ich bestehe darauf, dass sie hereingebracht werden!«, schrie er, während er näherkam und mich geradezu furchteinflößend ansah.
»Dann müssen Sie sie selbst rufen, Sir, denn auf mich hören sie nicht«, antwortete ich und wich zurück.
»Kommt ins Haus, ihr schmutzigen Bälger, oder ihr kriegt sie alle mit der Peitsche!«, brüllte er, und die Kinder gehorchten sofort. »Da sehen Sie es! Sie parieren beim ersten Wort!«
»Ja, wenn Sie es ihnen sagen.«
»Und ich finde es sehr merkwürdig, dass Sie sie nicht besser im Griff haben, wenn Sie sie beaufsichtigen! So, jetzt sind sie also drin, nach oben gegangen mit ihren dreckigen Schuhen! Nun gehen Sie schon hinterher und kümmern Sie sich darum, dass sie wieder anständig aussehen, um Himmels willen!«
Zu diesem Zeitpunkt weilte gerade die Mutter dieses Gentleman im Haus, und als ich die Treppe hinaufstieg und an der Tür zum Salon vorbeiging, hatte ich das Vergnügen mitanzuhören, wie sich die alte Dame etwa wie folgt lautstark gegenüber ihrer Schwiegertochter ereiferte (nur die deutlichsten Worte waren zu verstehen):
»Du liebe Güte! – noch nie im Leben –! – sicher den Tod holen –! Meinst du wirklich, meine Liebe, dass sie eine anständige Person ist? Du kannst mir glauben, dass –« Mehr hörte ich nicht, aber es war genug.
Die alte Mrs. Bloomfield war sehr aufmerksam und höflich zu mir gewesen, und ich hatte sie bis jetzt für eine nette, gutherzige, geschwätzige alte Frau gehalten. Sie kam häufig zu mir und sprach in vertraulichem Ton mit mir; dabei nickte sie und schüttelte den Kopf, gestikulierte mit den Händen und rollte mit den Augen, wie es eine bestimmte Art alter Damen zu tun pflegt. Allerdings habe ich keine zweite kennengelernt, die es mit dieser Eigentümlichkeit so weit trieb wie sie. Sie bezeugte mir sogar ihr Mitgefühl wegen meiner Last mit den Kindern, und ab und zu drückte sie mir in halben Sätzen, von Kopfnicken und vielsagendem Augenzwinkern begleitet, ihre Ansicht über das ungerechte Verhalten von deren Mama aus, die meine Macht so einschränkte und es nicht für nötig hielt, mich mit ihrer Autorität zu unterstützen. Diese Art deutlich bekundeter Missbilligung war nicht nach meinem Geschmack, und im Allgemeinen lehnte ich es ab, sie zur Kenntnis zu nehmen oder mehr zu verstehen, als das, was offen ausgesprochen wurde; zumindest ging ich nie weiter, als andeutungsweise einzuräumen, dass bei einer anderen Regelung meine Aufgabe leichter und ich eher dazu in der Lage gewesen wäre, meine Schützlinge zu lenken und zu unterweisen; nun aber musste ich doppelt vorsichtig sein. Obwohl ich sah, dass die alte Dame ihre Fehler hatte – einer davon war ihr Hang, die eigene Fehlerlosigkeit herauszustellen –, war ich bislang immer geneigt gewesen, alles zu entschuldigen, an all ihre Tugenden zu glauben, die sie laut eigener Aussage besaß, ja, mir weitere, noch nicht erwähnte dazuzudenken. Güte, jahrelang ein wesentliches Element meines Lebens, war mir in der letzten Zeit so ganz und gar versagt worden, dass ich alles mit dankbarer Freude begrüßte, was auch nur entfernt daran erinnerte. Kein Wunder also, dass ich mich von Herzen für die alte Dame erwärmte, mich jedes Mal über ihre Ankunft freute und ihre Abreise bedauerte.
Jetzt aber hatten die wenigen Worte, die ich glücklicher- oder unglücklicherweise im Vorübergehen gehört hatte, meine Meinung über sie völlig ins Gegenteil verkehrt: Nun betrachtete ich sie als scheinheilig und unaufrichtig, als Schmeichlerin, die ausspionierte, was ich sagte und tat. Zweifellos hätte es in meinem Interesse gelegen, ihr weiterhin mit dem gleichen freundlichen Lächeln, dem gleichen Ton respektvoller Herzlichkeit zu begegnen wie vorher, aber das konnte ich nicht, auch wenn ich es gewollt hätte. Mein Verhalten änderte sich zugleich mit meinen Gefühlen; ich benahm mich so kühl und zurückhaltend, dass sie nicht umhinkonnte, es zu bemerken. Sie merkte es sehr bald, und auch ihr Verhalten änderte sich: Das vertrauliche Kopfnicken wich einer steifen Verbeugung; das huldvolle Lächeln machte einem gorgonenhaften Starren Platz, ihren ungehemmten Redefluss richtete sie nun nicht mehr an mich, sondern an ihre »lieben Enkelkinder«, die sie wider alle Vernunft mehr hofierte und verwöhnte, als es deren Mutter jemals getan hatte.
Ich muss zugeben, dass mich diese Wandlung etwas beunruhigte. Ich fürchtete die Folgen ihres Missfallens und unternahm sogar einige Anstrengungen, den verlorenen Boden wiedergutzumachen, offensichtlich mit größerem Erfolg als erwartet. Einmal erkundigte ich mich mit ganz normaler Höflichkeit nach ihrem Husten; sofort entkrampfte sich ihre säuerliche Miene zu einem Lächeln, und sie beehrte mich mit einer ausführlichen Erzählung über diesen Husten und ihre anderen Krankheiten, woran sich eine Darstellung ihrer Gottergebenheit anschloss, die sie auf gewohnt eindringliche, pathetische, auf dem Papier schlecht wiederzugebende Weise vom Stapel ließ.
»Aber es gibt ein Mittel für alles, meine Liebe, und das Mittel ist, sich zu fügen (ein Zurückwerfen des Kopfes), sich dem göttlichen Willen zu fügen!« (Ausstrecken der Hände, Blicke gen Himmel.) »Das hat mir bei allen Heimsuchungen geholfen, und so wird es immer sein« (mehrmaliges Kopfnicken). »Allerdings kann das nicht jeder von sich behaupten« (Kopfschütteln); »aber ich gehöre zu den Frommen, Miss Grey!« (Vielsagendes Nicken und Zurückwerfen des Kopfes.) »Und ich war es, Gott sei Dank, schon immer« (nochmaliges Nicken), »und ich bin stolz darauf!« (Besonderes nachdrückliches Händeklatschen und Kopfschütteln.) Und mit Textbeispielen aus der Bibel, falsch zitiert oder falsch angewendet, und frommen Ausrufen, die in Vortragsweise und Ausdruck so lächerlich waren, dass ich es ablehne, sie zu wiederholen, entfernte sie sich, wobei sie – mit sich und der Welt zufrieden – ihren großen Kopf hin- und herwarf und mir immerhin die Hoffnung ließ, dass sie wohl doch eher schwach als böse war.
Bei ihrem nächsten Besuch in Wellwood House ging ich so weit, ihr zu sagen, dass ich mich über ihr gutes Aussehen freute. Dies hatte eine phantastische Wirkung: Die Worte, als Zeichen der Höflichkeit gedacht, wurden als schmeichelhaftes Kompliment aufgenommen; ihr Gesicht hellte sich auf, und von Stund an war sie – zumindest nach außen hin – so freundlich und wohlwollend, wie man es sich nur wünschen konnte. Aus dieser Erfahrung und den Erzählungen der Kinder folgerte ich, dass ich nur bei jeder passenden Gelegenheit eine Schmeichelei äußern musste, um ihre herzliche Freundschaft zu gewinnen. Das aber verstieß gegen meine Prinzipien, und da sie die Schöntuerei vermisste, entzog mir die launische alte Dame schon bald wieder ihre Gunst und fügte mir, wie ich glaube, insgeheim manchen Schaden zu.
Ihre Schwiegertochter konnte sie nicht sehr gegen mich beeinflussen, denn zwischen dieser Dame und ihr selbst bestand eine beiderseitige Abneigung, die sich bei ihr durch Herabsetzungen und Verleumdungen bemerkbar machte, bei der anderen durch ein Übermaß an kalter Förmlichkeit in ihrem Benehmen. Und keine devote Schmeichelei der Älteren konnte die eisige Mauer zum Schmelzen bringen, die die Jüngere zwischen ihnen errichtet hatte. Doch bei ihrem Sohn hatte die alte Dame mehr Erfolg: Sie konnte ihm erzählen, was sie wollte, vorausgesetzt, es besserte seine schlechte Laune und sie vermied es, ihm mit ihren eigenen Nöten auf die Nerven zu gehen, und ich habe guten Grund anzunehmen, dass sie ihn in seinem Vorurteil gegen mich gehörig bestärkte. So erzählte sie ihm beispielsweise, ich würde die Kinder schamlos vernachlässigen, und selbst seine Frau würde nicht so auf sie aufpassen, wie es nottäte, und dass er sich selbst um sie kümmern müsse, oder es wäre ihr sicheres Verderben.
Da er sich so bedrängt sah, machte er sich häufig die Mühe und beobachtete sie vom Fenster aus beim Spielen; manchmal folgte er ihnen in den Park und erwischte sie nur zu oft dabei, wie sie in dem verbotenen Brunnen herumplanschten, im Stall mit dem Kutscher sprachen oder sich im Schmutz des Wirtschaftshofes wälzten, während ich erschöpft dabeistand, nachdem ich zuvor meine Energie mit vergeblichen Versuchen, sie dort wegzuholen, verbraucht hatte. Auch steckte er oft unerwartet seinen Kopf durch die Tür des Schulzimmers, wenn die Kinder bei den Mahlzeiten waren, und sah, wie sie sich gegenseitig mit Milch bespritzten und sie über den Tisch kippten, ihre Finger in die Becher tunkten oder sich wie eine Meute junger Tiger das Essen streitig machten. Schwieg ich dazu, duldete ich insgeheim ihr ungebührliches Betragen; erhob ich aber, was häufig vorkam, gerade meine Stimme, um Gehorsam zu erzwingen, wandte ich unnötig Gewalt an und gab wegen der Schärfe von Ton und Wortwahl ein schlechtes Beispiel für die Mädchen ab.
Ich erinnere mich an einen Nachmittag im Frühling, als sie wegen des Regens nicht nach draußen konnten, aber alle – welch glücklicher Zufall! – ihre Aufgaben erledigt hatten und trotzdem