und er fragte spontan: „Bist du gekommen, um mir zu helfen, Alexander?“
„Ich habe von der Sache gehört und mir vom Gouverneur einen Sonderpass geholt. Damit bin ich mit der Klärung des Falles betraut, Mike.“
Er hob den Kopf und sah dem Baron fest in die Augen und schluckte. Dann sagte er mit rauer Stimme: „Es bleibt mir nichts erspart.“
Der Baron spürte, wie sehr er darüber entsetzt war, gerade und ausgerechnet in ihm den Mann zu sehen, der hier die Anklage vertrat, der gegen ihn recherchierte und ihn jetzt verhören wollte.
„Es ist alles anders, Mike. Ich wollte schon den ganzen Kram ablehnen. Aber es sind da einige Dinge, die nicht ins Bild passen. Mach es mir nicht zu schwer, Mike. Ich will nur eine einzige Frage stellen, um deren Beantwortung ich dich als Freund um jeden Preis bitte. Zuvor muss ich sagen, dass Grund für mich besteht, an deine Unschuld zu glauben. Deshalb bin ich ja geblieben. Aber es könnte anders sein, und ich müsste es einem anderen übergeben. Was, Mike, soll ich tun: bleiben oder gehen?“
Er hob wieder den Kopf und sah den Baron aus seinen hellgrauen Augen unbeirrt an und sagte fest: „Bleib, Alexander!“ Sein Vertrauen in den Freund schien zurückgekehrt zu sein. Er lächelte sogar. Und wie erleichtert fuhr er sich durchs graumelierte Haar. „Okay, Alexander, und jetzt frag mich aus.“
„Du hast Ferguson nicht getötet?“
„Nein. Ich habe ihn an dem Tage gar nicht gesehen. Und natürlich auch heute nicht. Außerdem, ich hätte ihn doch nicht an einer Stelle vergraben, an der früher oder später ein Bagger ihn ans Tageslicht … Ach, alles Unsinn. Ich weiß gar nicht, was das soll!“
„Mike, sind dir Pannen bei Operationen unterlaufen, die irgendwie jener Operation an Koog ähnelten?“
Er nickte. „Ja, ein ähnlicher Fall existiert. Damals hielten wir es für ein Versagen der Atmungsanlage. Das war nach einer Lungenoperation. Die Sauerstoffzufuhr hatte ausgesetzt. Ich beginne jetzt zu zweifeln.“
„Wo war das?“
„In Frisco, Marinehospital. Ist jetzt … hmm … ja, gut drei Jahre her.“ Er sah an dem Baron vorbei, und er hörte, wie die Tür hinter ihm knarrte. James trat ein.
„Baron, es tut mir leid, aber es ist dringend! Inspektor Hartman verlangt Sie über Sprechfunk. Ganz eilig!“
Der Baron nickte Mike zu und sagte: „Bin gleich zurück.“ Er konnte nicht ahnen, dass er heute nicht mehr mit ihm sprechen würde.
Unten im Wagen sagte über die Muschel Inspektor Hartman: „Baron Strehlitz, fahren Sie bitte sofort zum St. Francis Hospital. Dort wurde Dr. Proud eingeliefert. Man hat ihn im schwerverletzten Zustand unweit vom Beach Kennel Club in einem Gebüsch gefunden. Miss Keil haben wir hier im Hauptquartier. Jemand hat ihr einen harten Gegenstand über den Kopf geschlagen. Sie lag bewusstlos in einem weißen Cadillac, als wir sie gefunden haben. Jetzt ist sie wieder halbwegs okay. Sie sagt, maskierte Banditen hätten sie beide, Proud und das Mädchen, überfallen, als sie in den Wagen steigen wollten. Proud wäre mitgeschleppt worden. Die Kleine sagt, die drei Kerle hätten dauernd gefragt: Wo ist das Foto? Gib es her! Dann sind sie mit Proud weg. Den Rest kennen Sie.“
„Welches Foto es ist, wissen Sie nicht, Hartman?“
„Doch, es hängt mit Ihrem Fall zusammen. Kommen Sie, ich warte im Francis Hospital auf Sie!“
„Okay, ich bin schon unterwegs!“
9
Dr. Proud war bei Bewusstsein. Er lag blass in den Kissen, und es konnte nur ein schwacher Trost für ihn sein, vom Bett aus durch die Scheiben auf das von der Abendsonne in leuchtendes Rot getauchte Meer sehen zu können. Draußen kreuzten schnittige weiße Segeljachten im Abendwind. Musik aus Kofferradios drang vom Strand her bis ins Zimmer. Zerhackte Klänge wie auf einem entfernten Jahrmarktsplatz.
Der Arzt hatte dem Baron gesagt, dass Proud ein gebrochenes Schlüsselbein, eine durch einen Schlag verletzte Kniescheibe und einen gebrochenen linken Arm habe. Auch am Kopf sah der Baron Verletzungen infolge ziemlich brutaler Schläge, die vielleicht von einem Schlagring herrührten. Die Nase war aufgeplatzt, jetzt konnte er nur dicke Mullbinden an Nase, Stirn und über dem rechten Ohr sehen.
„Sie haben mich fertiggemacht“, sagte Proud leise. „Wie geht es Mary?“
„Gut. Sie war nur ohnmächtig. Erzählen Sie, was passierte, Doktor!“
Er schloss die Augen und hatte ohne Zweifel starke Schmerzen. Dann bewegten sich seine verquollenen Lippen, und er flüsterte: „Es waren drei, alle maskiert. Wir wollten in den Wagen, da kamen sie aus einer dunklen Limousine …“
„Typ?“
„Tut mir leid, darauf habe ich nicht geachtet. Sie stand zwar neben unserem Wagen, aber was es war, weiß ich nicht mehr. Sie stießen uns in den Wagen und…“
„In Ihren Wagen?“
„Ja. Der eine fragte mich mit verstellter Stimme, wo das Foto wäre, das ich aus Dr. Ferrenc‘ Schreibtisch genommen hätte. Ein Foto habe ich nicht genommen, überhaupt nichts habe ich genommen. Ich wusste nicht, was die von mir wollten. Weil ich aber gar nicht begriff, was es für ein Foto sein sollte, verprügelten sie mich. Der eine sagte, es handelte sich um ein Bild von irgendeiner Steuerungsanlage. Ich weiß nicht, was das sein soll. Dr. Ferrenc hätte es von diesem Mr. Koog, dem Offizier. Bevor sie mich dann ins Gebüsch warfen, drohte mir der eine, mich umzubringen, wenn ich nur einen Ton von dem an die Polizei verriete, was passiert ist. Er sagte auch wörtlich: Dafür, dass du Ferrenc hast hochgehen lassen, sollten wir dich eigentlich totschlagen! Und dann warfen sie mich ins Gebüsch. Ich muss einige Zeit bewusstlos gewesen sein. Als ich zu mir kam, waren sie weg, und ich schrie um Hilfe.“
„Wo ist Ihre Wohnung, Doktor?“
„25 th Street, das Haus über dem Schönheitssalon Wild.“
Das war alles, und Alexander reichte es bis an den Stehkragen. Er verabschiedete sich ziemlich hastig und ging. Im Wagen rief er über Sprechfunk Hartman an. Der hatte aber schon getan, was er ihm raten wollte und war aus diesem Grunde nicht mehr im Hospital gewesen, als der Baron bei Dr. Proud weilte.
„Ja, ich habe mir die Wohnung von Proud angesehen. Alles steht auf dem Kopf, kein Haken mehr am selben Platz“, erklärte Hartman. „Es steckt also ein ganzer Club hinter Ferrenc.“
Es sah wirklich so aus. Obgleich dem Baron auch hier ein paar Schönheitsfehler zu denken gaben. Dennoch, die Beweise gegen Mike verdichteten sich mehr und mehr. Völlig unschuldig konnte er auf Grund der Indizien nicht sein. Das glaubte jetzt selbst Alexander nicht mehr. Wenn er auch den Mord an Ferguson oder sogar an Koog nicht begangen haben sollte, war er doch seines Erachtens in die ganze Geschichte verwickelt.
„Sorgen, Boss?“, fragte James und bot ihm eine Zigarette an.
„Ach, alles Murks! Fahren wir also zu meinem Hotel! Der Koffer liegt ja noch immer im Wagen, und ich weiß nicht einmal, wo ich übernachte. Wo hat Inspektor Hartman für mich ein Zimmer bestellt?“
„Wie ich ihn kenne, hat er das vergessen“, lachte James. „Warten Sie, ich frage ihn.“ Er rief über Funk Hartman an, doch der war schon wieder unterwegs. Schulterzuckend meinte James: „Um diese Jahreszeit bekommen Sie hier alles, nur kein Hotelzimmer. Wissen Sie was? Schlafen Sie, wenn Sie dazu kommen, einfach bei mir.“
Davon war der Baron nicht sehr begeistert. Denn er kam ja zu den unmöglichsten Zeiten zum Schlafen und würde dann immer James stören.
„Keine Sorge, Boss“, beteuerte James. „Dann fahren wir zu Jack, ein Freund von mir, der hat ein Motel. Da sind Sie richtig!“
„Versuchen wir‘s erst in einem Hotel.“
Der Versuch missglückte, und so landeten sie nach einer Stunde doch noch im Motel. Der Baron bekam ein Zimmer in einem der Bungalows mit Ausblick