Berichterstattung ab. Was hat dieser Mann, was ich nicht habe? „Geld ist für mich nur bedrucktes Papier“, hat er mal in einem Fernsehinterview gesagt. Ich möchte gern Franz Beckenbauer sein, dann hätte ich nicht meine Probleme, sondern seine!
„ Hallo, Uwe, ich glaube, mit deinem Auto stimmt was nicht!“
8.50 Uhr! – Es klingelt. Felix Stürzler steht schon wieder vor unserer Wohnungstür.
„Ich brauche deine Hilfe!“
„Aber du hast doch schon unseren Fernseher.“
„Ja, aber meinen muss ich zur Reparatur bringen.“
„Soll ich dir tragen helfen?“, frage ich vorsichtig.
„Denkst du etwa, ich kann das schwere Ding allein schleppen?“
„Nein, natürlich nicht“, entschuldige ich mich und ziehe meine Jacke über.
„Vergiss deinen Autoschlüssel nicht!“, sagt er mit einem kategorischen Imperativ. Wie selbstverständlich nehme ich meinen Autoschlüssel vom Schlüsselbrett. Im Aufzug, wir haben das Gerät abgesetzt, frage ich ihn: „Wozu brauchen wir meinen Autoschlüssel?“
„Irgendwie muss ich doch meinen Fernseher in die Werkstatt bekommen!“
„Heißt das … willst du etwa damit sagen, dass …“
„Nun gib schon den Schlüssel her!“ Er reißt ihn mir aus der Hand. „Mein Wagen ist in Reparatur!“
9.14 Uhr! – Ich sitze mit genau vierzehn Minuten Verspätung am Schreibtisch und beginne die beiden Satiren, die ich letzte Woche verfasst habe, zu überarbeiten. Nach dem ersten Absatz meldet sich das Telefon. Meine Frau ist dran.
„Du, es wird heute etwas später. Geh bitte einkaufen! Wir brauchen Brot, Butter, Milch, Ketchup, eine Gurke, ein paar Tomaten, aber keine holländischen, Kaffee, Filtertüten, ein Stück Seife, die Fernsehzeitschrift für nächste …“
„Die brauchen wir nicht mehr.“
„Wieso?“
„Ich habe Felix unseren Apparat geliehen, seiner ist …“
„Du hast was!?“ – Ich lege schnell auf, schnappe den Einkaufskorb und sprinte zur Tür. Wieder klingelt das Telefon.
„Warum hast du aufgelegt?“
„Aber Schatz, ich habe nicht aufgelegt, wir müssen unterbrochen worden sein.“
„Du gehst jetzt sofort in die Kaufhalle und holst all das, was ich dir aufgetragen habe! Und wenn ich nach Hause komme, steht unser Fernseher wieder da, wo er immer steht! Verstanden?“
10.08 Uhr! – Ich setze die schweren Einkaufstaschen in der Küche ab und verstaue alles im Kühlschrank, zerstreut wie ich bin, auch die Seife. Plötzlich klingelt das Telefon. Diesmal ist es mein Verleger Dr. Wilfried Hunger.
„Wie weit sind Sie mit den noch ausstehenden Texten?“, fragt er ungeduldig.
„Nun ja, um ganz ehrlich zu sein …“, antworte ich ausweichend.
„Nun hören Sie mir mal gut zu! Sie denken wohl, Sie sind der einzige begabte Autor. Bis nächste Woche liegen die Geschichten auf meinem Tisch oder Sie können Ihr nächstes Buch in den Wind schreiben!“
„Sie können auf mich zählen. Ich werde mich sofort an die Arbeit machen.“
Ich setze mich an meinen Schreibtisch und lasse die neuen Satiren vorerst ruhen. Als ich die erste Textdatei laden will, klingelt erneut das Telefon.
„Hast du den Fernseher geholt?“ Früher klang die Stimme meiner Frau reizend, jetzt nur noch gereizt.
„Schatz, ich bin gerade vom Einkauf zurück. Aber ich gehe sofort zu Felix runter und hole ihn.“
„Das will ich dir auch geraten haben! Sonst gnade dir Gott!“
10.39 Uhr! – Ich klingle verzweifelt bei Stürzlers. Niemand macht auf oder will aufmachen. Ich muss es später noch einmal versuchen.
10.44 Uhr! – Zurück am Schreibtisch. Ich hoffe, endlich die nötige Ruhe zu finden, um an meinen Geschichten weiterarbeiten zu können. Das Telefon meldet sich.
„Ich bin’s, Richard!“, dröhnt die tiefe Stimme meines Freundes und Kunstmalers Richard Querstrich durch die Leitung.
„Du, im Moment hab ich alle Hände voll zu tun!“, versuche ich ihn abzuwimmeln.
„Schön für dich. Ich liebe auch diese kreativen Phasen. Aber was ich sagen wollte, ich habe ein neues Bild gemalt.“
„Schön, Richard, bei Gelegenheit sehe ich’s mir an.“
„In Ordnung, die Gelegenheit hast du jetzt. Du brauchst nur mal schnell an deine Wohnungstür zu kommen!“
Verdutzt lege ich auf. Tatsächlich, Richard Querstrich steht vor unserer Tür, ein Handy am Ohr und lächelt mich spitzbübisch an.
„Da staunst du, was? Genial. Diese Dinger sind einfach genial.“
„Ich hab nicht viel Zeit.“
„Nur fünf Minuten für einen guten Freund“, bettelt er, steht bereits im Korridor und wickelt sein Bild aus.
„Aber wirklich nur fünf Minuten“, werde ich weich.
Aus den fünf Minuten wird eine geschlagene Stunde mit zwei Flaschen Bier und drei Gläschen Kognak. Ich lobe das Bild in der Hoffnung, ihn auf diese Weise loszuwerden. Leider erwächst mir daraus eine Kaufverpflichtung.
„Ich mache dir einen Sonderpreis!“, lockt Richard geschäftstüchtig. „Dreihundert Euro. Komm, das ist halb geschenkt!“
„Ich möchte es nicht einmal ganz geschenkt!“, wehre ich ab.
„Dir gefällt es also gar nicht, du Heuchler“, wirft er mir beleidigt an den Kopf.
„Nein, Richard, nur im Moment habe ich andere Sorgen, als dir ein Bild abzukaufen.“
„Na schön, du elender Feilscher, ich komme dir entgegen. Einhundert Euro. Mein letztes Angebot.“
Ich gebe Richard den Hunderter und freue mich über die teuer erkaufte Ruhe.
12.10 Uhr! – Mein Magen fordert ungeduldig sein Recht auf Nahrung ein. Bevor ich weiterarbeiten kann, muss ich ihn erst mal zufriedenstellen. Ich hole mir ein halbes Grillhähnchen und würge das trockene Fleisch hinunter.
12.43 Uhr! – Ich lese die erste Geschichte und weiß plötzlich, wo ihre Schwächen liegen. Mitten in meine Suche nach passenden Formulierungen schrillt die Klingel. Felix steht vor unserer Wohnungstür, Hose und Jacke zerrissen und mit Brandflecken, die noch etwas qualmen.
„Was ist denn mit dir passiert?“, frage ich über diesen seltenen Anblick belustigt.
„Frage lieber, was mit deinem Wagen passiert ist!“
Der Schock sitzt. Ich ahne Schlimmes.
„Du hattest einen Unfall!“, stelle ich dann doch erstaunlich nüchtern fest, obwohl die drei Kognaks noch immer ihre Wirkung zeigen.
„Mit Fahrerflucht! – Hier ist dein Schlüssel!“
„Du bist getürmt?“, frage ich entsetzt.
„Ich hab die Nerven verloren“, winselt Felix, macht auf den Absätzen kehrt und verschanzt sich hinter seiner Wohnungstür.
Mir dreht sich plötzlich alles im Kopf. Es ist völlig unmöglich, in diesem Zustand geistiger Umnachtung noch eine einzige Zeile zu schreiben. Ich gehe ins Wohnzimmer, versinke in einem der weichen Sessel und warte. Warte worauf? Dass es vielleicht wieder klingelt?
13.21 Uhr! – Es klingelt