Sir”, antwortete Luke ohne zu zögern. Es überraschte ihn überhaupt nicht, dass sie diese Mission verschwinden ließen. Er würde dasselbe tun, könnte er es.
„Spezialist Murphy?”
Murphy hob eine Hand und zuckte mit den Schultern. „Das ist eure Angelegenheit. Ich glaube, ich war noch nie auf einer Mission, die wirklich existierte.”
KAPITEL VIER
23. März
16:35
Spezialeinsatz Kommando, Armee der Vereinigten Staaten
Fort Bragg
Fayetteville, North Carolina
„Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?”
Luke nickte. „Danke.”
Waynes Frau, Katie, war eine hübsche Blondine, klein, etwas jünger als Wayne. Luke schätzte sie auf etwa vierundzwanzig. Sie war mit ihrer Tochter schwanger - im achten Monat - und ihr Bauch war riesig.
Sie lebte auf dem Stützpunkt, etwa einen Kilometer von Luke and Becca entfernt. Das Haus war ein winziger Drei-Zimmer-Bungalow in einer Nachbarschaft von exakt identischen Häusern. Wayne war tot. Sie war dort, weil sie sonst nirgendwo hatte.
Sie brachte Luke seinen Tee in einer kleinen, verzierten Tasse, die erwachsene Version der Tassen, die kleine Mädchen benutzen, wenn sie erfundene Tee-Parties abhielten. Sie setzte sich ihm gegenüber. Das Wohnzimmer war karg eingerichtet. Die Couch war ein Futon, das man für Gäste als Doppelbett ausziehen konnte.
Luke hatte Katie zwei Mal zuvor getroffen, beide Male für fünf oder weniger Minuten. Er hatte sie das letzte Mal vor ihrer Schwangerschaft gesehen.
„Sie waren ein guter Freund von Wayne”, sagte sie.
„Ja, das war ich.”
Sie starrte in ihre Tasse, als ob vielleicht Wayne auf ihrem Boden trieb.
„Und Sie waren auf der Mission, auf der er starb.” Es war keine Frage.
„Ja.”
„Haben Sie es gesehen? Haben Sie gesehen, wie er starb?”
Luke gefiel es jetzt schon nicht, worauf diese Fragen abzielten. Wie sollte er eine solche Frage beantworten? Luke hatte die Schüsse verpasst, die Wayne töteten, doch er hatte sehr wohl gesehen, wie er starb. Er gäbe fast alles dafür, es aus seinem Kopf zu bekommen.
„Ja.”
„Wie ist er gestorben?” sagte sie.
„Er starb wie ein Mann. Wie ein Soldat.”
Sie nickte, doch sagte nichts. Vielleicht war das nicht die Antwort, nach der sie suchte. Doch Luke wollte nicht weiter darüber reden.
„Hatte er Schmerzen?” fragte sie.
Luke schüttelte seinen Kopf. „Nein.”
Sie blickte in seine Augen. Ihre Augen waren rot und es standen Tränen darin. Es lag eine fürchterliche Trauer in ihnen. „Wie können Sie das wissen?”
„Ich habe mit ihm gesprochen. Er sagte mir, dass ich Ihnen ausrichten soll, dass er Sie liebt.”
Das war natürlich eine Lüge. Wayne hatte es nicht geschafft, einen ganzen Satz hervorzubringen. Doch es war eine Notlüge. Luke glaubte, dass Wayne dies gesagt hätte, wäre es ihm möglich gewesen.
„Kamen Sie deshalb hierher, Feldwebel Stone?” sagte sie. „Um mir das zu sagen?”
Luke atmete tief durch.
„Bevor er starb, bat mich Wayne darum, der Pate Ihrer Tochter zu werden”, sagte Luke. „Ich habe zugestimmt und ich bin hier, um diese Verpflichtung zu ehren. Ihre Tochter kommt bald zur Welt und ich möchte Ihnen auf jegliche mir mögliche Weise in dieser Situation helfen.”
Eine lange, stille Pause breitete sich zwischen ihnen aus. Sie dauerte länger und länger.
Schließlich schüttelte Katie kaum merkbar ihren Kopf. Sie sprach sanft.
„Ich könnte es niemals zulassen, dass ein Mann wie Sie der Pate meiner Tochter wird. Wayne ist wegen Männern wie Ihnen tot. Mein Mädchen wird wegen Männern wie Ihnen niemals einen Vater haben. Verstehen Sie? Ich bin hier, weil ich noch krankenversichert bin, weshalb mein Baby hier geboren werden wird. Doch danach? Danach werde ich so weit wie ich kann von der Armee und Leuten wie Ihnen wegrennen. Wayne war dumm, sich daran beteiligt zu haben und ich war dumm, ihn dabei zu begleiten. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Feldwebel Stone. Sie haben keine Verantwortung mir gegenüber. Sie sind nicht der Pate meines Babys.”
Luke fiel keine Antwort ein. Er blickte in seine Tasse und sah, dass er schon seinen Tee getrunken hatte. Er stellte sie auf den Tisch. Sie nahm sie auf und bewegte ihren Bauch zur Tür des winzigen Hauses. Sie öffnete die Tür und hielt sie auf.
„Guten Tag, Feldwebel Stone.”
Er starrte sie an.
Sie begann zu weinen. Ihr Stimme war so sanft wie zuvor.
„Bitte. Verschwinden Sie aus meinem Haus. Verschwinden Sie aus meinem Leben.”
Das Abendessen war trist und traurig.
Sie saßen sich am Tisch gegenüber und sprachen nicht. Sie hatte gefülltes Hühnchen und Spargel zubereitet und es war lecker. Sie hatte ein Bier für ihn geöffnet und ihm ein Glas eingegossen. Sie hatte nette Dinge getan.
Sie aßen still, fast so als ob alles normal wäre.
Doch er konnte sich nicht dazu bringen, sie anzusehen.
Auf dem Tisch in der Nähe seiner rechten Hand lag eine matt-schwarze Glock Neun-Millimeter. Sie war geladen.
„Luke, alles in Ordnung?”
Er nickte. „Ja, mir geht’s gut.” Er nippte an seinem Bier.
„Warum liegt deine Waffe auf dem Tisch?”
Schließlich blickte er zu ihr hinauf. Sie war schön, und er liebte sie. Sie war mit seinem Kind schwanger und sie trug eine geblümte Mutterschaftsbluse. Er hätte fast wegen ihrer Schönheit und der Macht seiner Liebe für sie weinen können. Er spürte sie intensiv, wie eine Welle, die gegen die Felsen krachte.
„Äh, die liegt nur hier, falls ich sie brauche, Liebling.”
„Warum würdest du sie brauchen? Wir essen doch nur zu Abend. Wir sind auf dem Stützpunkt. Wir sind hier in Sicherheit. Niemand kann…”
„Stört sie dich?” fragte er.
Sie zuckte mit den Schultern. Sie schob eine kleine Gabel voll Hühnchen in ihren Mund. Becca aß langsam und sorgfältig. Sie nahm kleine Bissen und sie brauchte oft lange, um ihr Abendessen zu beenden. Sie schlang ihr Essen nicht herunter, so wie manche Leute. Luke liebte das an ihr. Es war einer der Unterschiede zwischen ihnen. Er neigte dazu, sein Essen einzuatmen.
Er beobachtete sie dabei, wie sie in Zeitlupe ihr Essen kaute. Ihre Zähne waren groß. Sie hatte Hasenzähne. Es war niedlich. Es war reizend.
„Ja, ein wenig”, antwortete sie. „Du hast das noch nie zuvor getan. Hast du Angst, dass…”
Luke schüttelte seinen Kopf. „Ich habe vor nichts Angst. Unser Baby ist auf dem Weg, OK? Es ist wichtig, dass wir unser Kind vor Schaden schützen. Das ist unsere Verantwortung. Die Welt ist gefährlich, Becca, falls du das noch nicht gewusst hast.”
Luke nickte über die Wahrheit, die er da von sich gab. Er begann die Gefahren um sie herum immer mehr zu bemerken. In der Küchenschublade waren scharfe Messer. In dem Holzblock auf der Arbeitsplatte steckten große Tranchiermesser und ein riesiges Hackbeil. Im Schränkchen hinter dem Badezimmerspiegel befand sich eine Schere.
Das Auto hatte Bremsen und jemand konnte die Bremskabel ganz einfach durchschneiden. Wenn Luke wusste, wie das ging, so wussten das eine Menge anderer ebenfalls. Und es gab eine Menge Leute, die möglicherweise Luke Stone etwas zurückzahlen wollten.
Es