Ulrich Hefner

Das Haus in den Dünen


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wir nicht ein bisschen Glück haben.«

      Es pochte an der Tür.

      »Ja«, rief Trevisan.

      Alex stürmte in das Büro. »Wer sollte ein bisschen Glück haben?«, fragte er mit einem Lächeln. Tina folgte im Schlepptau und legte einen Packen Briefe auf Trevisans Schreibtisch.

      »Was ist das?«, fragte er verdutzt.

      »Ein kleines bisschen Glück, würde ich sagen«, antwortete Alex.

      *

      Er bereitete sich vor. Es war alles ganz einfach. Das Benzin entnahm er mit einem langen Schlauch dem Tank seines Wagens. Er hatte sein neues Ziel ausgewählt.

      Und du wirst tappen am Mittag, wie ein Blinder tappt im Dunkeln, und wirst auf deinem Wege kein Glück haben und wirst Gewalt und Unrecht leiden müssen dein Leben lang, und niemand wird dir helfen.

      Das Wochenende stand bevor. In der Gegend fand der all­jähr­liche Bockhorner Markt statt. Vielleicht würde er morgen ein paar Stunden dort zubringen, das ein oder andere Bier trinken und dazu frische Krabbenbrötchen essen. Aber zuerst musste er alles für den morgigen Tag vorbereiten.

      Ob Swantje auch auf den Bockhorner Markt gehen würde? Vielleicht würde er sie sogar treffen und ein paar Worte mit ihr wechseln. Bockhorn war zwar nicht Amerika, aber immer­hin war es jedes Jahr ein schöner, gemütlicher Markt, der sich rund um die Straßen und Plätze der Stadt formierte.

      Du sollst fröhlich sein über alles Gut, das der Herr, dein Gott, dir und deinem Hause gegeben hat.

      »Hast du die Scheune aufgeräumt?«, riss ihn die Frage seiner Mutter aus den Gedanken. »Den ganzen Tag schraubst du an deiner alten Karre herum und alles andere bleibt liegen. Wenn doch noch Vater hier wäre, der würde dir die Hammelbeine schon lang ziehen. Aber ich alte, schwache Frau …«

      »Ich mache es gleich, wenn ich hier fertig bin«, beeilte er sich zu sagen. »Es dauert nur noch ein paar Minuten.«

      Den Benzinkanister schob er mit dem Fuß zur Seite, so dass er hinter dem Wagen aus dem Blickfeld der Mutter verschwand.

      »Das will ich auch hoffen«, antwortete sie. »In ein paar Stunden kommt Hilko und will seinen Wohnwagen unterstellen. Ich habe es ihm versprochen. Also sieh zu, dass du endlich fertig wirst.«

      Er nickte eifrig, bevor die Mutter hinter dem Haus verschwand. Innerlich zerbiss er einen Fluch. Den ganzen Tag nörgelte sie an ihm herum. Kaum war er aufgestanden, schon erteilte sie ihm Aufträge. Tu dies, tu das, mach schnell, werde endlich fertig, sei nicht so lahm, beeil dich, er hatte es satt, gründlich satt. Bald würde der Tag kommen, an dem dieses andauernde Kommandieren ein Ende hätte. Schließlich war Mutter schon vierundsiebzig. Aber sie hatte ein starkes Herz und eine Konstitution wie ein Ochse. Ihr Leben in Arbeit, jahraus, jahrein an der frischen Luft, hatte sie gestählt. Damals, als Vater Geld dazuverdienen musste und in einem Betrieb arbeitete, hatte sie alleine den Hof bewirtschaftet.

      In den vergangenen Jahren hatte sich viel verändert. Auf einem Drittel der Felder standen jetzt Windkrafträder und mit jeder Umdrehung floss Geld in die heimische Kasse. Kein Vermögen, aber genug für ein sorgenfreies Leben. Dennoch, es gab immer etwas zu tun. Aber das war nicht das Problem. Nein, es war diese verdammte Einsamkeit.

      Er schraubte den Kanister zu und legte ihn in den Wagen.

      Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen …

      *

      Monika Sander war an diesem Freitag spät auf die Dienststelle zurückgekehrt. Ihre Ermittlungen waren wieder einmal nicht vorangekommen. Unterdessen hatte sich Trevisan mit Alex und Tina abgesprochen. Sie konzentrierten sich auf die Brüder der Exfrau von Hans Kropp. Die hatten über zwanzig Briefe geschrieben, in denen sie Hans Kropp drohten, von ihm Geld forderten und ihm Prügel, ja sogar den Tod in Aussicht stellten. Ein besserer Ansatz für ein Motiv war schwerlich zu finden. Trevisan hoffte, am Ende der nächsten Woche zwei Verhaftungen vornehmen und den Fall abschließen zu können.

      Aber damit war Monika nur wenig geholfen. Sie trat auf der Stelle. Noch immer suchte sie vergeblich nach Hinweisen und jedem war klar: Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Brandstifter wieder zuschlagen würde. Würde es diesmal wieder einen Toten geben? Hatte der Feuerteufel inzwischen Gefallen am Töten gefunden?

      Als Trevisan sie mit verschränkten Armen und starrem Blick an ihrem Schreibtisch sitzen sah, betrat er leise das Büro, stellte sich hinter sie und massierte ihr den Rücken. Monika seufzte.

      »Und, bist du weitergekommen?«, fragte er leise.

      Monika richtete sich auf. »Sinnlose Befragungen, unendliche Listen von Verdächtigen«, klagte sie. »Wir sind noch genauso schlau wie zuvor. Und Schneider ist ein überhebliches und arrogantes Arschloch. Er hat gar nichts getan. Nun reibt er sich die Hände und ich kann mir die Hacken ablaufen.«

      »Ich habe von deinem Disput mit Schneider schon gehört«, erwiderte Trevisan. »Er war vor Jahren einmal der Karrierebeamte innerhalb unserer Direktion. Immer präsent, wenn es darauf ankam, und in aller Munde. Wusste alles, schaffte alles und war sich für nichts zu schade. Damals hätte ich darauf gewettet, dass er der neue Inspektionsleiter wird.«

      Monika schaute verwundert. »Und warum ist er heute nur Leiter des FK 3?«

      »Der Suff«, antwortete Trevisan. »Sein Erfolg war ihm wohl zu Kopf gestiegen. Da ein kleines Bierchen im Dienst, dort ein Likörchen. Am Ende stolpert der Hochmut über seine eigenen Beine.«

      »Er wurde erwischt?«

      »Er fuhr nach Hause und erwischte an der ersten Kreuzung den Ampelmast«, erklärte Trevisan. »Er ist weitergefahren, allerdings auf der Felge. Die Kollegen von der Streifenpolizei haben ihn im Jadeviertel gestellt. Man erzählt, er sei großkotzig ausgestiegen und habe sich gleich als neuer Inspektionsleiter präsentiert. Als das nichts nutzte, bot er ihnen Geld. Es gab ein großes Verfahren. Er bekam eine saftige Geldstrafe und war zehn Monate seinen Führerschein los.«

      »Aber er blieb im Dienst und ist jetzt Leiter des FK 3.«

      »Die Zeit verging und irgendwann ist jeder einmal dran. Und jetzt macht er nur noch seinen Job. Karriere ade.«

      »Er ruht sich im Büro aus«, widersprach Monika kratzbürstig. »Das nennst du seinen Job machen?«

      »Er macht seinen Job«, wiederholte Trevisan. »Ich habe nicht gesagt, dass er ihn gut oder engagiert macht. Er macht ihn halt, weil er hier sein Geld verdient. Er hat nichts anderes gelernt.«

      »So wie es viele machen«, resignierte Monika. »Sie eröffnen ein Verfahren, sie ermitteln, wie sie gerade lustig sind, und schließen es irgendwann ab. Und ihnen ist scheißegal, ob sie einen Täter ermitteln oder die Sache im Sande verläuft. Hauptsache, das Gehalt fließt und sie haben ihre Ruhe.«

      »Genau, deswegen brauchen wir das Leistungsprinzip im Berufsbeamtentum«, antwortete Trevisan spöttisch. »Beurteilungen, Beförderungen, Stellenbesetzung. Alles wird jetzt besser, wir arbeiten nach den Methoden der freien Wirtschaft.«

      »Und daran glaubst du wirklich?«

      »Hat schon einmal jemand beim Pferderennen versucht, mit einem Maulesel den Großen Preis von Bahrenfeld zu gewinnen?«

      Monika lächelte und schüttelte den Kopf.

      »Und ebenso wenig wird das Berufsbeamtentum die vorderen Plätze in der Wirtschaftswoche belegen. Und jetzt lass uns gehen. Genieß das Wochenende, wir machen am Montag weiter.«

      Monika seufzte, schließlich nickte sie und erhob sich.

      »Ach, bevor ich es vergesse«, sagte Trevisan, als sie gemeinsam die Dienststelle verließen. »Till ist da auf etwas gestoßen. Er hat, glaube ich, schon mit dir darüber zu reden versucht. Du hast ihn zu mir geschickt.«

      »Stimmt«, antwortete Monika. »Er hat mir auf dem Gang etwas über die Bibelzitate gesagt, aber ich kam gerade