Блейк Пирс

Auserwählt


Скачать книгу

ist ein blühendes Geschäft, glauben Sie mir. Reiche Leute sterben genauso wie alle anderen. Wer hätte es gedacht, was? Jedenfalls hat Dad einen wirklich guten professionellen Ruf in dieser Gegend, daher wissen sogar viele Forensiker wer er ist. Deshalb hat der Gerichtsmediziner meinen Namen erkannt.“

      Riley versuchte ihren Blick auf der Straße und den Autos, denen sie folgte, zu halten. Aber sie konnte nicht anders, als zu Ann Marie rüber zu spähen und zu versuchen, sie sich als Kind vorzustellen – vielleicht sogar als Baby – das in einem Bestattungsunternehmen umherlief. Was für Dinge hatte diese unbefangene junge Frau bereits in ihrem Leben gesehen? Hatte sie vielleicht sogar dabei zugeschaut, wie ihr Vater Einbalsamierungen durchführte? Und wenn ja, wie jung war sie beim ersten Mal gewesen?

      Als würde sie auf ihre stumme Frage antworten, sagte Ann Marie: „Ich nehme an, ich kenne das Geschäft in und auswendig. Deshalb ist Dad immer noch unglücklich darüber, dass ich mich für eine Polizeilaufbahn entschieden habe. ‚Da kann man nichts verdienen‘, sagte er mir immer wieder. Was er wirklich meint ist, dass er immer wollte, dass ich eines Tages das Familienunternehmen übernehme.“

      Ann Marie zuckte mit den Schultern und sagte: „Und ich dachte eine lange Zeit, dass ich das in Ordnung fände – bis ich diesen Mordfall gelöst habe und in das FBI Honors Praktikumsprogramm rekrutiert wurde. Jetzt brenne ich für dieses Geschäft.“

      Geschäft? dachte Riley.

      Sie hatte nie in all diesen Jahren das, womit sie sich beschäftigte, als „Geschäft“ angesehen.

      Nun wuchs Rileys Neugierde. Es schien eine Menge an dieser Kleinen zu geben, das sie nicht wusste.

      Sie sagte: „Erzähl mir von dem Fall, den du gelöst hast.“

      Ann Marie lachte bescheiden.

      „Ach, das war gar nichts“, sagte sie. „Es würde Sie langweilen, ich bin mir sicher.“

      Das bezweifle ich, dachte Riley.

      Aber jetzt war nicht die Zeit für eine Geschichte. Der Sheriff fuhr auf den Parkplatz des Polizeireviert ein, also folgte Riley ihm und parkte in der Nähe seines Wagens. Sie und Ann Marie stiegen aus ihrem Auto und gingen mit dem Sheriff zum Revier.

      Das Polizeirevier hauste in einem großen, schönen Kolonialgebäude. Als sie eintraten, sah Riley, dass der Ort frisch renoviert war und sehr modern aussah. Riley war sich sicher, dass das Revier mit der letzten Technik ausgestattet war. Die Menschen im Gebäuden schienen auf ihre Arbeit konzentriert zu sein. Es machte auf jeden Fall den Eindruck, dass Sheriff Wightman eine kompetente Truppe unter sich hatte, nicht die Art primitiver örtlicher Ordnungskräfte, mit denen Riley und Bill es oftmals zu tun hatten.

      Sie begann sich zu fragen, ob hier im eigntlich doch kein Bedarf am FBI bestand.

      Zum einen hatte sie immer noch keine Ahnung, wieso der Sheriff meinte, dass sie es mit einer Serie zu tun haben könnten, und nicht bloß mit einem einmaligen Mord.

      Während sie an den Schreibtischen der Angestellten vorbeiliefen, schien jedermann den Blick zu heben und Ann Marie anzulächeln, und diese erwiderte ihre Blicke und ihr Lächeln und winkte ein wenig.

      Ich nehme an, jeder mag sie, dachte Riley sich.

      Jeder, außer mir, anscheinend.

      Was Riley störte war, dass das Mädchen zu wissen schien, dass sie gemocht wurde – und dass sie hübsch war. Sie sonnte sich augenscheinlich in all der Aufmerksamkeit, die sie von den Menschen um sie herum bekam. Das erschien Riley nicht gerade eine besonders professionelle Haltung für eine angehende Verhaltensanalyseagentin zu sein.

      Riley und Ann Marie folgten Sheriff Wightman in einen großen Besprechungsraum, wo ein Ordner mit den Unterlagen zum Fall auf dem Tisch lag. Sie setzten sich alle und der Sheriff öffnete den Ordner und blätterte durch seine Inhalte.

      „Ich nehme an, ich fange am besten am Anfang an“, sagte er. „Letztes Jahr, am Abend von Halloween, ist ein Mädchen verschwunden – die siebzehnjährige Allison Hillis.“

      Wightman schob das Foto einer lächelnden Jugendlichen über den Tisch zu Riley und Ann Marie rüber. Obwohl sie nichts sagte, konnte Riley nicht anders, als das Bild mit dem Schädel der Leiche zu vergleichen, die vorhin aus der Erde gehoben worden war. Konnte es wirklich sein, dass das aus dieser gesunden jungen Frau geworden war?

      Sie wusste, dass es gut sein könnte. Bestimmte Arten von Monstern liebten es den Jungen und Gutaussehenden nachzustellen.

      Wightman fuhr fort: „Sie wurde zuletzt auf dem Weg zu einer Party gesehen, gekleidet in ein Skelettkostüm. Ihre Familie begann in dieser Nacht nach ihr zu suchen und rief am nächsten Morgen uns an. Ein paar weitere Tage vergingen ohne jede Spur von ihr und ihre Familie verfiel natürlich in Panik, genauso wie alle anderen, die sie gekannt hatten. Niemand sah Allison als die Art Jugendliche an, die einfach hätte davonlaufen können. Natürlich haben meine Leute und ich alles getan, um sie zu finden, aber ohne Erfolg.“

      Er nahm ein Blatt Papier in die Hand und fügte hinzu: „Eine Woche später wurde diese Nachricht auf dem Revier hinterlassen.“

      Er legte das Blatt vor Riley und Ann Marie auf den Tisch. Es war ein Brief, der aus ausgeschnittenen und aufgeklebten Buchstaben bestand, die auf ein weißes Blatt Papier geklebt waren. Dort stand:

      IHR SUCHT NACH DEM MÄDCHEN, DAS ALS TOD VERKLEIDET IST?

      VIEL GLÜCK.

      NUN IST DER ZIEGENMANN AN DER REIHE

      SEIN ZIEGENLIED ZU SINGEN.

      „Sie können sich vorstellen, dass uns das wirklich hat aufhorchen lassen“, sagte Wightman.

      Riley nickte und sagte: „‘Als Tod verkleidet‘ – das klingt auf jeden Fall wie Allisons Halloween Kostüm.“

      „Genau“, sagte Wightman. „Um ehrlich zu sein hat es uns auch zu Tode erschreckt. Denn bei dem Brief war noch etwas.“

      Er legte ein weiteres Blatt Papier aus – eine Fotokopie einer Karte mit einem kleinen roten Viereck drauf.

      Wightman erklärte: „Das ist die Karte von Ironwood Park. Und die markierte Stelle zeigt den exakten Ort, an dem wir noch vor einigen Minuten waren.“

      Wightman erschauderte bei der Erinnerung.

      „Ich habe mehrere meiner Männer mit dorthin genommen und wir fanden einen Hügel Erde, der genauso wie ein frisches Grab aussah. Natürlich haben wir das Schlimmste erwartet. Wir waren uns sicher, dass wir Allisons Leiche auf dem Grund dieses Grabes finden würden. Aber wir schaufelten die ganze Erde aus, die in dieses Loch geschaufelt worden war – und dort war nichts.“

      Wightman zuckte leicht mit den Schultern.

      Er sagte: „Natürlich dachten wir es sein ein Streich – ein kranker Scherz auf Kosten der Polizei und auch auf Kosten der armen Familie von Allison. Während das Mädchen immer noch verschwunden war, musste irgendein Mistkerl sich gedacht haben, dass es witzig wäre uns hinauszuschicken, um leere Gruben umzugraben.“

      Wightman seufzte entnervt.

      „Tja, es ist fast ein ganzes Jahr vergangen“, sagte er. „Seitdem haben wir jeden Tag versucht herauszufinden, wohin Allison verschwunden ist. Was auch immer wir versuchten, wir haben keine Antworten finden können. Dann haben wir letzte Nacht einen weiteren Brief bekommen.“

      Er schob ein weiteres Blatt Papier über den Tisch – eine weitere Nachricht, die aus ausgeschnittenen und aufgeklebten Buchstaben bestand:

SUCHT IHR IMMER NOCH NACH DEM MÄDCHEN, DIE ALS TOD VERKLEIDET IST?NÄCHSTES MAL ERWARTET EUCH MEHR GLÜCKDER ZIEGENMANN IST IMMER NOCH HUNGRIGER WIRD WIEDER MAHLEN UND SINGENIN DER NACHT VON HALLOWEEN

      Dann zeigte der Sheriff ihnen noch ein Blatt – eine Karte, wie die vorherige, mit einem roten Viereck am selben Fleck.

      „Das war im Brief enthalten“, sagte der Sheriff und zeigte mit dem Finger auf die Karte. „Naja, natürlich haben wir das erneut als grausamen Scherz angesehen. Ich hatte schon halb