Holly Summer

Boston Bad Boys (Sammelband)


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hingeschmissen? Er scheint kein Mensch zu sein, der mit Stress nicht umgehen kann. Im Gegenteil, er ist immer ruhig und besonnen. Außerdem wirkt er auf mich mehr wie ein Businessmensch, nicht wie ein typischer Clubbetreiber wie zum Beispiel Elijah. Als ich die vielen Anzüge und Hemden in seinem Schrank gesehen habe, war dieses Gefühl von Misstrauen wieder da, wenn auch nur kurz: Ich vermute, dass sie noch aus der Zeit stammen, als er an der Wall Street gearbeitet hat. Jetzt liegt sein Focus eben woanders.

      Ich kann einfach nicht verstehen, dass man einen guthoch bezahlten Job aufgibt und sich dafür einen Club aufbürdet. Vor allem, wenn man keine Ahnung oder Verbindung zu dieser Branche hat.

      Ob er mir etwas verheimlicht?

      Da es auch beruflich bei mir gerade nicht besser laufen könnte, schiebe ich diese Gedanken erst einmal von mir. Mister Fullerton hat uns gestern versichert, dass der neue Inhaber das Immobilienbüro als eine Art Zweigstelle führen und sich deshalb für uns nichts ändern wird.

      Tatsächlich ändert sich eine ganze Menge. Endlich sind wir Mister Fullerton los und ich bin mir sicher, dass wir mit dem neuen Inhaber auf alle Fälle besser dran sind. Außerdem sucht er noch einen Geschäftsführer für die Filiale. Nicht dass ich mir Chancen auf diesen Posten ausrechne, aber der Gedanke spukt mir schon im Kopf herum.

      Wenn ich jetzt noch die neue Wohnung bekomme, für die ich mich beworben habe, dann ist mein Leben perfekt. Die Besitzerin, eine ältere Dame, hat mir den Besichtigungstermin für heute bestätigt und Mister Fullerton hat mir sogar dafür freigegeben. Er hat sowieso nicht mehr lange etwas zu sagen, darum schert er sich auch einen Dreck darum, ob wir unsere Arbeitszeit einhalten oder nicht.

      Ich steige aus meinem Wagen und schaue zu dem Haus hoch. Es ist ein im Federal Style erbautes Backsteinhaus mit drei Etagen. Ein winziger Vorgarten ziert mit bunten Sträuchern das Anwesen und am Straßenrand verdecken große Laubbäume die Sicht auf die Straße und verleihen dem Viertel das Flair, sich nicht mitten in der Stadt zu befinden. Ich gehe die kleine Treppe hoch und drücke den Klingelknopf. Der Vorhang am Fenster links wird zur Seite geschoben und ich kann graue Haare und ein Gesicht mit einer Brille erkennen. Dann werden Schritte im Haus lauter, bevor die Tür mit einem leisen Knacken geöffnet wird.

      »Miss Anderson?«, begrüßt mich die kleine Dame, die gerade hinter dem Vorhang hervorgeschaut hat.

      »Hallo, ja, ich bin Sunday Anderson. Aber bitte nennen Sie mich Sunday.«

      Sie nickt und lässt mich eintreten.

      »Sie haben ein wunderschönes Haus«, lobe ich das Gebäude. Aber nicht, um mich bei ihr einzuschleimen, sondern weil es mir wirklich gut gefällt und ich schon immer gerne in diesem Stadtteil leben wollte.

      »Das freut mich, dass es Ihnen gefällt. Aber Sie haben ja noch nichts gesehen«, antwortet sie mit einem warmen Lächeln im Gesicht.

      Sie erinnert mich an meine Großmutter, warmherzig, gut gelaunt und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Aus ihrer Wohnung riecht es verführerisch nach selbst gebackenem Kuchen. Auch das ist wie bei meiner Großmutter. Ich glaube, hier könnte ich mich wohlfühlen, und meine potentielle neue Vermieterin gefällt mir jetzt schon.

      »Das hier ist meine Wohnung, darüber wohnt ein junges Pärchen und die Dachgeschosswohnung wäre dann Ihre.«

      Bewundernd schaue ich mich im Treppenhaus um. Das Geländer und die Treppe bestehen aus weiß lackiertem Holz. Die Stufen sind mit einem dicken roten Teppich ausgelegt, der jedes Geräusch dämpft.

      Alles wirkt sehr in die Jahre gekommen, aber gepflegt. Mrs. Bittersweet, so heißt die kleine Dame, bittet mich, ihr nach oben zu folgen. Es bereitet ihr sichtlich Mühe.

      »Die Treppen werden für mich immer anstrengender«, stöhnt sie, als wir den ersten Stock erreicht haben.

      »Leben Sie allein, Mrs. Bittersweet?«

      »Ja, seit sieben Jahren, seit mein Mann verstorben ist. Darum vermiete ich auch, um wenigstens das Gefühl zu haben, nicht allein zu sein«, gesteht sie.

      Sollte ich die Wohnung bekommen, nehme ich mir vor, sie öfter zu besuchen und ihr auch Besorgungen abzunehmen. Oben angekommen lässt sie mich in die Wohnung eintreten. Helles Licht flutet mir entgegen.

      Die Wohnung ist nichts Besonderes, sogar furchtbar klein, aber sie liegt mitten in der City und ist hell. Zwei kleine Zimmer, eine winzige Küche und ein schmales Badezimmer begrüßen mich. Man braucht sich in dem engen Flur nur einmal umzudrehen und hat alles gesehen.

      Dennoch verliebe ich mich sofort in sie. Die Fenster lassen viel Licht herein und die Einbauküche sieht noch ganz neu aus.

      »Die Küche ist neu eingebaut«, schwärmt sie, als hätte sie meine Gedanken erraten.

      Ja, hier könnte ich wohnen. Ich betrete eines der Zimmer, das zum Garten hinaus zeigt. Hier sind die Fenster noch größer als im vorderen Raum und lassen die warme Mittagssonne rein. Ich drehe mich zu Mrs. Bittersweet um und lächle sie an.

      »Ich würde die Wohnung sehr gerne nehmen.«

      Sie wirkt erstaunt. »Wirklich? Den meisten war sie zu klein.«

      »Für mich ist sie genau richtig. «

      Auf dem Gesicht der alten Dame erscheint ein entspanntes Lächeln, was ihre Falten noch tiefer wirken lässt.

      »Sie haben mir auch sofort gefallen. Gut, Sie sollen sie haben. Werden Sie allein hier einziehen oder mit Ihrem Partner? Nennt man das heute so?«, will sie wissen.

      Ich muss grinsen. »Ja, ich denke schon. Aber ich werde allein einziehen. Ich habe mich vor einiger Zeit von meinem Freund getrennt. Wir waren sechs Jahre zusammen«, gestehe ich ihr.

      »Oh, das tut mir leid.«

      Ich schüttle den Kopf zum Zeichen, dass ich darüber hinweg bin, während sie die Wohnungstür hinter uns schließt. Dann folge ich ihr hinunter in ihre Wohnung, die wie ein Schmuckkästchen wirkt. Überall stehen kleine Nippesfiguren und Fotografien. Selbstgehäkelte Zierkissen vervollständigen das alte Sofa, das mit rotem Samt überzogen ist.

      »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Sie trinken doch ein Tässchen Tee mit mir?«, fragt sie.

      »Sehr gerne, wenn es keine Umstände macht.«

      »Ach was, um diese Zeit trinke ich immer Tee. Meistens mit einer Freundin. Aber heute ist sie leider verhindert.«

      Dann schwirrt sie schon Richtung Küche und kommt wenig später mit einer verschnörkelten Teekanne zurück. Auf dem Tisch vor dem Sofa stehen bereits zwei winzige Tassen bereit und daneben eine Schale mit Keksen. Ich komme mir vor, als wäre ich in eine andere Zeit versetzt worden. Das hier ist alles so konservativ, genau wie bei meinen Eltern. Wenn ich da an Jay und seine Vorlieben denke, muss ich innerlich schmunzeln.

      Heute ist es soweit. Meine Koffer sind gepackt und Elijah hat einen Möbelwagen organisiert, den er jetzt umständlich im Hof einparkt. Ich stehe an der Tür und weise ihn ein. Da er scheinbar nichts sieht, öffnet er die Fahrertür und ruft zu mir nach hinten.

      »Wie viel Platz ist noch bis zur Garage, Sunday?«

      »Nicht mehr viel, vielleicht ein halber Meter«, rufe ich laut zurück.

      »Okay.«

      Er steigt aus und wirft die Tür zu.

      »Einen größeren Umzugswagen konntest du wohl nicht organisieren?«, frage ich mit Ironie in der Stimme.

      »Was willst du, wir bekommen alles rein und brauchen nur einmal zu fahren. Wo ist Sky?«, will Elijah wissen.

      »Er kommt gleich, sein Agent hat gerade angerufen.«

      »Und dein Neuer kommt auch?«, will Elijah wissen, als er die Ladefläche betritt.

      »Versprochen hat er es.« In diesem Moment fährt Jays Sportwagen vor dem Grundstück vor. Er parkt direkt vor der Einfahrt und steigt aus. Heute trägt er alte zerrissene Jeans, Turnschuhe und ein Sweatshirt, das auch schon bessere Tage gesehen hat. Hinter ihm springt Charly aus dem