auf diese 10xDNA setzten, profitierten am stärksten vom Internetboom. Unternehmen hingegen, die lediglich ihre analogen Geschäftsprozesse digital übertrugen, hatten oft das Nachsehen.
10x Geschäftsmodelle am Beispiel Netflix
Der Anfang vom Ende der Videotheken war nicht die Digitalisierung von VHS zu DVD. Es war die konsequente Umsetzung eines neuen 10xGeschäftsmodells.
Netflix startete als Versand-Videothek und kämpfte am Markt gegen den Giganten der physischen Videotheken, Blockbuster. Blockbuster Video verfügte über Tausende Filialen, Millionen Kunden, effiziente Logistikketten und Deals mit allen großen Studios.
Doch das Netflix Management hatte das 10xMindset und erkannte früh die Chancen eines immer schneller werdenden Internets. Dank schneller Bandbreiten konnten Filme plötzlich digital an die Kunden geliefert werden. In einer digitalen Lieferkette entfielen allerdings die Überziehungsgebühren, das damals einträglichste Geschäft von Blockbuster. Vom Rest der Industrie belächelt, setzte Netflix dennoch konsequent auf seine Digitalstrategie. Das Unternehmen kaufte Streamingrechte, führte ein Abo-Modell ein und investierte in eine erstklassige IT-Infrastruktur für Video-Streaming.
Den Rest der Geschichte kennen wir. Am Ende war der Gewinn an Bequemlichkeit für die Nutzer so groß, dass Videotheken nicht mehr mithalten konnten. Blockbuster ging im Jahr 2010 in die Insolvenz.
Die nächste Stufe der Vernetzung – das mobile Internet – sorgte für die Vernetzung von Menschen und Orten. Ständig einen mit dem Internet verbundenen Computer in der Tasche zu haben, ermöglichte vollkommen neue Anwendungen und brachte mit der nächsten Welle von disruptiven Geschäftsmodellen ganze Branchen durcheinander – Uber (Taxis), WhatsApp (SMS), Spotify (Musik). Die nächsten zehn Jahre werden mit IoT und 5G weitere Stufen der Vernetzung bringen und damit die Chancen für herausragende Gründer oder mutige Unternehmen, ganze Industrien auf den Kopf zu stellen.
Das virtuelle und unendliche Rechenzentrum
Cloud Computing – der Zugriff auf IT-Infrastruktur wie Rechenleistung, Datenbanken oder Speicherplatz über das Internet – startete als kommerzielles Modell Mitte der 2000er Jahre. Vor allem Amazon baute aus dieser Idee ein heute milliardenschweres Geschäft auf. Für das Weihnachtsgeschäft wurden große Rechenkapazitäten benötigt, denn zu dieser Zeit wuchs der Traffic auf den Amazon-Shopseiten um das Zehnfache an. Außerhalb der Weihnachtszeit lagen diese Kapazitäten brach. Da Amazon schon früh intern auf eine modulare, servicezentrierte IT-Infrastruktur gesetzt hatte, konnten die überschüssigen Kapazitäten an andere Unternehmen vermietet werden.
Cloud Computing hatte in der Boomphase der Startups viele Vorteile: Gründer hatten sofort Zugriff auf eine voll skalierbare, moderne IT-Infrastruktur, ohne sich selbst teure Hardware kaufen zu müssen. Ideen konnten schnell programmiert, auf die Cloud-Server geladen und direkt online getestet werden. Das Management der eigenen Server entfiel komplett.
Ein weiterer Vorteil der neuen Cloud-Welt ist die Möglichkeit, komplette Softwaremodule zu mieten und damit sehr schnell ein komplettes Online-Business mit CRM-Lösung und Kundensupport aus der Cloud aufzubauen. Mit Anbietern wie Shopify, Mailchimp und Zendesk lassen sich diese zügig und ohne große Vorkenntnisse einfach zusammenbauen. Dank der Cloud-Lösungen von Microsoft oder Google können beliebig große Teams von überall in Echtzeit zusammenarbeiten.
Heute gibt es alles as-a-service aus der Cloud. Amazon bietet mittlerweile Dienste aus 23 Kategorien an. Von Machine-Learning-Lösungen (wie dem automatischen Erkennen von Bildern, Texten oder Sprache) über Robotersteuerung bis zu einer kompletten Satelliten-Bodenstation as-a-service, die gegen eine monatliche Gebühr die vollständigen Koordinaten und die Steuerung einer eigenen Satelliten-Konstellation ermöglicht.
Das Tolle am Cloud-Ansatz ist, dass er in gewissem Maß für eine Demokratisierung von Chancen sorgt. Denn wenn die neuesten Tools direkt und überall für Forscher, Tüftler und Gründer verfügbar sind, können die nächsten großen Ideen von überall kommen – auch in Zukunft. IBM schaltete vor einem Jahr für Interessierte einen Cloud-Zugang zu einem frühen Quantencomputer frei. Im Verlauf des Buches werden wir noch weitere Technologien vorstellen, die dank Cloud-Ansätzen für jedermann nutzbar sein werden.
Alles open source
Während der 1980/90er Jahre war Microsoft der dominierende Anbieter von Betriebssystemen und Software. Microsoft hatte einen großen »Lock-in« für seine Plattform geschaffen. Die meisten PCs liefen mit MS-DOS oder Windows, also lohnte es sich für externe Entwickler, ihre Software für diese Systeme zu entwickeln. Und umgekehrt war es für Käufer am attraktivsten, sich einen MS-DOS- oder Windows-Rechner zu kaufen, weil es hierfür die größte Auswahl an Anwendersoftware gab. Durch große Investitionen in Entwicklungsumgebungen und Trainings hielt Microsoft das Schwungrad »Die meiste Software ↔ Die meisten kompatiblen PCs« am Laufen. Das Aufkommen des Internets und die Verlagerung der Nutzer hin zu browserbasierten Anwendungen brach dieses System auf. Mit den neuen Smartphone-Betriebssystemen entstand ein neuer Wettbewerb um die besten Apps und mit ihm die besten Entwicklertools.
Entwicklungsumgebungen oder Systemumgebungen sind Plattformen, auf denen Entwickler mit einem Set an Prozessen und Werkzeugen neue Software oder neue Softwareversionen entwi- ckeln. Dazu nutzen sie Programme, die als integrierte Entwicklungsum- gebung (IDE) bezeichnet werden.
Das Tempo des Wandels war noch nie so schnell. Und dennoch wird es nie mehr so langsam sein.
Justin Trudeau, 2018 — kanadischer Premierminister
Wir befinden uns in der Zeit der Plattform-Ökosysteme. Alle großen digitalen Unternehmen – Apple, Google, Amazon, Microsoft – bieten Plattformen und versuchen, sich dort mit einem Angebot an Diensten zu differenzieren. Sie haben verstanden, dass sie die Kreativität und die Ideen externer Entwickler für sich gewinnen müssen, um immer neue Dienste anbieten zu können. Aus diesem Grund stecken sie viele Ressourcen in attraktive Entwicklerumgebungen. Sie bieten Entwicklern immer mächtigere Werkzeuge an, damit sie neue Dienste auf ihren Plattformen entwickeln. Die Palette verfügbarer Entwicklertools ist mittlerweile sehr breit. Sie reicht von Tools zur Unterstützung bei der App-Entwicklung (Apple Xcode/Swift, Android Studio oder Microsofts Visual Studio) hin zu Werkzeugen für Bilderkennung, Spracherkennung oder Videoanalysen mithilfe künstlicher Intelligenz. Es gibt spezielle Tools zur Entwicklung von Virtual- oder Augmented-Reality-Anwendungen. Neuerdings haben Amazon und Co. sogar Entwicklerumgebungen für Roboterprogrammierung und Quantencomputer im Portfolio.
Mit dem Aufkommen des Cloud Computing bildete sich noch eine weitere Methode der Zusammenarbeit unter Softwareentwicklern. In sogenannten Repositories speicherten Entwicklerteams ihre Softwaremodule. Alle im Team hatten Zugriff auf schon fertige Bausteine der Kollegen und konnten sie in anderen Projekten ihren Zwecken anpassen. Wieso sollte man beispielsweise ein Modul für »Passwort zurücksetzen« immer wieder neu schreiben, wenn man es aus einem alten Projekt wiederverwenden konnte? Die effizienten Repositories etablierten sich. Heute gibt es große Online-Datenbanken wie Github mit fertigen Softwarebausteinen. Entwickler teilen Module, die sie für konkrete Probleme geschrieben haben. Andere können diese Module für ihre Projekte weiterentwickeln. Das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden – es wird ständig verbessert. Analog zu Kurzweil’s Law gilt: Immer mehr Software-Entwickler mit immer mehr Rechenpower haben Zugriff auf immer bessere Entwicklerumgebungen.
Repositories sind zentrale Ablageorte für Software. Sie dienen bei der Versionsverwaltung unter anderem dazu, nachzuvollziehen, wer wann etwas geändert hat. Bei Zugriff werden die entsprechenden Dateien aus dem Repository ausgecheckt und nach Bearbeitung wieder eingecheckt.
Die 10xDNA wird immer wichtiger!
Die nächsten zehn Jahre werden die bislang schnellsten und intensivsten der Menschheit. Viele neue Grundlagentechnologien stehen bereit. Sie treffen auf eine vernetzte Welt, in der neue Ideen von überall kommen können. In der jeder von überall Zugriff auf skalierbare Rechenpower hat und seine Ideen mit immer besseren Tools