Natalie Yacobson

Schwan und Drache. Das Reich des Drachen


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Rose. Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber ihre Zunge gehorchte ihr nicht.

      Als der Bucklige ihre Worte hörte, sprang er von seiner Bank auf, beugte sich über das Podium und krächzte:

      «Du lügst!»

      Er warf den Hammer des Richters hinunter, kramte in den Papieren auf dem Tisch und zog ein zerknittertes Stück Papier mit zerrissenen Kanten heraus.

      «Du wusstest, welches Schicksal dich erwartete», sagte er und wandte sich an Rose. «Deine Lügen werden den Satz nicht mildern.»

      «Bring sie näher!» befahl der Richter.

      Die Wachen packten Rose sofort an den Ellbogen und zogen sie zum Podium. Der Bucklige holte eine Feder aus einem Tintenfass und schrieb noch ein paar Zeilen auf die Unterseite des zerrissenen Blattes. Dann legte er es hin und legte eine lange, schwere Hand auf Roses Schulter.

      Die Prinzessin wusste, dass er sich jetzt darauf vorbereitete, eine Art alten Hexenritus durchzuführen. Sie wollte sich befreien, aber die Wachen hielten sie fest und erlaubten ihr nicht einmal, sich zu bewegen.

      «Ich habe lange Zeit die Bestrafung für Sie aus der Liste der Zulässigen ausgewählt, aber keine von ihnen wird die Sünden, die Sie begangen haben, zurückzahlen», sagte der Richter erneut in einer funkelnden Krone. «Nach Zustimmung unseres Rates habe ich das Recht, auf die bisher verbotene Bestrafung zurückzugreifen. Die Ausführung wird abgebrochen. Stattdessen habe ich den Schwanenfluch auf dich gelegt.»

      Rose starrte ihn ungläubig an. Sie verstand nichts. Ein triumphierendes Lachen hallte durch die Halle. Rose drehte sich um, sah aber keinen einzigen Geschworenen. Alle Plätze waren leer, nur eine schreiende Herde von Gyrfalcons, Falken und anderen Vögeln flog durch die geöffneten Türen und verschwand in der Dunkelheit.

      «Lass sie wegfliegen!» Der Bucklige grunzte gebieterisch. «Das Ritual muss ohne unnötige Zeugen durchgeführt werden.»

      Er starrte seinen Gefangenen an und begann leise einige unverständliche, bedeutungslose Worte für einen einfachen Mann zu flüstern. Die Hypnose ging von ihm mit einem dunklen, starken Faden aus und drehte sich um Rose. Rose sah in die brennenden Augen des Zauberwirkers und es schien ihr, als stünde sie am Rande eines wütenden, feurigen Abgrunds. Die Prinzessin hatte Fieber. Ohnmacht näherte sich ihr wie ein Fremder in einem dunklen Umhang.

      Der Bucklige zog einen scharfen, angewiesenen Dolch aus seinem Gürtel und schnitt eine Haarsträhne aus Roses Kopf. Ein Strang schwarzer Schlange rollte sich um die geschärfte Klinge, bevor der Zauberer den Dolch in eine Schüssel senkte, die mit zischender, silberner Flüssigkeit gefüllt war. Beim Kontakt mit dem Strang und dem Metall nahm es sofort eine tiefe, schwarze Farbe an.

      Rose beobachtete fasziniert die Aktionen des Zauberers. Seine Worte und Gesten waren für sie unverständlich. Hier bedeckt er die Schüssel mit einem Stück lila Satin, auf das Vogelköpfe gestickt sind. Dann holt er eine Schachtel mit schimmerndem Silberpollen heraus.

      Das Mädchen machte einen weiteren verzweifelten Fluchtversuch, aber es war zu spät. Der Zauberer goss den Inhalt der ominösen Schachtel direkt auf Roses Kopf. Zuckerstaub bedeckte ihr Gesicht. Dornige Körner fielen auf das Kleid und verhedderten sich in ihren Haaren. Übelkeit stieg in ihrem Hals auf. Die Augen wurden dunkel. Ein scharfer Schmerz schoss durch ihren linken Arm, als hätte jemand ein Messer über das Handgelenk geschlagen.

      In diesem Moment ließen die Wachen ihren Gefangenen frei. Lautes Lachen hallte durch die düstere Leere. Rose streckte die Hand aus. Es war keine Hand mehr. Die Finger streckten sich zu langen Schwanenfedern, das Handgelenk hatte die Größe eines Vogelflügels. Schwindel nahe der Ohnmacht ließ nicht zu, dass Horror während der Transformation den Geist eroberte. Das Mädchen verschwand, anstelle von ihm kreiste ein schöner schwarzer Schwan unter der Decke und versuchte, sich aus dem stickigen Verlies zu befreien. Die Fenster und Türen waren geschlossen. Der Vogel eilte vergeblich von Ecke zu Ecke auf der Suche nach einem Ausweg.

      «Und du wirst bis zum Ende des Jahrhunderts ein Schwan sein.» Das Ende des Zaubers klang freudig und feierlich.

      Der Bucklige entfernte alle rituellen Accessoires. Er las den Vertrag zum letzten Mal und versteckte ihn in einer Schublade. Der Schwan, der verzweifelt gegen das Glas des hohen Fensters schlug, brachte ein selbstgefälliges Lächeln auf sein Gesicht.

      Währenddessen fielen funkelnde Federn von den schwarzen Flügeln. Der Schwan stieg langsam herab. Das Gefieder verschwand, aber das Auge konnte nicht die gesamte Abfolge der Transformationen sehen.

      Der Zauberer starrte zweifelnd auf die seltsame Szene vor ihm. Hatte er den Zauber falsch verstanden? Die verurteilte Frau sollte für immer ein Vogel werden, aber ein paar Minuten vergingen und sie verlor ihr Schwanenaussehen. Auf dem Boden lag kaum atmend kein Vogel mehr, sondern die alte Schönheit in Gold.

      Rose stützte sich auf die Ellbogen. Ihr ganzer Körper schmerzte nach der Verwandlung. Das Herz schlug einen rasenden Rhythmus. Die Arme, die vor einem Moment Flügel gewesen waren, schmerzten und bluteten. Das Mädchen überwand den Schmerz und stand auf. Der Zauberer bückte sich unter dem Gewicht seines Buckels und eilte auf sie zu. Etwas blitzte in seiner Hand wie ein lila Stern. Er sagte kein Wort, aber sein Blick donnerte vor Wut.

      Im Handumdrehen packte er das Handgelenk des Opfers, hinderte sie daran, ihre Hand zu bewegen, und legte einen Ring mit einem riesigen Amethyst auf seinen dünnen Finger. Kaltes Metall packte den Finger und brannte fast in die Haut. Rose versuchte den Ring zu entfernen, aber er schien an ihrer Hand zu haften.

      In der Zwischenzeit öffneten sich die Türen der Halle, ließen den Kopf der düsteren Gemeinde und seine Diener los und knallten erneut zu. Wandernde Lichter tanzten an den Wänden. Rose wurde allein zwischen den leeren Bänken und Ständen gelassen. Hier wohnte das dunkle Böse. Ein leises, kaum hörbares Flüstern kam aus der Stille.

      «Lass den Drachen für dich kommen!» flüsterte jemand ganz nah. Rose schaute auf ihre Hand und bemerkte entsetzt, dass die Stimme von dem leuchtenden Stein auf dem Ring kam. Alle seine Facetten schimmerten, und in der trüben violetten Tiefe blitzte ein blasses, winziges Gesicht auf und verschwand.

      Die Stille hallte mit einem höllischen Gebrüll wider. Rose schien, dass das gesamte Sonnenlicht hinter einem riesigen hohen Fenster konzentriert war und die Nachtsterne verdunkelte. Aber die Sonne konnte nicht so hell scheinen. Es war keine feurige Scheibe, die den Himmel erhellte, sondern eine majestätische, riesige Silhouette eines geflügelten Drachen, wie Magie, die in der Ferne erschien. Der Drache näherte sich. Feuer brach aus seinem Mund.

      Rose konnte nicht glauben, dass sie ihn sah. Hier ist er, der himmlische Herrscher, der Entführer junger Jungfrauen. Von seinem Gebrüll brach die Erde und die himmlischen Höhen rissen auseinander. Das Grollen ließ Rose aus ihren Ohren bluten. Der feurige Atem des Drachen versengte die Luft. Die Wände waren heiß von der Hitze. Rose kam es vor, als wäre sie in der Hölle.

      Metallflügel flatterten ununterbrochen, und das Mädchen dachte, es sei ein Hammer, der auf einen Amboss klopfte. Ein unerträgliches goldenes Leuchten blendete die Augen. Eine Krallentatze kratzte am Glas am Fenster. Aber der Drache ist zu groß für eine so enge Öffnung. Er kann hier nicht rein. Rose wurde ohnmächtig. Der Ring drückte ihren Finger noch fester.

      Für einen Moment herrschte eine rettende Stille, dann folgte ein starker Schlag. Das Fenster und ein Teil der Wand wurden von seiner Kraft gesprengt. Ein Wasserfall aus Holzspänen und Steinen sprudelte herab. Ein starker Windstoß riss an den Haaren des Mädchens. Sie hob den Kopf, um dem strengen, flackernden Blick des Drachen zu begegnen, der auf sie zuflog.

      Goldene Flügel pfiffen durch die Luft und fingen den Wind ein. Diese Geräusche klangen wie ein Lied.

      Starke Pfoten mit langen Krallen packten Rose und rissen sie leicht wie eine Feder vom Boden. Einen Moment später schwebte der Drache mit seiner Beute bereits hoch am Himmel.

      Die Insel wurde weit zurückgelassen, der Silver River aus der Höhe der Wolken schien wie ein schmaler, zitternder Faden, und die Dörfer waren in Würfeln auf dem Boden verstreut. Nichts konnte den rasenden Flug am Himmel bremsen. Der Drache stieg noch höher und ließ seine Beute nicht von seinen Krallen los.

      Eisböen