Karin Bucha

Karin Bucha Classic 45 – Liebesroman


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finden sie einen Halt. Schließlich stößt sie mit tränenerstickter Stimme hervor. »Peter, ach, Peter, warum hast du dich nicht an mich gewandt? Ich hätte dir das Geld sofort gegeben.«

      »Franz will mich vernichten. Bitte, Mutter, glaube an mich. Ich habe mir das Geld erspart. Du kennst meinen größten Herzenswunsch. Ich wollte dich mit dem Wagen, der mir allein gehören sollte, überraschen. Wie soll ich dir beweisen, daß ich das Geld nicht genommen habe?«

      »Peter«, flüstert sie, bis in Herz ergriffen. Sie glaubt ja an ihn. Sie gibt auch zu, daß Franz das Mißtrauen in ihr gesät hat. Warum hat sie nicht geschwiegen?

      Peter richtet sich entschlossen auf. »Ob du an mich glaubst oder nicht, Mutter: ich kann nicht mehr länger neben Franz auf dem Hof arbeiten. Er ist der Erbe, ich habe zu weichen. Du mußt selbst einsehen, daß das nicht länger so weitergeht. Bisher habe ich zu allem geschwiegen, aus Liebe zu dir, Mutter. Das ist die reine Wahrheit. Ich gehe – und ich betrete den Hof nicht eher wieder, bis die Sache mit dem Geld geklärt ist!«

      »Peter«, verzweifelt streckt sie ihm die Hände entgegen. »Wohin willst du gehen, Peter? Ich bitte dich, deswegen geht man doch nicht aus dem Elternhaus. Der kleine Zwischenfall wird sich aufklären.«

      »Laß mich meinen Weg gehen, Mutter.« Entschlossener Wille spricht aus ihm. »Ich kann nur in einer sauberen Atmosphäre leben, arbeiten und glücklich sein. Franz und seine Frau haben die Luft auf unserem Hof verpestet. Es tut mir nur unendlich leid, daß ich dich nicht mitnehmen kann, Mutter. Dir wird es nicht gut bei Franz ergehen, das weiß ich.«

      »Peter!«

      »Ich versuche bei Ernst Reichert unterzukommen. Ich liebe Beate. Wo ich arbeite, ist gleich. Meine Hände kann ich überall regen, und wenn ich für Beate schaffe, das gibt mir noch mehr Antrieb.«

      »Ernst Reichert?« Sie legt das Gesicht in die Hände und schluchzt laut auf. Ein Warburg will den Eichenhof verlassen? Er will für andere arbeiten?

      »Hast du etwas dagegen, Mutter? Haben Gerhard und Otto nicht auch den Eichenhof verlassen? Du hast sie mit deinem Segen ziehen lassen. Ich tue also nichts anderes als meine älteren Brüder, wenngleich der Anlaß auch ein anderer ist. Es geht einfach nicht mehr, Mutter, das mußt du einsehen. Ich schwöre dir, ich habe das Geld nicht gestohlen –«

      »Peter, keiner behauptet das, am allerwenigsten ich. Ich glaube dir. Genügt dir das nicht?« Sie hebt das tränennasse Gesicht, und Peter nimmt sie in seine Arme und küßt sie.

      »Das genügt mir, aber für Franz ist der Vorfall ein gefundenes Fressen. Ich hätte die Hölle auf dem Hof. Das kannst du nicht von mir verlangen, Mutter.«

      Die beiden Menschen, die sich

      umschlungen halten, fahren wie auf einem Unrecht ertappt auseinan-

      der.

      Maria Warburg richtet sich auf und sieht dem langsam näherkommenden Sohn Franz aus verweinten Augen, nunmehr wieder in tadelloser Haltung entgegen.

      »Es wird sich finden«, beharrt sie. »Es muß sich finden, Franz. Du wirst über den Vorgang Stillschweigen bewahren. Es wissen nur wir drei darum.«

      Er lacht böse auf. »Mit deinem Goldsohn kann ich natürlich nicht in Konkurrenz treten. Er ist nun einmal der Allerbeste in deinen Augen.«

      »Das ist nicht wahr.« Ihre Augen blitzen ihn an. »Ich habe mir immer Mühe gegeben, eine gerechte Mutter zu sein. Über was kannst du dich beklagen?«

      »Laß das doch«, mengt Peter sich angewidert in das Gespräch. »Franz hat dir schon sehr oft weh getan.«

      »Du bittest wohl um schön Wetter«, höhnt Franz und stemmt die Hände auf die Sessellehne.

      »Ich gehe jetzt, Mutter«, sagte Peter, ohne des Bruders Einwurf zu beachten. Er neigt sich über sie und küßt sie auf die Wange. »Wir sehen uns heute noch einmal, dann erfährst du alles Weitere.«

      »Suchst du die viertausend Mark?« Franz Warburgs Stimme ist mit Hohn getränkt.

      »Vielleicht noch mehr«, erwidert Peter zweideutig und geht rasch davon. Ihm ist, als verfolge ihn ein schmerzlicher Seufzer aus dem Mund seiner Mutter. Doch unbeirrt, ohne sich umzuwenden, setzt er seinen Weg fort.

      Die Haustür fällt dumpf ins Schloß, und Maria Warburg birgt ihr Gesicht in den Händen.

      Ihr Peter geht! Wird sie ihn halten können, mit ihrer ganzen Liebe, mit allem Vertrauen?

      Bevor Peter Warburg nun Georg Reichert aufsucht, geht er noch einmal in den Schuppen, wo der Treibstoff für die landwirtschaftlichen Maschinen steht. Ein ganz kleines Lächeln steht in seinen Mundwinkeln. Zu dem Dieselöl hat sich ein Kanister mit Benzin gesellt. Für seinen neuen Wagen, auf den er sich mit übergroßer Erwartung gefreut hat – und jetzt hat sich auf diese Freude Kummer wie ein Aschenregen gelegt.

      Er sieht sich aufmerksam um und kontrolliert jede Ecke, damit ja nichts passieren kann. Dann erst verläßt er den Schuppen, der sich den Stallungen anschließt. Langsam wandert er über das Land. Sengend ist die Hitze. Beate – denkt er – und Mutter, die beiden liebsten Menschen, die die Erde für ihn trägt.

      Es müßte Regen geben, sinnt er weiter, die Erde ist ausgetrocknet und zerrissen.

      Er erreicht den Reicherthof, der kleiner als der Eichenhof, aber in mustergültiger Ordnung ist.

      Georg Reichert, ein großer, hagerer Mann, der mit seiner Meinung nie hinter dem Berg hält und viele Freunde besitzt, ist der erste Arbeiter auf seinem Hof.

      »Guten Tag«, sagt er frostig, als Peter Warburg in seinem Zimmer erscheint, das vor der Hitze abgedunkelt ist und die Einrichtung schwach erkennen läßt.

      »Setzen Sie sich, Peter«, spricht Reichert kurz angebunden.

      Peter bleibt stehen, und Reichert setzt noch hinzu: »Auch gut, wir haben uns nicht viel zu sagen.«

      »Herr Reichert«, beginnt Peter und spürt, wie ihm die Zunge am Gaumen klebt vor Hitze und vor Erregung. »Ich will es auch kurz machen. Ich bitte Sie um Beates Hand. Wir lieben uns!«

      Mit einem Ruck erhebt Reichert sich. In seinen Augen blitzt es. »Mehr nicht?«

      »Doch«, fährt Peter unbeirrt fort. »Und dann möchte ich Sie um Arbeit bitten. Es sind Umstände eingetre-

      ten –«

      »Ich weiß, Peter«, unterbricht Reichert ihn mit einer schroffen Handbewegung. »Sparen Sie sich jede Erklärung. Meine Antwort sollen Sie auch gleich hören. Ich gebe meine Tochter keinem Dieb.«

      Peter starrt den Mann an, als sehe er ein Gespenst. Er taumelt einen Schritt vorwärts, und es sieht aus, als wolle er den Mann, der diese furchtbare Beschuldigung ausgesprochen hat, an die Kehle gehen.

      »Herr Reichert, woher wissen

      Sie –?«

      »Es genügt, d a ß ich es weiß. Woher, spielt dabei keine Rolle.«

      Keiner von den beiden Männern hat gesehen, daß Beate ins Zimmer gehuscht ist. Schwer atmend lehnt sie am Türrahmen. Ihre Augen irren von einem zum anderen. Sie preßt die Hand an den Mund, um den Aufschrei zu unterdrücken.

      »Ich schwöre Ihnen –«

      »Schwören Sie lieber nicht, Peter.« Die Stimme Reicherts ist ruhig und gelassen. »Können Sie beweisen, daß Sie kein Dieb sind?«

      »Peter ist kein Dieb!«

      Reichert und Peter bemerken Beate, die mit dieser wie ein Entsetzensschrei klingenden Behauptung sich in die Unterhaltung eingeschaltet hat.

      Sekunden vergehen. Beate stellt sich wie selbstverständlich neben Peter, und unwillkürlich legt er seine Rechte um ihre Schulter. Ihre Nähe gibt ihm die Besonnenheit zurück.

      Reichert betrachtet die beiden Menschen lange und eingehend. Ihm ist hundeelend zumute. Sein schönster Traum, Peter und sein einziges Kind ein Paar, zerstört.