worden war, die sich selbst „Tante Cora“ nannte und die die Kinder in ihrer Obhut darauf trainierte, Meisterkriminelle in ihrer eigenen kriminellen Organisation zu werden.
Jenn hatte es geschafft Tante Coras Klauen für lange genug zu entkommen, um eine brillante und vielversprechende junge Agentin der FBI Verhaltensanalyseeinheit zu werden. Riley war die einzige Person gewesen, der Jenn jemals von ihrer düsteren Vergangenheit erzählt hatte. Riley wusste auch, dass Jenn immer noch ab und zu von Tante Cora hörte und dass die diabolische Frau versuchte, Jenn wieder ihrem Einfluss zu unterwerfen.
Nachdem der Fall gelöst war, hatte Riley ein Päckchen erhalten, dass Jenns Dienstmarke und Waffe, sowie eine weitere rätselhafte Notiz enthielt:
Ich habe es versucht.
Da hatte Riley begriffen, dass Jenn zurück in Tante Coras dunkle Welt gekehrt war. Riley hatte Jenns Marke und Waffe pflichtbewusst an Brent Meredith weitergegeben, der bereits einen Kündigungsbrief von ihr erhalten hatte.
Soweit Meredith wusste, war also Jenns Beziehung zur Verhaltensanalyse vorbei. Er hatte kein Interesse daran herauszufinden, wo sie hin war und wieso. Es war ihm gleich, ob er jemals wieder ihren Namen hören würde.
Aber Riley konnte nicht anders, als zu hoffen, dass sie Jenn vielleicht irgendwie erreichen könnte – ihr vielleicht sogar helfen könnte, sich endgültig von Tante Cora zu befreien.
Riley hatte sich um Hilfe an Van Roff gewandt, weil sie sicher war, dass dieses Rätsel interessant genug war, dass er bereit wäre für dessen Lösung seine beträchtlichen Fähigkeiten einzusetzen.
Und nun meldete er sich bei ihr.
Ich sollte herausfinden, was er zu sagen hat, dachte sie.
Sie wählte Van Roffs Nummer und er hob direkt den Hörer ab.
„Ich wünschte, ich hätte bessere Nachrichten für Sie, Agentin Paige“, sagte Van.
„Konntest du irgendetwas herausfinden?“, fragte Riley.
„Überhaupt nichts“, sagte Van. „Sie haben erwähnt, dass ich vielleicht irgendetwas in der Personaldatenbank finden könnte – irgendetwas über das Kinderheim, in dem sie aufgewachsen ist.“
Riley nickte und sagte: „Jenn hat mir erzählt, dass darüber etwas in ihren Personalunterlagen stand. Das Kinderheim ist vor langer Zeit geschlossen worden, aber ich dachte, dass vielleicht irgendeine Information darüber dir einen Hinweis darauf verschaffen könnte – “
Van unterbrach sie: „Agentin Paige. Es gibt keine Personalunterlagen. Irgendjemand hat sich in die FBI Files gehackt und Jenn Rostons Personalunterlagen gelöscht. Es ist so, als hätte sie nie für das FBI gearbeitet.“
Riley wurde schwindelig vor Schock.
Van fuhr fort: „Irgendjemand will, dass niemand herausbekommen kann, was mit ihr passiert ist. Und wer auch immer dieser ‚irgendjemand‘ ist, er hat formidable Hacker-Fertigkeiten. FBI Datensätze zu vernichten ist eine ganz schöne Leistung.“
„Was ist mit der Adresse, die ich dir gegeben hatte?“
Riley meinte die Absenderadresse auf dem Päckchen mit der Waffe und der Dienstmarke, das sie bekommen hatte – eine Adresse in Dallas, Texas.
„Die ist erfunden“, sagte Van. „So eine Adresse gibt es nicht. Und ich habe alles versucht, um herauszufinden, ob sie womöglich noch in Dallas ist. Ich kann sie dort nicht finden, oder sonst wo. Es ist so, als sei sie von der Erdoberfläche verschwunden.“
Riley fühlte Resignation.
„Ok“, sagte sie. „Danke, Van.“
„Nichts zu danken.“
Dann fiel Riley etwas anderes ein.
„Van, ich habe dir einige Dinge über Jenn erzählt, die niemand wissen darf. Ich hoffe du wirst –“
Van unterbrach sie mit unpassend fröhlicher Stimme.
„Naja, es war so schön, dass Sie angerufen haben, Agentin Paige. Ich weiß es sehr zu schätzen. Ich freue mich, dass wir in Kontakt bleiben und schauen, wie es einander geht.“
Riley musste etwas lächeln. Sie wusste, dass es Van Roffs Art und Weise war ihr zu sagen, dass dieses ganze Gespräch in seinen Augen nie stattgefunden hatte. Sie konnte sich auf Van immer verlassen, was Geheimnisse betraf.
„Auf Wiederhören, Van“, sagte sie. „Und danke nochmal.“
Sie legte auf und sackte elendig auf dem Bettrand zusammen. Sie dachte an etwas, was Van gerade eben gesagt hatte.
„Irgendjemand will, dass niemand herausbekommen kann, was mit ihr passiert ist.“
Riley hatte den Verdacht, dass dieser „irgendjemand“ Jenn selbst war. Jenn wollte nicht gefunden werden. Und wenn Van Roff sie nicht finden konnte, konnte es unmöglich irgendjemand anderes.
Sie ist weg, dachte Riley. Jenn ist wirklich weg.
Riley kämpfte einen Moment lang gegen ihre Gefühle von Trauer, Wut und Verrat an.
Ich kann nichts dagegen machen, sagte sie sich. Jenn hat ihre eigene Wahl getroffen. Ich habe hier keinen Einfluss.
Gleichzeitig hatte Riley etwas, worauf sie sich freuen konnte. Sie erhob sich vom Bettrand und ging zu ihrem Kleiderschrank, um etwas Schönes zum Anziehen für ihre Verabredung auszusuchen. Während sie in ihrem Schrank stöberte, musste sie darüber lächeln, wie ironisch es war, dass sie heute so gut wie möglich aussehen wollte.
Wie komisch, dachte sie.
Hier war sie nun und versuchte einen Kerl zu beeindrucken, der sie besser kannte, als irgendjemand sie je gekannt hatte.
KAPITEL ZWEI
Sie hatten ihre Sandwiches bestellt und nun saß Riley schweigend da und schaute über den Tisch hinweg auf ihren Partner.
Bill erwiderte ihren Blick.
Sie lächelte und er lächelte zurück.
Keiner von ihnen sagte irgendetwas, aber es schien keinen Unterschied zu machen.
Zumindest genieren wir uns nicht, dachte sie.
Freilich, sie schienen sich beide gerade sehr komfortabel zu fühlen.
Sie saßen in einer gemütlichen, privaten Sitzkabine im Hannigan’s Public House. Nachdem sie jahrelang entweder im Gehen oder in versifften Cafés und Schnellimbissen gegessen hatten oder Pizza ins Motelzimmer bestellt hatten, war das eine ziemliche Abwechslung für sie beide – zumindest für sie beide zusammen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals zusammen in einem derartigen Lokal gesessen zu haben.
Und ganz bestimmt nicht, während wir nicht beide an einem Fall gearbeitet haben.
Sie freute sich, dass Bill Hannigan’s ausgesucht hatte für ihr…
Date, ermahnte sie sich. Wir haben gerade tatsächlich ein Date.
Tatsächlich machte es den Eindruck eines fast schon altbacken traditionellen Dates. Bill hatte sie sogar zuhause abgeholt und hatte sie hierher gefahren. Sie stellte auch erfreut fest, dass er, genauso wie sie selbst, sich auch einiges an Mühe gegeben hatte, um gut auszusehen. Er trug einen modischen Cardigan, der vorne zugeknöpft war, sein immer noch dichtes Haar war makellos zurückgekämmt.
Ein schöner Mann, dachte sie.
Bill war nie ein Goldjunge gewesen, wie ihr Ex-Mann Ryan. Er war nie charmant und hübsch gewesen, wie ihr Ex-Freund Blaine. Seine Gesichtszüge waren die eines Mannes, der ein hartes Leben gelebt hatte, doch er sah auch aus wie ein Mann, der etwas in seinem Leben geschafft hatte.
Riley wusste, dass das Leben auch bei ihr seine Spuren hinterlassen hatte. Ihr eigenes dunkles Haar, wie seins, zeigte bereits erstes Grau. Die Ringe um ihre Augen, wie um die seinen, spiegelten hässliche Begegnungen über die Jahre hinweg wider. Obwohl Männer im Allgemeinen zu ihr hingezogen zu sein schienen, wusste sie, dass die meisten von ihnen keine Ahnung hatten, was es eigentlich