die Nacht. Er hatte sich auf einen Baumstumpf in der Nähe niedergesetzt und genoss den züngelnden Tanz der Flammen. Immer höher schoss die Flammensäule in den Nachthimmel. Funken stoben hervor und verglühten nach einem kurzen Flug in der Dunkelheit. Eine graue Rauchsäule wuchs in den Himmel. Zufrieden seufzte er. Noch war der Brand in seiner Ausbreitungsphase, noch hatten die Flammen nicht jeden Punkt des Gebäudes erreicht. Dennoch wusste er, der Lichtschein war weit hinaus zu sehen. Am liebsten würde er bleiben, bis das letzte Leben in seinem Kind erloschen war, doch er wusste, dass er gehen musste. Er erhob sich, und verstaute seine Utensilien im Rucksack. Niemand durfte ihn in der Nähe sehen, niemand durfte sich auch nur einen vagen Eindruck von ihm verschaffen. Dennoch würde er in der Nähe bleiben, bis das letzte Licht erlosch.
Irgendwie war es gespenstisch. Im flackernden Licht erschien es, als ob die Bäume rund herum zum Leben erwacht wären. Er griff nach dem schwarzen Kanister, dann machte er sich auf den Weg. Der kleine, ausgetretene Trampelpfad führte durch den Wald. Niemand war um diese Zeit hier unterwegs. Er warf einen letzten Blick zurück. Das Feuer hatte nun das ganze Gebäude erfasst. Kurz blieb er stehen. Seine Augen glänzten. Schließlich stürzte das Dach unter lautem Donnern ein. Der Höhepunkt war erreicht. Er ging weiter. Auch wenn es bereits nach Mitternacht war, konnte er nicht ausschließen, dass jemand das Feuer entdeckt hatte. Es gab immer ein paar Augenpaare, die keine Ruhe in der Nacht fanden, egal wie spät es war.
Er beeilte sich, aber er rannte nicht, er hatte sein Tempo gefunden. Es nutzte nichts, wenn er über einen Baumstumpf stolperte und sich ein Bein brach. Seine Aufgabe hier in dieser Welt war längst noch nicht erfüllt. Für den Rest des Pfades, der durch eine kleine Schonung mit Jährlingen führte, nahm er sich Zeit. Hier war das Gelände noch unwegsamer als zuvor.
Dahinter lag die Straße. Dort hatte er verdeckt auf einem Waldparkplatz seinen Wagen abgestellt. Er überwand mit traumwandlerischer Sicherheit die letzte Hürde. Als er sich ins Auto setzte, atmete er erst einmal durch. Dann ließ er den Motor an, legte den ersten Gang ein und fuhr langsam hinaus auf die Landstraße nach Friedeburg. Zuvor schaute er sich noch einmal um, weit und breit war niemand zu sehen. Und das Feuer des Herrn brach mitten unter ihnen aus und griff am Rande des Lagers um sich. In ihrer Angst wandten sie sich an den Propheten und er betete für sie. Siehe da, das Feuer erlosch und von nun an hieß dieser Ort Tabera. Und er ward ihnen heilig.
*
02.37 Uhr zeigten die roten Ziffern des Radioweckers, als das Klingeln des Telefons Monika aus dem Schlaf schreckte.
Der Feuerteufel hatte wieder zugeschlagen. Er hatte eine Waldhütte bei Schoost angesteckt. Monika war sofort hellwach. »Wurde jemand getötet?«
»Bislang wissen wir es noch nicht«, erwiderte der Kollege vom Bereitschaftsdienst. »Die Feuerwehr ist noch zugange.«
»Ich komme«, beeilte sie sich zu sagen und legte auf.
Kleinschmidt schimpfte wie ein Rohrspatz, als Monika zusammen mit Dietmar Petermann am Brandort eintraf.
»Schöne Scheiße, das hier! Eine einfache Waldhütte und kein Mensch weit und breit. Dafür holt man mich aus dem Bett und ich kann mir hier die Nacht um die Ohren schlagen. Dabei feiert meine Schwester heute ihren Sechzigsten. Wir sind alle eingeladen. Um zehn treffen wir uns bei ihr, dann gehen wir in ein Gasthaus zum Essen. Aber das kann ich jetzt vergessen.«
»Es ist erst vier Uhr«, antwortete Dietmar Petermann sarkastisch. »Wenn du dich beeilst, dann kommst du zumindest rechtzeitig zum Geburtstagsmenü.«
Kleinschmidt winkte ab. »Die Feuerwehr braucht noch etwas Zeit, bevor wir ran können.«
»Wie sieht es aus?«, fragte Monika und schaute auf den qualmenden Schuttberg, der sich vor ihr im Licht einiger Scheinwerfer zeigte. Zwei Tanklöschwagen standen auf dem Feldweg und mindestens zwanzig Feuerwehrleute waren mit Löscharbeiten beschäftigt.
»Er hat sich diesmal ein ganz entlegenes Objekt ausgesucht«, entgegnete Kleinschmidt. »Ich denke nicht, dass wir eine Leiche finden werden. Es ist eine Hütte der Forstbehörde. Ein Lagerraum für Werkzeug.«
»Und woher weißt du, dass es der Feuerteufel war?«
Kleinschmidt ging zum Wagen, den er auf dem Feldweg abgestellt hatte. Als er zurückkehrte, streckte er Monika eine Tüte entgegen. »Das lag auf dem Baumstumpf dort hinten.«
Es war ein Din-A4-Blatt. Monika las laut: »Und das Feuer des Herrn brach mitten unter ihnen aus und griff am Rande des Lagers um sich. In ihrer Angst wandten sie sich an den Propheten und er betete für sie. Siehe da, das Feuer erlosch und von nun an hieß dieser Ort Tabera. Und er ward ihnen heilig.«
Ein Feuerwehrmann kam auf die Gruppe Kriminalbeamter zu. »Wir sind jetzt durch. Ich kann definitiv sagen, dass da keiner drinnen war.«
»Dann war die Sache am Hafen wohl doch nur Zufall«, mutmaßte Dietmar.
»Wir machen uns jetzt an die Spurensicherung«, erklärte Kleinschmidt. »Die Feuerwehr unterstützt uns. Aber ich sehe nicht viel Hoffnung. Den äußeren Bereich haben wir schon oberflächlich abgesucht und falls es Reifenspuren auf dem Weg gab, haben die schweren Laster sie überrollt.«
»Dann könnten wir ja praktisch wieder nach Hause«, sagte Dietmar.
»Wir bleiben hier«, entschied Monika. »Horst wird bei der Spurensuche jede Hilfe gebrauchen können.«
Dietmar verzog das Gesicht. »Na gut, und wo fangen wir an?«
Kleinschmidt deutete in Richtung des südlichen Waldstückes. »Du nimmst vier Mann und suchst das Wäldchen dort unten ab. Die Feuerwehrmänner haben Taschenlampen und starke Scheinwerfer dabei.«
»Sollten wir nicht warten, bis es hell geworden ist?«, fragte Dietmar.
Kleinschmidt schaute in den sternenlosen Himmel. »Es ist bewölkt, wir können nicht ausschließen, dass es regnet. Erinnere dich an die goldenen Regeln der Spurensicherung, oder liegt dein Lehrgang schon zu lange zurück?«
Dietmar schniefte. »Schon gut.«
»Ich werde mich mit Hanselmann um den Brandort kümmern, nehmt ihr euch die Umgebung vor. Es sind zwei Wehrleute aus Schoost dabei, die kennen sich hier gut aus. Ich werde sie zu euch schicken.«
Monika warf einen Blick auf ihre Schuhe.
Kleinschmidt bemerkte es. »Ich habe Gummistiefel im Wagen, die müssten dir passen.«
»Also los, dann an die Arbeit, Dietmar. Vielleicht reicht es dann wirklich noch zum Geburtstagsessen«, entgegnete Monika.
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