Laurie Penny

Babys machen und andere Storys


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auf der Treppe herum, maunzte und machte sich aus Höschen, die unter dem Bett lagen, kleine Nester, bis ich sie fand und wegwarf; die Katze und ich sahen einander nicht an, weil es uns beiden sichtlich peinlich war.

      Schließlich schien Pocket zu begreifen, dass Jackie nicht zurückkommen würde. Sie hörte auf, wie eine Blöde durch die Wohnung zu rennen, und saß nur noch da, die mandelförmigen Augen halb geschlossen. Sie starrte die Tür an oder hockte unter dem Wasserhahn und ließ sich volltropfen, plitsch, platsch, ohne sich auch nur zu bewegen. Oder sie lag auf dem Bett, ausgestreckt wie ein überfahrenes Tier, und machte dieses grässlich ächzende Autoreifengeräusch.

      Ich weiß nicht, warum ich anfing, Videos zu drehen. Wenn ich ehrlich bin, hoffte wahrscheinlich etwas in mir, sie würde sie sehen. Sie liebte die Tierclips, musste dauernd heulen, wenn sich die dusseligen kleinen Bulldoggen nicht auf den Beinen halten konnten, auf ihrem flauschigen kleinen Rücken hin und her schaukelten und mit den Beinen strampelten. Das sei eine Metapher für unsere Beziehung, sagte sie. Ich sagte, laber doch keine Scheiße – einer dieser Sätze, die ich mir besser verkniffen hätte.

      Die Katzenvideos mochte sie am liebsten. Katzen in Schachteln. Katzen, die in Schachteln zu klettern versuchten, obwohl sie zu klein dafür waren. Katzen, die wie Menschen auf die Toilette gingen. Katzen, die sich so benahmen, dass Menschen sie mehr liebten als andere Menschen.

      Jedes Mal, wenn ich einen Clip postete, in dem Pocket die Wand anstarrte, hoffte ich wahrscheinlich, dass Jackie ihn sehen würde und Bescheid wüsste. Sie würde ihn sehen, und sie würde sehen, wie traurig die Katze war, und sich zumindest mal melden.

      Aber sie meldete sich nicht. Andere Leute meldeten sich.

      Hunderte von Leuten. Dann Tausende.

      Dann Zehntausende, und alle sagten dasselbe. Die Katze bin ich, sagt Dina9 aus Albuquerque. Sad Pocket berührt mich tief in der Seeeeele, sagt Toni aus Hamburg. Warum, um Himmels willen, ist die Katze so traurig?? Jemand muss sie retten!!, sagt KitKatCally aus London.

      Genau. Komm, und rette uns, Jackie. Komm nach Haus und rette uns beide.

      Bald arbeitete ich mehrere Stunden am Tag an den Videos. Und wahrscheinlich war ich nicht sonderlich überrascht, als ich telefonisch zu meiner Arbeitsstelle zitiert wurde.

      Man führte mich durch die Eingangshalle in einen kleinen Raum, in dem ein kleiner Mann in Anzug und Schlips auf mich wartete, vor sich einen Stapel Papier, auf dem Gesicht ein aufgesprühtes Lächeln.

      Miss Lehman, sagte der Schlipsträger. Er erweiterte meinen Namen um acht zusätzliche Konsonanten. Den Snobs reicht es nicht, dass sie alles Glück und alles Geld haben, sie horten auch noch alle Konsonanten. Danke, dass Sie so kurzfristig gekommen sind.

      Ich sagte ihm, dass man mich wie die Zitrone aussprach, Lemon, und außerdem hätte ich wohl keine andere Wahl gehabt, Sir.

      Oh, nennen Sie mich Ollie, sagte der Schlipsträger und zog die Mundwinkel hoch, ohne mit den Augen zu lächeln. Ich nehme an, Sie wissen, warum Sie hier sind. Ich war darauf gefasst, gefeuert zu werden, sagte es aber nicht.

      Wir sind alle sehr beeindruckt von Ihrer, ähm, freiberuflichen Tätigkeit, sagte er. Sehr innovativ, wirklich. Unser Unternehmen hat sich auf leichte fröhliche Inhalte spezialisiert. Das Sad-Pocket-Format unterwandert dieses Prinzip. Es schafft eine Beziehung. Es ist ein völlig anderes Produkt, eins, von dem wir gar nicht wussten, dass es uns interessieren könnte.

      Wir bieten einen verfolgbaren digitalen Dienst für Gefühlsansteckung, aber offenbar ist tragische Katharsis ebenso ansteckend wie komische Erleichterung. Unsere wichtigsten Projektpartner sehen das genauso. Das Ministerium für Arbeit und Versorgung interessiert sich für Sie.

      Ich nickte und starrte auf einen Punkt knapp oberhalb seines rechten Ohrs. Den Trick habe ich in der Schule gelernt. Er garantiert, dass sich jemand leicht unwohl fühlt, ohne genau zu wissen, warum.

      Der Schlipsträger rutschte auf seinem Stuhl hin und her und räusperte sich.

      Also, jedenfalls, äh, es geht um Folgendes. Wir wollen Sad Pocket in unsere Marke integrieren. Sie als Besitzerin erhalten natürlich Boni. Eine Gewinnbeteiligung, vielleicht sogar einen kleinen Vorschuss. Selbstverständlich brauchen wir die exklusiven Rechte für den Markennamen Sad Pocket und das Verfügungsrecht. Hier vor Ort.

      Ich fragte ihn, ob er meine Katze ernsthaft requirieren wolle.

      Umsiedeln, korrigierte er und grinste mich an, als wäre ich ein leckerer kleiner Snack. Die Katze erhielte eine vorzügliche Betreuung. Wirklich, das ist nur vernünftig. Das Tierchen ist wertvolles geistiges Eigentum. Sie wissen das ja bestimmt, als Besitzerin.

      Ich erklärte ihm, dass ich nicht die Besitzerin sei, sondern Pocket nur füttere, bis die Besitzerin zurückkomme, und außerdem gehe es uns bei mir zu Hause ganz gut, danke schön.

      Ah, sagte der Schlipsträger. Nun, ich sage Ihnen das wirklich nicht gerne, aber es gibt da ein paar juristische Details zu bedenken.

      Der Schlipsträger ließ sich von einem ebenfalls Schlips tragenden Lakaien ein Blatt Papier geben und erklärte mir, ich hätte keine Wahl. Urheberrechtsverletzung blablabla. Blablabla ungenehmigte freiberufliche Tätigkeit. Die beiden lächelten unentwegt. Sie boten mir Kaffee an. Ich lehnte dankend ab.

      Am nächsten Tag kreuzten drei Kerle in Security-Jacken bei mir zu Hause auf und nahmen Pocket mit.

      Ich durfte sie nicht besuchen. Nicht, dass ich gewusst hätte, was ich mit ihr hätte anstellen sollen. Ich meine, sollten wir den neuesten Tratsch austauschen? Ich weiß auch nicht. Ich nahm mir eine Zeit lang frei, und in der Firma fanden das offenbar alle in Ordnung. Ich hatte jede Menge Urlaub angespart. Meine freien Tage verbrachte ich auf dem Sofa. Ich sah mir Clips an und fand Pocket innerhalb von weniger als zehn Sekunden, aber das machte mich einfach nur traurig. Deshalb sah ich mir wie die meisten Leute lieber die Welpen an. Und den frechen Foxterrier. Und den Plumplori, der breit grinste, wenn man ihn kitzelte. In Wahrheit ist das für diese schrägen Dschungelviecher eine Form der Folter. Mit dem herrlich menschlichen Lächeln drücken sie ihre Todesangst aus. Aber wen juckt’s? Ist doch total süß.

      Ich lag also auf dem Sofa, sah mir die Videos an und schmorte im Schweiß meiner Schlabberhosen vor mich hin.

      Alles wäre wunderbar gewesen, wenn durch die Wand aus der Nachbarwohnung nicht wieder dieses Geheul gekommen wäre.

      Ich setzte mir Kopfhörer auf. Es half nichts.

      Ich hämmerte gegen die Gipskartonwand, damit ich ungestört weiter in meinem Drecksaft schmoren konnte. Keine Antwort.

      Schließlich zog ich mir Schuhe an, ging nach nebenan und klingelte etwa eine Stunde lang Sturm, bis White Boy Dreadlocks und die Kleine aus Almost Famous endlich aufmachten.

      Ich sagte kein Wort. Ich stürmte an ihnen vorbei ins Wohnzimmer, wo ich mit offenem Mund stehen blieb. Besichtigte das Chaos aus sabbernden, winselnden, scheißenden Viechern und musste lachen.

      Denn da waren elf halb ausgewachsene englische Bulldoggen und nahmen das Zimmer auseinander. Ich wusste genau, wo sie herkamen.

      Dreadlocks nieste im Hintergrund – wahrscheinlich eine Allergie –, und die Karen-Carpenter-Billigversion zupfte an meinem Ärmel.

      Sie sind nicht mehr lange da, Miss, sagte sie. Bitte sagen Sie es niemandem. Und dann jammerte sie ordentlich herum, was genau, weiß ich nicht mehr.

      Einer der Hunde bestieg einen anderen, und sie begannen japsend zu poppen. Die Hippietussi schauderte und entschuldigte sich gleich wieder. Da kam mir eine echt interessante Idee.

      Nein, sagte ich. Das ist toll. Ich glaube sogar, wir können uns einigen.

      Schritte in der Eingangshalle, fast geräuschlos. Ich höre sie nur, weil ich schon darauf warte. Dann ein leises Klopfen an der Tür. Er ist hier.

      Ich lasse ihn schnell rein. Er schiebt sich zwei schmuddelige Dreadlocks hinters Ohr, während er sich im Monitorraum umsieht.

      Ach