an.«
In diesem Moment wurde mir schmerzlich bewusst, dass jeder, der auch nur einen Funken Magie in sich hatte, mich lesen konnte, wie einen Werbebanner.
»Soll ich dich mitnehmen?«, fügte er besorgt hinzu.
»In deiner Schrottkarre? Wir nehmen lieber mein Auto«, antwortete ich, bereits die Schlüssel aus meiner Handtasche kramend.
***
Stille lastete auf der jungen Nacht, als ich den Mercedes durch die engen Häuserschluchten New Yorks steuerte. Ich hatte es nicht eilig, noch mehr Fragen zu beantworten, deshalb hielt ich mich ausnahmsweise an die Verkehrsregeln. Maddox hatte kein Wort mehr gesagt, blickte gedankenverloren aus dem Fenster, als wäre er nicht hier, sondern an einem weit entfernten Ort.
»Er hat also richtig mit dir geschlafen ...«, fragte er unvermittelt, seinen Kopf auf die Faust gelehnt, während er mit nachdenklichem Blick die Fassaden an sich vorbei streichen ließ. »Ich kann es fühlen.«
Natürlich konnte er das. Jeder hätte es gekonnt, der sich bei der Befragung in meiner Nähe aufgehalten hätte. Dumme, kleine Hexe! Ich zögerte bei meiner Antwort.
»Ja.«
Als dieses Wort über meine Lippen huschte, breitete sich in mir das Gefühl der Schuld aus. Ich konnte es mir nicht erklären, aber was sich eben noch wunderschön und richtig angefühlt hatte, lastete in seinem Beisein nun schwer auf mir.
»Hat es dir gefallen?«
Ich biss mir auf meine Unterlippe. »Ja.«
Er schwieg.
Wie konnte sich ein Fehler nur so süß anfühlen! Ich hätte ihn wegstoßen können, hätte mich meiner Lust nicht ergeben müssen. Dass der Gedanke an die vergangene, zuckersüße Qual mich aufwühlte und die Hitze in meine Wangen steigen ließ, machte mir Angst. Mit jeder Sekunde wurde mir mehr bewusst, dass ich mich nach Nikolais Berührungen gesehnt hatte.
Warum eigentlich? Wollte ich nicht den Mann neben mir? Waren es nicht seine Liebkosungen, nach denen ich mich seit Tagen sehnte, und die mir verwehrt blieben?
Maddox und Nikolai. Diese beiden Männer waren in kürzester Zeit in mein Leben gekommen, nein, eingedrungen und hatten mein Gleichgewicht, meine Selbstsicherheit, mein ganzes Denken so stark beeinflusst, dass ich mir meines Handelns nicht mehr sicher war. Der Dämon und der Reaper waren sich in vielerlei Hinsicht so ähnlich und doch so verschieden. Als würde man bei einer Fotografie den Kontrast ändern. Das Bild blieb gleich, nur die Farben waren gewechselt.
Dann blickte er mich an.
»Es ist nicht deine Schuld. Nikolai ist ein großer Verführer. Schon früher lagen ihm die Frauen reihenweise zu Füßen.«
Für einen Moment meinte ich, dass ich einen eifersüchtigen, fast enttäuschten Unterton aus seiner Stimme vernehmen konnte. Er seufzte matt.
»Nikolai hatte schon immer eine hypnotische Wirkung. Ein Augenaufschlag, und man ist gefangen in seiner Welt aus Wollust und Begierde.« Jetzt mischte sich Enttäuschung in seine Worte. »Er hatte für so etwas immer ein Händchen.«
Nachdem er das gesagt hatte, zuckte er kurz zusammen, als wäre ihm aufgefallen, dass etwas Dummes über seine Lippen gekommen war. Hauchzarte Röte drang ihm ins Gesicht.
»Also ... Zumindest liest man das.«
»... in den Archiven«, ergänzte ich argwöhnisch, nicht imstande zu bestimmen, was er gerade fühlen mochte.
Sein Blick wandte sich nach draußen und er schwieg die restliche Fahrt über.
Gerade als ich den Wagen im Untergeschoss abgestellt und die ersten Schritte in Richtung Aufzug getan hatte, warf sich Ira in meine Arme. Ich musste ihr mehrmals versichern, dass mir nichts passiert sei, während sie das oberste Stockwerk anwählte.
»Wir sollen direkt in den großen Konferenzsaal kommen.« Aufmunternd nahm sie meine Hand und drückte sie fest. »Mach dich auf etwas gefasst.«
Ich nickte zur Bestätigung. Das Letzte, worauf ich Lust hatte, waren die stechenden Blicke der anderen Hexen. Betrachtet zu werden wie ein Unikum. Wie jene, die mit dem Sohn des Teufels geschlafen hatte, die zu schwach war, um sich seinem unglaublichen Charme zu erwehren. Ich war klug genug zu wissen, dass die Information mittlerweile im ganzen Zirkel rumgegangen sein musste, machte mir also gar nicht die Illusionen zu hoffen, dass es anders wäre. Was würde ich in den Blicken der anderen Hexen finden? Verachtung? Weil so viele auf den Straßen verletzt wurden, während ich auch noch mit dem Feind geschlafen hatte?
Skepsis? Dass ich meine Ämter als Sicherheitsoffizier niederlegen sollte, weil ich ihn nicht aufgehalten hatte, ihn sogar angefleht hatte, weiterzumachen?
Vielleicht sogar Hass? Weil sie alle in mir lesen konnten, dass ich jede Sekunde genossen hatte und es wieder machen würde?
Ich spürte Maddox prüfenden Blick auf mir. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Fahrstuhlwand.
Innerlich bereitete ich mich auf eine Barriere aus zornigen Blicken vor. Doch als ich die Tür zum Konferenzsaal aufstieß, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen.
Verbotene Liebe aus vergangenen Zeiten von Sharon York
Ich hätte mit Dutzenden Hexen und Reapern gerechnet. Doch lediglich de la Crox flüsterte am Ende des Tisches verschwörerisch mit Myrs. Kein leises Gemurmel hinter vorgehaltener Hand, keine ausgestreckten Finger – nur die beiden. Stille lastete auf dem Raum, die mich erdrückte.
»Schön, dass Sie es einrichten konnten, Miss Ashcroft. Treten Sie doch näher«, rief de la Crox vorwurfsvoll. Trotzdem erkannte ich Sorgen in ihrer Stimme, wie bei einer Mutter, die froh war, dass ihrem Kind nichts passiert ist. Meine Angst wich sofort. Ihre Stimme war klirrend, aber ihr Blick war warm und herzlich.
Wir nahmen vor den mächtigen Befehlshabern des Zirkels Aufstellung. Im Blickfeld der beiden blinkten die verschiedenfarbigen Lichter auf großen Monitoren. Ich überflog die Lage mit einem Auge. Es sah schlimm aus, wirklich schlimm. Überall blinkten rote Punkte, das Gebiet schien von Dämonen jeder Farbe förmlich überrannt zu werden. De la Crox bemerkte meinen kurzen, verstohlenen Blick.
»Wie Sie sehen können, haben wir alle Hände voll zu tun. Deshalb machen wir es kurz. Sie, Maddox, melden sich sofort in der Operationszentrale. Dort wird jeder Mann gebraucht.«
Maddox räusperte sich, trat einen Schritt vor. »Wenn Sie erlauben, Madame, würde ich lieber bei Miss Ashcroft bleiben, um sie zu beschützen. Ich denke ...«
Es dauerte keinen Augenaufschlag, als Myrs auf ihn zuschoss und das rauschende Blut sein Gesicht rot färbte. »Hat Madame den Satz begonnen mit den Worten: Wenn es Euch beliebt, Eure Hoheit?«, schrie er.
Die Gesichter der beiden Männer waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, Myrs Ader an der Schläfe pulsierte bedrohlich. »Dies war ein beschissener Befehl und ich erwarte, dass dieser ausgeführt wird!«
Maddox stand sofort still.
Dann packte Myrs ihn am Arm. »Und jetzt kommen Sie mit, dass Leben ist kein Blowjob!«
Maddox warf mir einen kurzen Blick zu, in dem viele Emotionen lagen.
Ihre Schritte wurden noch lange zu mir getragen, dann krachte die Tür und wir Hexen waren allein. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie de la Crox mich die ganze Zeit gemustert hatte. Mit überkreuzten Beinen und streng hinter dem Kopf zusammengebundenen Haaren, wirkte sie wie eine äußerst attraktive Universitätsprofessorin. Vielleicht ein wenig bieder. Ich wusste nur zu gut, dass dieses Bild täuschte. Ihr Blick brannte auf mir. Nein, schien durch mich hindurchzusehen, als fixierte er ein weit entferntes Ziel tief in mir.
»Ich denke, dass Ihr Bericht unvollständig ist, Miss Ashcroft.«
Auch jetzt klang es wie der Tadel einer Mutter gegenüber eines ungehorsamen Kindes, auch wenn sie die offizielle Anrede wählte, so war jedes Wort von Sorge durchzogen. Hätte Maddox mich nicht darauf vorbereitet, wäre ich jetzt