Michael Dissieux

Graues Land


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      Unter normalen Umständen hätte mich die Frage zum Lachen gebracht, denn immerhin betreibt mein Freund seit Jahrzehnten einen kleinen Lebensmittelladen inmitten der Hügel.

      Die wenigen Menschen, die hier oben leben, sind seine besten Kunden. Doch den meisten Umsatz macht Murphy mit auf der Durchreise zwischen Devon und Kagan´s Creek befindlichen genervten Eltern und abenteuerlustigen Jugendlichen.

      Während Erstere ihren Kindern die ermüdende Fahrt durch die Hügel mit allerlei Süßigkeiten und billigem Spielzeug zu versüßen suchen, sind die jungen Leute in ihrem Bestreben, trotz Minderjährigkeit an Alkohol zu kommen, fast unermüdlich.

      Für Murphy sind beide Kategorien potentielle Einnahmequellen, auch wenn er sich dessen bewusst ist, dass er bei den Jugendlichen die Gesetze des Staates nicht selten bis zur Schmerzgrenze dehnt.

      »Ich brauche Vorräte«, antworte ich und blicke sehnsüchtig zur mit Brettern vernagelten Tür des Ladens.

      »Ich habe nichts mehr.«

      Plötzlich ist der Lauf wieder auf mich gerichtet. Ich stehe da, befinde mich im dunkelsten Traum, den man sich vorstellen kann und spüre bei Murphys Worten das nagende Gefühl aufkommenden Hungers. Der Gedanke, meine eigene Waffe zu heben und den sturen Mistkerl hinter dem Laden mit einem gezielten Schuss zu erledigen, kommt mir so verlockend vor, das ich entsetzt vor mir selbst einen Schritt zurückweiche.

      »Nun komm. Sarah und ich brauchen etwas zu essen. Mach deinen verdammten Laden auf«, sage ich stattdessen. Nur mit Mühe gelingt es mir, meine Beherrschung zu wahren.

      »Der Laden ist geschlossen. Herrgott, Harv. Hast du nicht mitbekommen, was passiert ist?«

      Murphy erinnert mich an einen Hassprediger, wie ich sie in diversen Weltuntergangsfilmen gesehen habe.

      »Die ganze Welt ist vor die Hunde gegangen«, fährt er fort.

      »Die Bomben haben irgendetwas freigesetzt. Bakterien oder Viren oder so etwas in der Art.«

      Der Gewehrlauf beginnt zu zittern, und ich kann förmlich sehen, wie sich mein Freund schwer auf einen Stuhl fallen lässt.

      »Es ist nichts mehr am Leben. Keiner ist übrig«, schluchzt die Stimme hinter dem Holzladen.

      »Nur diese verdammten Viecher.«

      Das Gewehr verschwindet. Der Lichtschein zwischen den Ritzen in den Läden flackert unruhig.

      »Und wieso stehe ich dann hier?«, frage ich und breite erneut meine Arme aus, jedoch darauf bedacht, nicht noch einmal versehentlich auf die Hütte zu zielen. Mein Freund scheint mit den Nerven am Ende zu sein, und eine Provokation meinerseits, wenn auch unbedacht, konnte tödlich enden, ganz gleich, wie eng wir befreundet sich. Verdammt, ich selbst habe noch vor einer Minute darüber nachgedacht, Murphy einfach abzuknallen.

      Auf meine Frage antwortet mir nur die kalte Stille des Morgens. Einige Blätter rascheln über den Parkplatz.

      Ich spiele mit dem Gedanken, einfach zur Vorderseite des Ladens zu gehen, die Tür aufzubrechen und mich in `Murphys Feinkost und Delikatessengeschäft´ zu bedienen. Sarahs eingefallene Wangen erscheinen wie ein Mahnmal vor meinen Augen. Dazu, wie eine Überblende in einem schlecht gemachten Film, die Regale unserer kleinen Speisekammer hinter der Küche, deren Bretter nach und nach verwaisen.

      Während ich versuche, die geisterhaften Bilder in meinem Kopf zu verbannen, erinnere ich mich an Murphys Worte, die er mir jedes Mal sagte, wenn ich mit Sarah den Laden betreten hatte.

      `Bedient euch nur. Ihr wisst ja, wo alles steht. ´

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