Pitter warf sich herum. Hammon stieß einen Fluch aus und schlug zu. Seine Faust streifte Pitter am Kopf. Pitter stürzte. Hammon richtete sich auf und hastete durch das Waldstück auf den Fluss zu. Hinter ihm drangen die Soldaten ins Unterholz ein. Hammon riss sich seine Uniformbluse vom Leib und stürmte in das Uferwasser. Unter seinen Stiefeln spritzte es hoch auf. Er rutschte auf dem schlammigen Grund aus, riss die Arme hoch und stürzte der Länge nach hin. Er versank in den schmutzigen Fluten des Missouri und richtete sich prustend wieder auf. Er zog seinen Revolver.
Hinter ihm sprengten die Jäger heran. Die Hufe ihrer Pferde schleuderten das Wasser gischtend in die Höhe. Der Sergeant beugte sich weit aus dem Sattel und schwenkte seinen Sharps-Karabiner wie eine Keule.
»Du Schwein!«, schrie Hammon.
Er drückte ab. Der Hahn seines Revolvers klickte auf eine Kammer. Hammon fluchte laut. Er drückte wieder ab und noch einmal – die Ladungen waren feucht geworden. Es löste sich kein Schuss.
Der Schlag mit dem Gewehrkolben traf ihn voll gegen die Brust und warf ihn rücklings ins Wasser. Der Schmerz, der ihn durchflutete, war so stark, dass sein Bewusstsein schwand. Als das kühle Wasser über ihm zusammenschlug, war er wieder klar, aber die Schmerzen lähmten ihn, sodass es ihm kaum gelang, sich wieder aufzurichten. Wasser drang durch Mund und Nase ein. Er schluckte eine Menge davon, verlor seinen Revolver und schlug mit beiden Armen wild um sich, um an die Oberfläche zu gelangen.
Er sank nach vorn auf die Knie. Das Wasser reichte ihm jetzt bis zur Brust. Hammon krümmte sich zusammen und übergab sich. Er rang nach Luft. Halbblind, da ihm das nasse Haar strähnig ins Gesicht fiel, bemerkte er zwei Reiter, die ihre Pferde durch das Uferwasser auf ihn zutrieben.
Unfähig sich zu rühren, kauerte er da und wurde brutal gepackt. Er hörte das Johlen und Brüllen der Soldaten, die ihn hochrissen und wieder ins Wasser schleuderten. Er ging unter. Nackte Verzweiflung erfasste ihn. Von panischer Angst erfüllt, kämpfte er sich wieder hoch. Ein Stiefel setzte sich auf seine linke Schulter und drückte ihn wieder nach unten. Er umklammerte das Bein, das ihn niederhielt, zog fast den Reiter aus dem Sattel und gelangte wieder nach oben.
Ein anderer packte ihn an den Haaren und schleifte ihn hinter sich her. So zerrten sie ihn an Land, wo er wieder strauchelte und zu Boden stürzte. Halb bewusstlos blieb er liegen.
»Der andere muss oben am Waldrand sein!«, rief eine Stimme.
Hufschlag donnerte erneut auf. Die zweite Patrouille näherte sich. Schreie ertönten.
Hammon hob den Kopf. Jetzt jagten sie Pitter, diesen Idioten. Pitter war überhaupt an allem schuld. Hätte er sich ruhig verhalten, wären sie von den Häschern nicht entdeckt worden. Hätte er nicht so viel Angst gehabt, wären sie schneller vorwärts gelangt.
Ein Schuss krachte. Pitter rannte am Fluss entlang. Er schoss mit seinem Revolver, ohne einen der Reiter zu treffen. Sie holten ihn ein. Der Corporal beugte sich aus dem Sattel, packte Pitter am Kragen und hob ihn einfach ein Stück hoch. Pitter verlor den Boden unter den Füßen und stürzte im nächsten Moment knallhart nieder. Er überschlug sich. Bevor er sich benommen wieder aufrichten konnte, waren zwei Soldaten über ihm, rissen ihm die Arme auf den Rücken und banden seine Handgelenke zusammen, dass Pitter vor Schmerzen aufkreischte.
Er wurde zurückgeschleppt, bis er neben Hammon stand, den sie auf die Beine gezerrt hatten.
»Du Scheißkerl«, sagte Hammon.
»Halt die Klappe!«, schrie der Sergeant, holte aus und schlug Hammon mit dem rechten Handrücken ins Gesicht. Hammons Oberlippe platzte auf. Sein Kopf flog zur Seite. Er taumelte.
»Ihr habt uns eine schlaflose Nacht gekostet, ihr Dreckskerle«, sagte der Sergeant. »Glaubt ihr, dass es ein Spaß ist, sich den Hintern wund zu reiten, um euch wieder einzufangen.«
»Warum hast du es dann nicht gelassen?«, sagte Hammon. Er lispelte wegen seiner aufgeschlagenen Oberlippe.
Der Sergeant schlug wieder zu. In Hammons Augen glühte Hass auf.
»Dir wird das große Maul noch gestopft werden«, sagte der Sergeant. »In Fort Lincoln wird abgerechnet.«
»Ich wollte nicht desertieren!« Pitters Stimme kippte fast um. Er flog am ganzen Leib. »Ich war von Anfang an dagegen. Er hat mich dazu überredet, weil er nicht allein los wollte. Ich wäre nie weggelaufen, wenn er nicht …«
»Dir drehe ich den Hals um, du feiges Schwein!«, brüllte Hammon. Er stürzte sich auf Pitter und umschloss mit beiden Fäusten dessen Hals. Sie fielen beide zu Boden. Mehrere Soldaten warfen sich auf sie und trennten sie. Sie zerrten den tobenden Hammon zurück und banden ihm die Arme auf dem Rücken zusammen.
»Nur keine Sorge«, sagte der Sergeant. »Ihr empfangt beide, was ihr verdient.«
»Kassierst du Prämien dafür, dass du für Custer den Kopfjäger spielst?«, fragte Hammon. »Dieser Kerl verheizt uns alle. Der denkt nur an sich und daran, möglichst schnell wieder die Generalssterne zu ergattern. Wer sein Hirn noch im Schädel hat, der verschwindet, solange noch Zeit dazu ist.«
»Du bist zur Armee gegangen, mein Freund«, sagte der Sergeant ungewöhnlich mild. »Aus freiem Willen und bei vollem Verstand. Die Armee ist kein Geschäft, in das man einsteigt, wenn es einem passt, und aus dem man wieder aussteigt, wenn man schlecht geschlafen hat. Ihr tragt die Uniform und reißt eure Zeit ab wie wir alle.« Er wandte sich um und stieg in den Sattel. »Nehmt sie mit!«, befahl er.
Die Soldaten legten Hammon und Pitter Stricke um die Hüften. Als sie anritten, zogen sie die Männer hinter sich her. Sie mussten laufen, wenn sie nicht umgerissen und mitgeschleift werden wollten.
»Ich hoffe, dass sie dich am Flaggenmast in Fort Lincoln hochziehen«, presste Hammon zwischen seinen zerschlagenen Lippen hervor. »Wenn nicht, dann sollen sie dir die Haut herunterpeitschen, bis du den Tag deiner Geburt verfluchst.«
»Ich habe es nicht so gemeint«, keuchte Pitter. Das Entsetzen hatte seine Züge verzerrt. »Glaub mir doch, ich – ich weiß nicht, warum ich …«
Ein Schlag traf ihn von hinten über der rechten Schulter. Er taumelte nach vorn und konnte sich mit Mühe auf den Beinen halten.
Die Dunkelheit hüllte den Missouri ein. Das Tröten einer Dampfpfeife klang hinter den Soldaten her, die die staubige Overlandstraße ansteuerten, die zum Fort Abraham Lincoln führte.
*
Arthur Ridgely ritt aus den Badlands heran, ein hagerer, sich stets etwas nach vorn gekrümmt bewegender Mann, staubbedeckt wie sein Pferd. Er trug ein indianisch gegerbtes Wildlederhemd mit Fransen an den Nähten. Sein dunkelbraunes Haar fiel in weichen Locken bis auf seine knochigen, gleichwohl breiten Schultern und umrahmten ein schmales, hohlwangiges Gesicht mit tiefliegenden dunklen, immer etwas melancholisch blickenden Augen. Im Gürtel trug er rechts einen großkalibrigen Smith & Wesson-Revolver und links ein Bowie-Messer mit langer Klinge. Am Sattel hatte er einen Pfeifentomahawk hängen sowie einen Scabbard mit einem Spencer-Karabiner.
Art Ridgely war anzusehen, dass er einen sehr langen Ritt hinter sich hatte, aber er wirkte nicht erschöpft, und wer ihn sah, gewann den Eindruck, dass dieser Mann seine Kräfte sehr gut einzuschätzen und einzuteilen wusste.
Er folgte seit einiger Zeit dem Bett des Sweetbriar Creek, das fast ausgetrocknet war. Vor ihm war Rauch in der Luft. Als er endlich das Feuer in der Ebene entdeckte, lenkte er sein Pferd darauf zu. Er veränderte seine Haltung nicht, aber er registrierte mit unauffälliger Wachsamkeit alles, was von Wichtigkeit war.
Neben dem Feuer vor ihm standen drei Wagen. Bei dem einen handelte es sich um einen Frachtwagen, dessen Ladung von einer grauen Plane verdeckt wurde. Die anderen waren flache, leichte Fahrzeuge, wie sie auf Farmen gebraucht wurden. Sie waren offenbar nur mit wenigen Werkzeugen und Vorräten beladen. Ridgely entdeckte Goldwaschpfannen, Siebe, Spitzhacken, Schaufeln, Töpfe, Kannen, Konserven und anderes.
Die Männer am Feuer waren schwer einzuschätzen. Vier sahen aus, als hätten sie geradewegs das letzte Dampfboot von St. Joseph in Bismarck verlassen. Ihre Kleidung wirkte noch etwas städtisch. Zwei