er, von seinem Lager aufspringend.
»Canondah wird es dir sagen«, rief sie, und die Tränen drangen ihr in die Augen.
Ihre Stimme, ihr ganzes Wesen zeugte von einer Aufregung, einer Leidenschaftlichkeit, die etwas Wahnsinnartiges hatte.
»Um Gottes willen, Rosa, was ist's, das dich so außer Fassung gebracht hat?«
»Canondah,« sprach das Mädchen, »o, mein Bruder darf nun nicht mehr fürchten, er wird –«
»Höre, mein Bruder!« sprach die Indianerin, die rasch zur Türe hereingetreten war, ihre starren, leblosen Augen auf ihn richtend. »Höre,« sprach sie mit zagend stockender Stimme und einer Feierlichkeit, die ihr etwas Schreckhaftes gab, »Canondah will tun für ihren Bruder, was das Auge ihres Vaters und ihres Volkes trüben wird; denn sie liebt die weiße Rose sehr, und sie kann ihre Tränen nicht länger mehr anschauen. Sie will ihrem Bruder den Pfad zeigen, der über den Sumpf führt und will ihn über den Fluß rudern. Will mein Bruder bei dem großen Geiste, den sein und ihr Volk anruft, versprechen, daß er nie seinem Volke, unsern weißen Feinden, den Yankees, verraten will, wo er gewesen und was seine Augen gesehen? Will er versprechen, daß er ihnen nicht den Pfad zeigen will, der zu den Wigwams der roten Männer führt?«
»Gewiß!« rief der Brite, »ich verspreche es auf das heiligste.«
»Dann nimm diese Kleider«, sprach sie, ihm einen indianischen Anzug reichend. »Diese«, auf die seinigen deutend, »würden bald von Dornen zerrissen sein. Der Fußtritt, den die Mokassins einprägen, ist sehr sanft, und in wenig Sonnen, wenn unser Volk zurückkehrt, werden sie es nicht mehr sehen. Hier ist rote Farbe,« fuhr sie fort, »unsere Männer werden dir nachsetzen, und vielleicht mag es sie auf eine falsche Spur leiten. Sei schnell.« Der junge Mann stand noch immer seiner selbst unbewußt.
»Ums Himmels willen sei schnell«, flüsterte ihm Rosa in der Türe zu. »Die Wasservögel fangen an zu schreien, es ist hohe Zeit.«
Beide Mädchen traten vor die Türe. Er schlüpfte mechanisch in das Hirschfellwams, warf das Jagdhemde über sich und war eben mit dem Gürtelhemde beschäftigt, als die Indianerin eintrat. Sie half ihm, band die Mokassins an seine Füße und schlang den Wampumgürtel um seinen Leib.
»Hier ist eine Wolldecke«, sprach sie, eine solche über ihn werfend. »Hier eine Jagdtasche mit Pulver und Blei, hier eine andere mit Kuchen und Wildbret, und dieses Gewehr wird Wasservögel töten und mit diesen«, ihm Stein, Stahl und Schwamm reichend, »wird mein Bruder Feuer machen, um die Vögel zu rösten.« Sie hing jedes Stück um ihn mit einer Sorgfalt, die sonderbar mit ihrem beinahe leblosen Erstarren abstach.
»Mein Bruder,« sprach Rosa, deren Wesen sich nun plötzlich in Würde und feierlichen Ernst verwandelt hatte, »lebe wohl, und wenn du einst eine glücklichere Schwester siehst, dann sage ihr von Rosen, und sie wird eine Träne ihrer Schwester weinen.«
Der Jüngling stand noch immer seiner selbst unbewußt. Plötzlich rannte er zur Türe und umschlang das schöne Mädchen. Sie wand sich aus seinen Armen und sank hilflos ohnmächtig auf die Erde nieder. Die Indianerin sprang hinzu, hob sie vom Boden und, sie zum Lager tragend, drückte sie einen Kuß auf ihre Wangen; dann faßte sie den Jüngling bei der Hand und eilte mit ihm aus der Hütte. Sie glitt durch die Laube, stahl sich durch Hecken und Gebüsche und eilte an den Hütten vorbei, so schnell, so leise, daß ihm der Atem und das Sehen verging. Gleich einer dunstigen Nachtgestalt schwebte sie vor ihm im dunkeln Sternenglanze und durch den düstern Nebel ohne Ruhe, ohne Rast, bis sie den dunkeln Wald betreten hatte. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihrer Brust. Sie sprach jedoch kein Wort und eilte schnell ins Innere. Es war finstre Nacht im tiefen Walde. Kein Laut war zu hören, kein Lichtstrahl zu sehen. Immer tiefer in den Wald rannte sie. Nun ertönte ein lautes Getöse, wie das entfernte Gemurmel eines herannahenden drohenden Haufens.
»Wir sind entdeckt,« rief der Jüngling, »die Eurigen sind uns auf der Spur.«
»Nein,« sprach die Indianerin im tiefen Tone, »es sind die Bullfrösche.« Das Gebrüll wurde schauerlicher und schauerlicher. Sie näherte sich dem Sumpfe, der unter ihren Füßen zu beben schien im fürchterlichen Gebrülle dieser Tiere, zwischen welchem dann und wann das dumpfe Stöhnen eines noch nicht ganz erstarrten Alligators sich hören ließ.
»Nun halte dich dicht an mich«, sprach die Indianerin, nachdem sie beinahe eine Stunde gerannt waren.
Ihre Schritte wurden nun äußerst behutsam. Sie streckte einen Fuß vorwärts, zog ihn wieder zurück, trippelte eine Strecke weiter und versuchte den Grund auf dieselbe Weise. Wieder kam sie zurück und kauerte sich dann auf die Erde nieder, von der sie Haufen von Gras und Lehm weghob.
»Wir sind auf den Stämmen, die die Unsrigen über den Sumpf gelegt haben. Halte dich nun am Zipfel meines Kleides.« Er faßte den Zipfel und beide schritten weiter.
»Fasse mich mehr«, rief die Indianerin, »und habe acht, ein falscher Schritt begräbt dich für immer im Schlamme.«
Sie waren endlich über den Sumpf.
»Wirf deine Wolldecke über den Kopf«, sprach sie, als sie am jenseitigen Rande des Sumpfes angekommen waren. »Der Wald auf dieser Seite ist voll von Dornen. Tritt in meine Fußstapfen; der Schlangen sind hier viele, und ihr Stachel ist tödlich. Bücke dein Haupt, oder die Dornen werden dir dein Gehirn aufreißen.«
»Was ist das?« schrie der Jüngling, der fortschreitend plötzlich fühlte, daß ihm seine Wolldecke vom Leibe gerissen wurde.
Seine Führerin trat zurück. »Es ist der große Dorn; mein Bruder muß sein Haupt neigen und seine Jagdtasche über Brust und Kopf halten, sonst werden ihn die Dornen durchbohren.«
Sie löste seine Decke vom Dorne und schritt weiter. Sie waren nun am Ufer des Sabine angelangt. Ohne einen Augenblick zu verlieren, sprang die Indianerin auf eine hohle Eiche zu.
»Mein Bruder«, sprach sie, »muß mir helfen das Kanu ins Wasser schieben.«
Beide nahmen das leichte Schiffchen und trugen es ohne Mühe ans Ufer hinab. Ein Stoß brachte es auf das Wasser. Sie nahm nun die Ruder und bat den Briten, still zu sitzen. Der Ruderschlag störte Hunderte von Schwänen, wilden Gänsen, Kranichen und Enten auf, die der ungewohnte Lärm in alle Richtungen über ihre Köpfe hinschwirren machte. Das Kanu glitt jedoch durch die Fluten, leicht wie eine Feder, dem Floßtiere nicht unähnlich. In wenigen Minuten hatten sie das östliche Ufer erreicht. Als sie ans Land gestiegen, nahm die Indianerin die Hand des Briten.
»Mein Bruder muß nun seine Ohren öffnen, er darf kein Wort seiner Schwester auf den Boden fallen lassen. Sieh, die Wiesen auf dieser Seite des Wassers sind leer, und der Bäume sind nur wenige. Mein Bruder muß zuerst dem Ufer dieses Flusses entlang aufwärts gehen, bis die Sonne sich neigt, und bis die Nacht vorüber ist, dann mag er sein Antlitz der aufgehenden Sonne zuwenden und dem Winde, der rauh und kalt ihm ins Gesicht bläst. Weiß mein Bruder, von welcher Himmelsgegend der Wind heult? Die Bäume werden es ihm sagen; sie sind rauh auf der Seite, wo sie angeblasen werden. Der Sümpfe sind nicht viele. Wenn mein Bruder aber zu einem kommt, muß er wissen, die zu täuschen, die vielleicht ihm folgen werden.« Sie hielt inne, als ob sie eine Antwort erwartete. Der junge Mann schien jedoch in Gedanken verloren.
»Meines Bruders Pfad«, sprach sie, »muß gekrümmt sein.« Wieder hielt sie inne, und dann sprach sie mit einer Stimme, deren sanft melodischer Ton das Innerste durchbebte. »Mein Bruder ist nun frei, und sein Pfad liegt offen vor ihm. Wenn er in die Wigwams seines Volkes kommt, dann mag er den weißen Mädchen zulispeln, daß die Töchter der roten Männer nicht weniger großmütig sind, als die der weißen. Möge mein Bruder nie vergessen, was die weiße Rose und ein rotes Mädchen getan haben, um seinen Pfad zu öffnen. Es wird vielleicht den Tomahawk ihres Vaters in ihrem Gehirne begraben«, flüsterte sie mit hohler, beinahe geisterartiger Stimme.
»Canondah!« rief der Jüngling in starrem Entsetzen. »Um Gottes willen, Canondah! was ist dies? Was meinst du damit? Droht meine Flucht dir mit Gefahr? Nein, nimmer soll es das – ich will zurück. Ich will den Miko erwarten und den Seeräuber.«
Aber das Mädchen hatte seine