Kampagne einleiten. General Crook befindet sich doch bereits in Montana, oder bin ich falsch informiert?«
»Fragen Sie Custer«, sagte Ridgely.
Sie ritten nebeneinander her. Vor ihnen tauchte der Missouri auf. Ein Fracht-Steamer zog stampfend vorbei, mächtige Rauchwolken aus den Zwillingsschloten ausstoßend.
»Ich frage Sie, Ridgely. War das, was Sie vorhin gesagt haben, ernst gemeint? Ich meine, über die Verträge und das Land der Indianer?«
»Natürlich.«
»Warum arbeiten Sie dann noch für die Armee?«
»Eine gute Frage, Kellogg. Diese Frage habe ich mir auf dem Weg hierher auch immer wieder gestellt. Vielleicht steckt man manchmal schon zu tief in einer Sache drin, als dass man noch aussteigen kann, selbst wenn man nicht mehr davon überzeugt ist.«
»Eine schlechte Antwort, Ridgely.«
»Vielleicht. Aber es ist die Wahrheit. Die Wahrheit ist meistens kompliziert.«
»Es stimmt, dass die Regierung den Zugang zu den Black Hills für Goldsucher erst einmal gesperrt hatte«, sagte Kellogg. »Aber doch nur, weil sie einen neuen Vertrag mit den Sioux abschließen und ihnen die Black Hills für ein Butterbrot abkaufen wollte. In Washington hat doch kein Mensch auch nur eine Sekunde daran gedacht, den alten Laramie-Vertrag zu halten und auf das Gold in den Black Hills zu verzichten.«
»Sie wissen gut Bescheid, Kellogg.«
»Das ist mein Job, Ridgely. Deshalb weiß ich auch, dass General Crook schon seit dem Winter als Speerspitze im Sioux-Land unterwegs ist, mit sehr unbefriedigendem Ergebnis. Die siebte Kavallerie unter Custer ist doch nicht zur Sommerfrische nach Fort Lincoln verlegt worden. Dieses Regiment hat einen ganz bestimmten Ruf. Custer hat einen bestimmten Ruf. Dieser Mann ist geschickt worden, um die Sioux und Cheyenne in ihre Schranken zu weisen.«
»Fragen Sie ihn«, erwiderte Ridgely noch einmal.
»Sie machen mir meinen Job nicht gerade leicht.«
»Dazu bin ich nicht da. Ich bin Scout. Fragen Sie Custer.« Ridgely wandte den Kopf. In seinen Augen blinkte es. »Vergessen Sie aber niemals, ihn als General anzureden. Auch wenn er nur die Sterne eines Lieutenant Colonels auf den Schulterstücken trägt.«
»Er ist doch aber General.«
»Im Bürgerkrieg war er General«, entgegnete Ridgely. »Das ist zehn Jahre her. Der jüngste General der US-Armee. Aber es war nur ein Titelrang. Dem Titel nach hat es am Ende des Krieges jede Menge Generale gegeben. Jetzt ist Custer Lieutenant Colonel, aber er brennt darauf, es noch einmal zu schaffen und diesmal richtig General zu werden, nicht nur dem Titel nach. Er will auf den Stuhl von General Sheridan, vielleicht sogar noch höher.« Ridgelys Stimme wurde kälter. »Vergessen Sie, dass ich Ihnen das gesagt habe.«
»Es ist allgemein bekannt, dass Custer ein Mann von großem Ehrgeiz ist. Man sagt, dass er ein Schlächter sei, stimmt das?«
»Er ist ein Mann, der viel vom Leben verlangt und sich holt, was er nicht kriegt. Ein solcher Mann tut das, was ihm gerade nützlich erscheint. Sie werden feststellen, dass er eine Menge über die Indianer weiß und vielleicht sogar Sympathien für sie hat. Er hat ein Buch geschrieben. Haben Sie es gelesen?«
»Ja«, sagte Kellogg. »Seitdem brenne ich darauf, ihn kennenzulernen. Ein bemerkenswerter Mann.«
»Zweifellos. Aber wenn es um seine eigenen Interessen geht, dann denkt er nur noch an sich.«
»Tun wir das nicht alle?«
»Nicht auf diese Weise«, erwiderte Ridgely.
»Ich habe gehört, dass er kürzlich aus der Armee entlassen werden sollte.«
»Er hatte Ärger«, gab Ridgely zu. Die Fragen des Reporters wurden ihm lästig. Ridgely war kein Mann, der viel redete. Heiß brannte die Sonne. Über dem Schilf am Ufer des Missouri tanzten Mückenschwärme.
»Ärger mit Präsident Grant?«, fragte Kellogg.
»Man beschuldigt nicht ungestraft den Bruder des Präsidenten, dass er in schmutzige Geschäfte verwickelt sei, wenn man es nicht beweisen kann.«
»Ganz so gerissen scheint Custer demnach auch nicht zu sein.«
»Immerhin hat es ihm Schlagzeilen in der Presse eingebracht.«
»Aber auch beinahe seine Entlassung.«
»Ich bin nicht Custer«, sagte Ridgely. »Ich bin nur ein Scout.«
»Warum waren Sie im Westen, Ridgely?«
»Die Lage ist sehr gespannt«, entgegnete Ridgely. »Die Armee muss wissen, was vorgeht. In den Black Hills treiben sich inzwischen Tausende von Goldsuchern herum, die alles um und um wühlen.«
»Die Digger sind Ihnen egal, Ridgely. Der wahre Grund ist, dass Sie wissen wollten, was die Indianer vorhaben.«
»Warum kehren Sie nicht um und reiten mit den Goldsuchern weiter?«
»Weil ich mir immer sicherer darüber bin, dass es im Indianerland bald eine Explosion gibt und Custer die Lunte in der Hand hat.«
»Das haben Sie nicht von mir, Kellogg.«
»Nein, das habe ich von mir selbst«, sagte Kellogg. »Aber es ist doch so: Die Rothäute fühlen sich betrogen. Die Häuptlinge, die schon damals den Vertrag von Laramie nicht unterschrieben haben, führen jetzt das große Wort. Die waren schon damals für Krieg. Jetzt haben sie den besten Grund dazu. Kennen Sie Sitting Bull?«
»Hunkpapa Medizinmann«, sagte Ridgely.
»Er hat viel Einfluss?«
»Eine Menge Häuptlinge hören auf ihn.«
»Was hat er in letzter Zeit getan?«
»Die Sioux und Cheyenne haben ihre Reservationen verlassen, weil sie auf Bisonjagd gehen wollen. Das ist alles.«
»Auf Bisonjagd oder auf die Jagd nach Goldgräbern?«
»Jeder, der in die Black Hills geht, weiß, dass er sich im Indianerland befindet.« Ridgely zuckte mit den Schultern.
»Aber den Indianern ist es verboten, die Grenzen ihrer Reservation zu überschreiten. Habe ich recht?«
»Verdammt, Kellogg, was fragen Sie mich? Ich bin weder Offizier noch Beamter des Büros für Indianerangelegenheiten und auch kein Politiker. Ich bin nur ein Scout und im Übrigen ein Mann, der in diesem Land zu überleben versucht wie jeder andere auch.«
»Falsch, Ridgely. Gerade weil Sie kein Blaurock, kein Bürohengst und kein Politiker sind, ist Ihre Meinung wichtiger. Sie kennen sich aus. Sie wissen nicht nur, was wirklich los ist und der Öffentlichkeit verschwiegen wird. Sie sind an Ort und Stelle gewesen und wissen, was die beste Lösung des Problems wäre.«
»Schmieren Sie mir keinen Honig ums Maul, Kellogg«, sagte Ridgely schroff. »Sie wollen mich aushorchen. Aber Sie können meine Meinung erfahren: Es gäbe keine Probleme, wenn man nicht immer wieder unnötigerweise welche schaffen würde. Die Indianer sind im Grunde einfach zu verstehen. Sie sagen, dass sie seit langen Zeiten in diesem Land leben und wir später gekommen seien. Folglich gehört das Land ihnen. Sie haben nichts dagegen, das Land mit uns zu teilen, aber sie wollen, dass wir ihre älteren Rechte respektieren. Sie haben längst begriffen, dass wir die Stärkeren sind und die besseren Waffen haben. Der Indianer ist ein Krieger. Er versteht die Sprache des Krieges. Aber er kämpft in erster Linie für die eigene Ehre, für den Ruhm. Er versteht nicht, dass man sich wegen eines Stück Lands gegenseitig ausrottet. Denn für den Indianer gehört das Land nicht den Menschen, der Mensch gehört dem Land. Die Erde ist ewig – der Mensch ist sterblich. Und der Indianer erwartet, dass Verträge eingehalten werden. Das ist doch ganz einfach, oder? Kompliziert wird es erst, weil viele von uns glauben, dass ein Vertrag mit einem Indianer nicht viel wert sei, weil der Indianer ein Wilder sei und man Versprechungen, die man ihm gegeben habe, deshalb jederzeit brechen könne.«
»Es