwas darüber, wie du tickst, das niemand von dir weiß.«

      »Ein Geheimnis oder so?« Reuben konnte den Zweifel nicht aus seiner Stimme heraushalten. Es war nicht gerade seine Gewohnheit, viele von denen mit anderen zu teilen – oder überhaupt zu hüten.

      »Genau. Wem soll ich es schon verraten? Und ganz ehrlich, wahrscheinlich vergesse ich es wieder, wenn sie mich mit Schmerzmitteln vollpumpen.«

      Bei der Erinnerung daran, welche Schmerzen Toby litt, wollte Reuben helfen, auch wenn er ihn nur ablenken konnte. »Ehrlich gesagt arbeite ich hart, um keine Geheimnisse zu haben – ich mag den Stress dabei nicht, Dinge zu verbergen. Aber lass mich nachdenken… Bei Amelias Geburt habe ich geweint. Ich glaube, nicht einmal Natalie weiß das – sie war ziemlich weggetreten, aber sie haben mir dieses kleine Bündel gegeben und sie war so winzig… Ich habe mich nie so hilflos gefühlt.«

      »Das ist süß.« Toby schenkte ihm ein schiefes Lächeln, das wahrscheinlich zur Hälfte benommen von den Schmerzen und zur Hälfte mitfühlend war. »Ich glaube, du bist wahrscheinlich ein besserer Dad, als du denkst. Aber was noch? Erzähl mir etwas Aufregendes.«

      »Etwas Aufregendes? Hast du es auf intime Geheimnisse abgesehen?« Reuben musste blinzeln. »Tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber ich habe keine. Kein Kink-Verlies oder irgendetwas in der Art.«

      »Verdammt. Du kommst daher wie ein wandelnder Anzugporno und hast keine Fifty Shades of Reuben in deinem Repertoire?«

      »Leider nicht. Das Komischste an mir ist wahrscheinlich das, was Natalie mit der Zeit in den Wahnsinn getrieben hat und Dan nach einer Weile auch.«

      »Aha? Jetzt bin ich neugierig.«

      »Ich… äh…« Gott. Wie sollte er das erklären, ohne dabei wie ein kompletter Idiot zu klingen? »Ich mag es, mich um andere zu kümmern. Sehr. Dinge für sie zu tun. Und so weiter.«

      Toby neigte den Kopf. »Wie ein Sub? Du magst es, Leute zu bedienen?«

      »Nein.« Reubens Gesicht wurde heiß. »Nicht, dass das irgendwie falsch wäre, aber ich mag es, das Kommando zu haben, sowohl im Bett als auch außerhalb. Es ist eher so… Ich mag es, anderen zu geben, was sie brauchen. Sie zu befriedigen und glücklich zu machen. Natalie war – ist – sehr unabhängig, also hat es eine Menge Reibereien gegeben, weil ich mich um sie kümmern wollte. Und Dan hat oft darüber gescherzt und mich einen Service Top genannt, was auch immer das bedeutet, aber er war… abenteuerlustiger im Bett, wollte es rauer haben, schätze ich. Meinte, ich wäre zu nett. Ich bin nicht sicher, was er damit gemeint hat.«

      »Manchmal wird Kink überbewertet.« Toby lachte warm, nicht so, als würde er sich über ihn lustig machen. »Und es ist gar nichts dabei, dem Partner Lust bereiten zu wollen und so. Ich bin es eher gewöhnt, dass ich diese Aufgabe selbst übernehme, als dass sich jemand um mich kümmert, aber ich bin… interessiert, könnte man wohl sagen. Eigentlich klingt es irgendwie schön.«

      Ich würde es dir gern zeigen. Reuben verbiss sich die Worte. Toby war verletzt und dieses Gespräch sollte ihn ablenken, nicht erregen. Er brauchte keine Anmache. Stattdessen sagte er locker: »Das kann es sein. Wie auch immer, das ist mein großes, schmutziges Geheimnis. Ich weiß nicht, ob ich noch andere habe. Vielleicht solltest du mir ein paar von deinen verraten.«

      »Ich…« Toby öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dann schluckte er abrupt und runzelte die Stirn. »Hörst du etwas?«

      Während er seine Ohren anstrengte und auf Geräusche horchte, die Rettung ankündigen könnten, durchströmte Reuben unwillkürlich eine Welle der Hoffnung. »Ich sehe nach.«

      Er kroch aus dem Unterstand hervor. Der Regen hatte endlich nachgelassen. Er sah in den Himmel und suchte nach Spuren eines Flugzeugs oder Helikopters. Irgendetwas.

      »Ich sehe n… Warte. Da. Aber es ist weit weg. Komm schon, komm schon. Hier drüben.« Aber der Fleck hörte nicht auf ihn und wurde kleiner statt größer. »Verdammt.«

      »Es ist trotzdem gut«, sagte Toby und klang viel schwächer, als es Reuben lieb war. »Sie suchen. Sie werden uns finden.«

      »Ja.« Reuben wünschte, er wäre ebenso sicher. Es gefiel ihm wirklich nicht, wie blass Toby plötzlich war. Dann ruckte Toby vor, lehnte sich halb aus dem Unterstand und übergab sich.

      Oh fuck, nein. Erbrechen. Mögliche Kopfverletzung.

      Das war schlecht.

      ***

      Irgendetwas stimmte nicht, so viel wusste Toby. Und in seinem Erbrochenem nach Blutspuren zu suchen, war nicht gerade, was er in diesem Moment tun wollte. Fuck. Es war beschissen, nicht zu wissen, ob er wegen des Adrenalintiefs oder etwas Ernsterem einen flauen Magen hatte. Nicht, dass ein wahrscheinlich gebrochenes Bein und ein verletzter Arm kleine Verletzungen waren, aber die konnte er wenigstens sehen, den Schmerz messen. Und ja, der Schmerz, der in Wellen kam, von denen einige manchmal schlimmer waren als andere, hatte zweifellos etwas mit seiner Übelkeit zu tun.

      »Haben wir eine Wasserflasche?« Reuben sah vom Himmel weg und kramte ihr Gepäck durch, bis er Tobys Not-Feldflasche fand und ihm an die Lippen hielt. »Hier. Sieh mal, ob das hilft.«

      »Okay.« Toby nahm einen kleinen Schluck. »Wenigstens lässt der Regen nach.«

      »Was glaubst du, was auf der anderen Seite des Sees ist?« Reuben hatte die Stirn tief gerunzelt und seine Stimme war ernster, als Toby sie je gehört hatte. »Irgendeine Chance, dass es dort einen Weg geben könnte? Etwas, dem ich folgen könnte?«

      »Du gehst nirgendwohin«, sagte Toby fest.

      »Mein