Maschine steht im Hof«, ruft Ash durch die offene Küchentür und wirft mir die Schlüssel zu. »Ich wusste gar nicht, dass du auf Motorräder stehst«, flachst er.
Ich drehe mich zu ihm um, nachdem ich eine zweite Tasse unter den Kaffeeautomaten geschoben habe und zwinkere ihm zu. Der Duft von frischem Kaffee steigt mir in die Nase, als die braune Flüssigkeit in die Tasse läuft. Dann reiche ich Ash den Becher.
»Das tue ich auch nicht. Aber Sunday. Zumindest glaubt sie, dass ein Motorrad besser zu mir passen würde.«
Ash verschluckt sich fast, nachdem er die Tasse zu seinen Lippen geführt und den ersten Schluck genommen hat. »Du elender Snob. Was glaubt sie eigentlich, wen sie vor sich hat? Den coolen Bikertyp? Wie kann man sich nur so in einem Mann täuschen? Mit mir sollte sie ausgehen«, frotzelt er.
»Lass deine Finger von ihr, klar?«, warne ich ihn.
»Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Du kennst den Kodex zwischen uns: Finger weg von der Frau des anderen. Daran haben wir uns immer gehalten und werden es auch in Zukunft tun. Sunday ist dein Mädchen.«
In diesem Punkt waren Ash, Wyatt und ich uns immer einig. Schon auf der Highschool hätte nie einer von uns etwas mit der Freundin des anderen angefangen.
»Ich habe Simon übrigens versprochen, einen Job zu übernehmen«, wechselt Ash das Thema.
»Du arbeitest wieder für den CIA? Wen sollst du denn dieses Mal beschatten?«
»Das wird übel. Es geht einzig und allein darum, eine reiche, verwöhnte Millionärstochter zu beschützen«, spuckt er verächtlich aus. »Ich könnte mir weiß Gott eine sinnvollere Freizeitbeschäftigung vorstellen, als mich um eine verzogene Zicke zu kümmern. Aber ich habe es Simon versprochen.«
»Wer ist sie?«
»Irgendein Model. Ihr Dad ist stinkreich und kein unbeschriebenes Blatt. Er hat im Untergrund viele Kontakte und war in der Vergangenheit in einige dubiose Geschäfte verwickelt. Wir sind uns schon mal begegnet. Ich habe ihn ausfindig gemacht und dem CIA übergeben und jetzt soll ich seine Tochter aus der Scheiße ziehen. Er wird alles andere als begeistert sein. Zumindest weiß er, wie ich arbeite und dass er sich beruhigt zurücklehnen kann.«
»Also hat er die Seiten gewechselt und ist zu den Guten übergelaufen?«, frage ich interessiert.
»So ungefähr. Er hat in einem Waffenskandal dem CIA nützliche Informationen beschafft. Daraufhin konnte er nur mit Glück einem Attentat entgehen.«
»Ach, und was hat seine Tochter damit zu tun? Oder ist sie auch in die Machenschaften ihres Vaters verwickelt?«
»Um Gottes willen, nein. Sie ahnt nicht mal, dass ihr Daddy illegale Geschäfte gemacht hat. Sie hat die Täter gesehen. Ein Mann, der sie bewacht hat, ist bereits tot. Ihr Leben ist keinen Dreck mehr wert, wenn die Auftragskiller die Chance bekommen, ihre Mission durchzuführen. Du kennst diese Typen, die machen keine halben Sachen. Sollte das Syndikat die Kleine in die Finger bekommen, kannst du ihre Überreste in ganz Boston aufkratzen. Du weißt, wie diese Hirnamputierten ticken.«
»Hm, verstehe, und jetzt sollst du diesen Job übernehmen und die Kleine in Sicherheit bringen.«
»Wenn sie mitspielt. Sie ahnt nicht mal, in welcher Gefahr sie schwebt. Genaues weiß ich noch nicht. Ich treffe mich morgen mit Simon. Ich kann nur hoffen, dass dieses verwöhnte Gör sich meinen Anweisungen beugt, sonst kann ich für nichts garantieren.«
»Bei deinen Methoden wird das kein Problem sein.«
»Nun, wenn ich einen Auftrag übernehme, dann will ich auch der Gewinner sein.«
»Hast du denn schon je einmal verloren?«, stichle ich, weil ich genau weiß, wie akribisch er seine Aufträge verfolgt. Noch nie ist ihm einer entwischt und dieses Mädchen wird er sich schon nach seinen Vorstellungen zurechtbiegen. Da habe ich überhaupt keine Bedenken. »Wo ist sie jetzt?«
»Bei ihrem Vater auf seiner Ranch. Dort ist sie sicher. Vorerst zumindest.«
»Das heißt, du wirst in nächster Zeit von der Bildfläche verschwinden?«
»Ich lasse dich wissen, wo du mich erreichst. Jetzt muss ich los. Wir sehen uns bei der Eröffnung. Du kommst sicher mit Sunday?«
»Natürlich, dann werde ich Sunday ganz offiziell vorstellen.« Wieder wird mir bewusst, dass sie immer noch nichts von meiner wahren Identität weiß und dass es immer schwieriger wird, ihr das schonend zu offenbaren.
»Die Frau hat es dir angetan. Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus, Jay.«
»Vielleicht will ich da auch gar nicht mehr raus«, antworte ich nachdenklich, während ich Charly den Nacken kraule.
»Scheint mir auch so. Ich wünsch dir viel Glück.«
»Das sollte ich eher dir wünschen.«
Ash verzieht das Gesicht zu einer grimmigen Maske, boxt mich kurz gegen die Brust, dann verlassen wir zusammen das Haus.
»Bis heute Nacht, Charly, und pass mir auf das Haus auf!«, rede ich auf meinen kleinen Freund ein, bevor ich die Tür schließe.
»Dann zeig mal, ob du mit diesem Baby auch umgehen kannst«, zieht Ash mich auf, als ich mich auf die Maschine schwinge und den Helm über den Kopf ziehe.
»Ich werde dir zeigen, wie man mit dieser heißen Kiste über die Straßen von Boston fegt. Da kannst du noch was lernen.«
»Du bist ein elender Angeber, Jay Edwards. Setz mich einfach irgendwo in der Stadt ab. Das Motorrad kannst du mir morgen Nachmittag wieder vorbeibringen.«
Ash setzt sich ebenfalls den Helm auf, steigt hinter mir auf den Sitz und wir verlassen mein Grundstück Richtung Innenstadt.
»So solltest du mit Sunday auf den Rücksitz nicht in die Kurven gehen«, höre ich Ashs Stimme hinter mir, die von den Geräuschen der vorbeifahrenden Autos und dem Helm gedämpft werden, als ich an einer roten Ampel anhalten muss.
Das ist nicht der Ash, den ich kenne. Was ist nur mit uns los? Sind wir schon zu alt geworden, oder einfach nur erfahrener, uns nicht mehr auf die waghalsigen Dinge im Leben einzulassen?
»Glaubst du etwa, ich wäre verantwortungslos?«, schreie ich nach hinten.
»Lass mich da vorne an der Ecke absteigen«, schlägt Ash vor, ohne auf meine Frage einzugehen, und deutet auf einen Taxistreifen.
Ich fahre die letzten Meter und halte an. Ash steigt ab, zieht sich den Helm vom Kopf und befestigt ihn an der Maschine.
»Also, bis morgen Nachmittag.«
Ich nicke ihm zu, schaue nach hinten und reihe mich wieder in den Verkehr ein. Heute habe ich eine besondere Überraschung für mein Mädchen. Vor ihrer kleinen Wohnung stelle ich das Motorrad ab, und schaue zu ihren Fenstern im dritten Stock hinauf. Ich muss unwillkürlich an unsere letzte Nacht denken. In jedem der Zimmer habe ich es ihr besorgt. Das dritte Mal, nach der Küche und dem Bad, im Wohnzimmer. Erschöpft ist sie in meinen Armen eingeschlafen, als ich sie ins angrenzende Schlafzimmer getragen und auf das Bett gelegt habe, in dem Charly es sich bereits gemütlich gemacht hatte. Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, haben wir zu dritt in der Löffelchenstellung gelegen, bis Charlys lautes Schnarchen uns geweckt hat.
Jetzt brennt Licht in ihrem Schlafzimmer, das zur Straßenseite hinaus zeigt. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, betrete ich das Podest vor der Haustür und drücke den Klingelknopf. Die Gardine im Hochparterre wird zur Seite geschoben und das nette Gesicht von Mrs. Bittersweet, die ich gestern kurz kennenlernen durfte, erscheint am Fenster. Ich lächle sie freundlich an und sie winkt mir zu. Dann höre ich den Summer der Tür und drücke sie auf. Im Treppenhaus riecht es wieder nach frisch gebackenem Kuchen, genauso wie gestern, als Sundays Vermieterin uns als Willkommensgruß einen von ihren Napfkuchen vorbeigebracht hat.
Die Eingangstür zu Sundays Wohnung ist nur angelehnt und leise Musik dringt von drinnen nach draußen, und endlich höre ich ihre sanfte Stimme.
»Komm